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Andreas Strehler und seine Sauterelle

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Das Thema Konstantkraft taucht derzeit bei verschiedenen Herstellern auf. Aber was ist das eigentlich?
Andreas Strehler: Sauterelle © PR
Die Idee hinter der „Constant Force“ ist es, der Hemmung eine stetig gleiche Kraft zuzuführen – egal, wie stark das Federhaus aufgezogen ist. Die Schwingungsweite der Unruh, die Amplitude, soll möglichst konstant bleiben und damit einen stabilen, gleichmäßigen Gang gewährleisten. Die meisten Konstantkraftmechanismen setzen direkt am Ankerrad an. Eine andere Lösung wählt der Deutschschweizer Uhrmacher Andreas Strehler aus Sirnach bei Wil. Er zeigte mir auf der Baselworld seine neueste Uhr mit Namen Sauterelle. Für ihr Werk hat Strehler ein Zwischenaufzugsgetriebe konstruiert, das auf dem Sekundenrad platziert ist.
Andreas Strehler © PR
Zugegebenermaßen ist so ein Mechanismus nicht leicht zu verstehen. Glücklicherweise hatte Strehler auf der Messe ein – selbstgebautes – Gangmodell dabei, an dem ich ein bisschen herumspielen konnte. Vereinfacht gesagt, macht Strehler in der Getriebekette einen Schnitt, und zwar genau zwischen Sekundenradtrieb und Sekundenrad. Normalerweise sind Rad und Trieb fest miteinander vernietet. Die vom Federhaus kommende Kraft wird so über Minuten-, Kleinboden- und Sekundenrad bis zum Ankerrad weitergereicht. Dabei wird mit abnehmender Federkraft auch die Kraft, die bei der Hemmung ankommt, immer schwächer; als Ergebnis schwingt die Unruh weniger weit und damit schneller: Die Uhr geht vor. Strehler hat nun zwischen Sekundenradtrieb und Sekundenrad ein Zwischengetriebe gesetzt. Es besteht aus einem sternförmigen Satellitenrad (das man auf dem Zifferblatt sieht) und einer Feder, die mit einem Ruhestein verbunden ist. Diese Feder stellt die einzige Verbindung zwischen Sekundenradtrieb und Sekundenrad dar. Einmal pro Sekunde gibt sie einen – immer gleich starken – Impuls an das Sekundenrad und damit an die Hemmung weiter. Dazwischen bleibt die Hemmungsgruppe frei von jeglichen äußeren Einflüssen, namentlich von Störfaktoren wie Schwankungen in der Energieversorgung oder einem ungleichmäßigen Ablauf im Räderwerk. Das erwähnte Zwischengetriebe ist im Prinzip nichts anderes als eine zusätzliche, vereinfachte Hemmung. So gelangt die Kraft vom Federhaus zunächst einmal nur bis zum Sekundenradtrieb. Auf der Achse dieses Triebs sitzt ein Arm mit dem oben erwähnten Satellitenrad. Eine seiner sternförmigen Zacken wird zunächst von einem Ruhestein blockiert, der wiederum mit einer kleinen Feder verbunden ist. Die Feder selbst steht nicht still, sondern rotiert um ihr Zentrum. Im Laufe der Bewegung wandert der Ruhestein, an dem der Sternzacken anliegt, etwas nach außen, bis er den Zacken schließlich freigibt. Daraufhin springt das Sternrad so weit, bis der nächste Zacken wieder vom Ruhestein blockiert wird und so weiter. Das Intervall beträgt eine Sekunde. Der Ruck, den der Arm mit dem Sternrad dadurch vollführt, korrespondiert mit der Energie, die zum Sekundenrad hin abgegeben wird. Gleichzeitig nutzt Strehler diesen Arm auch als – springenden – Sekundenzeiger: An seinem Ende befindet sich eine kleine Spitze, die auf eine 60-Sekunden-Skala verweist.
Schaltvorgang der Sauterelle von Andreas Strehler, Teil 1 © PR
Schaltvorgang der Sauterelle von Andreas Strehler, Teil 2 © PR
Schaltvorgang der Sauterelle von Andreas Strehler, Teil 3 © PR
Zu den Skizzen: Auf der ersten rutscht der Ruhestein gerade vom Sternrad ab. Daraufhin dreht sich das Sternrad gegen den Uhrzeigersinn (2. Bild), bis der nächste Zacken wieder vom Ruhestein blockiert wird (3. Bild, unten). Die Bewegung des Sterns ist so schnell, dass man sie mit bloßem Auge nicht wahrnehmen kann – dies zeigt das folgende Video: [HTML2] Durch den Zwischengetriebe ist das Werk in der Lage, jeden Fehler, der sich irgendwo innerhalb des Räderwerks aufbaut, zu kompensieren. Egal, ob es sich um Temperaturschwankungen handelt, um einen ungleichmäßigen Ablauf der Feder oder andere Störungen im Räderwerk –Hemmung und Gang bleiben unbeeindruckt, und die Amplitude ist immer gleich, nach Vollaufzug genauso wie kurz vor dem Stehenbleiben. Stehen bleibt die Uhr, wenn die Gangautonomie von 78 Stunden aufgebraucht ist.
Die Werkseite der Sauterelle von Andreas Strehler © PR
Die schmetterlingsförmigen Werksbrücken, aufwendig angliert, zeigen die Verwandtschaft mit Strehlers zuvor lancierten Modellen Papillon (zu Deutsch Schmetterling, 2008) und Cocon (2012). Mit der Sauterelle (Heuschrecke) behält er den Bezug zur Tierwelt bei und verweist zugleich auf die Funktion der springenden Sekunde. Den Namen hatte sich Strehler bereits 2008 schützen lassen, noch bevor Gerd-Rüdiger Lang von Chronoswiss auf der Baselworld 2009 eine Uhr mit springender Sekunde vorstellte, die genauso hieß. Strehler erlaubte Lang damals, den Namen für eine gewisse Zeit zu benutzen und half ihm sogar, das Werk neu zu konstruierten, als es mit der Auslieferung des ursprünglich intendierten nicht klappte.
Die Kraft vom Federhaus kommt über das Minutenrad (nicht im Bild), das Kleinbodenrad (großes gelbes Rad rechts) und das Sekundenrad (großes gelbes Rad links) zum Ankerrad (hellgelbes Rad unten). Dabei greift das Kleinbodenrad in das Trieb des Sekundenrads ein (unterhalb der Feder, nicht sichtbar); das Sekundenrad wiederum greift in das Ankerradtrieb. © PR
Strehler will seinen neuen Konstantkraftmechanismus zunächst nur für seine eigenen Uhren nutzen. In Rotgold kostet die Sauterelle 95000 Schweizer Franken; sie wird aber auch in Weißgold und Platin erhältlich sein. buc

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