Very rare – sehr selten, so wirbt H. Moser & Cie. Anfang 2014 in seinen Anzeigen. Und unterstreicht diese Aussage damit, dass es sich wohl um die einzige Uhrenwerbung der Welt handelt, auf der keine Uhr zu sehen ist. In der Tat sind die Zeitmesser aus der Schweizer Manufaktur in Neuhausen am Rheinfall nicht häufig an den Handgelenken von Uhrenfans zu sehen, vor allem nicht in Deutschland. Das soll sich ändern.
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Als Familienunternehmen startet H. Moser & Cie. neu
Die neuen Besitzer, die Familie Meylan, haben ehrgeizige Pläne: Innerhalb von drei Jahren, so erklärt CEO Edouard Meylan bei seinem Amtsantritt Anfang April 2013, soll das Unternehmen schwarze Zahlen schreiben. Da Familie Meylan in der Uhrenbranche bestens bekannt ist – Vater Georges-Henri war bis 2008 CEO bei Audemars Piguet –, halten viele dieses Ziel für realistisch. Seit der Gründung 2002 bis zur Übernahme der Mehrheitsanteile hielt der Unternehmer und Firmenmitgründer Thomas Straumann die Mehrheit. Bevor die Meylans die Bühne betreten, verläuft der Plan, hochwertige Uhren unter dem Namen des im 19. Jahrhundert bekannten Industriellen Heinrich Moser auf den Markt zu bringen, eher schleppend. Dabei hat die Manufaktur vieles zu bieten: Das Gebäude im Industriegebiet von Neuhausen am Rheinfall, direkt neben Schaffhausen gelegen, ist mit den neuesten Maschinen ausgestattet, und es mangelt nicht an fachlichem Knowhow. Doch bis 2009 endlich eine ansprechende Quantität Uhren ausgeliefert werden kann, ist bereits viel Kapital verbraucht. Nach einer kompletten Restrukturierung und unter der Leitung einer völlig neuen Führungsmannschaft macht man sich jetzt daran, sich im Segment der Luxusuhren sein Plätzchen zu erobern. Wirtschaftlich flankiert wird die eigene Marke von den Entwicklungen des Hauses für andere Uhrenunternehmen. Wer in der Schweiz eine neue Uhrenmarke gründet, greift nicht selten auf die lange Geschichte der Uhrmacherei in diesem Land zurück. Auch bei H. Moser & Cie. ist dies der Fall. Erfahren Sie im Video-Interview mit CEO Edouard Meylan mehr über eigene Werke, Spiralen und Hemmungen von H. Moser & Cie.
Die Taschenuhren des Uhrenunternehmers Heinrich Moser sind im 19. Jahrhundert weltbekannt – und finden vor allem in Russland ihre Käufer. Heinrich Moser stammt aus einer Uhrmacherfamilie in Schaffhausen. Der junge Mann möchte weg aus der winzigen Stadt am Rhein und geht daher auf Wanderschaft. Sehr weit kommt er erst einmal nicht: In Le Locle, bereits damals ein Treffpunkt der besten Uhrmacher der Welt, lernt er alle Feinheiten des Handwerks. Heinrich Moser ist nicht nur ein begnadeter Handwerker und Uhrenkonstrukteur, er besitzt auch große unternehmerische Energie und diese führt den jungen Mann 1828 – im Alter von gerade einmal 23 Jahren – nach St. Petersburg, wo er sein Unternehmen H. Moser & Cie. gründet.
Der Uhrenunternehmer H. Moser & Cie. bringt Schaffhausen den Fortschritt
Heinrich Moser hat sehr schnell Erfolg im Zarenreich. Dort lernt er auch seine Frau Charlotte kennen, mit der er fünf Kinder hat. Die Familie kehrt 1848 in die Schweiz zurück. Mit dem Bau des herrschaftlichen Anwesens »Schloss Charlottenfels«, hoch über dem Rhein und der Stadt Schaffhausen, macht Moser gleich deutlich, wer hier künftig das Sagen hat.
Mit der vorindustriellen Ruhe in dem Rheinstädtchen, dessen Bewohner sich mehr schlecht als recht mit kleinen Handwerksbetrieben über Wasser halten, ist es bald vorbei. Zwar entstehen die Taschenuhren des Unternehmens im weit entfernten Le Locle, wo Moser bereits 1829 eine Manufaktur errichtet hat, doch er möchte auch Arbeitsplätze in Schaffhausen schaffen. Dafür braucht es mehr Energie, als die Wassermühlen entlang des Rheinufers erzeugen können. Moser plant und errichtet einen Damm über den Rhein, der bis auf den heutigen Tag existiert – hier steht jetzt das Flusskraftwerk – und seinen Namen trägt. Der Bau der Anlage ist aufgrund des felsigen Untergrunds schwierig, wird aber dank der unermüdlichen Anstrengungen Heinrich Mosers im Jahr 1866 fertiggestellt. Mittels Transmissionsriemen wird die erzeugte Energie zu den Fabriken auf dem anderen Rheinufer geleitet. Mosers Projekt macht den Ort für Industrieansiedlungen interessant: Die Arbeitskräfte sind billig, und es gibt genug Energie.
Erfahren Sie auf der zweiten Seite, warum die Glanzzeit von H. Moser & Cie. bald vorbei war – und wer sie wieder aufleben ließ.
So siedelt beispielsweise Ariosto Jones, der Gründer der International Watch Company, 1868 seine neue Uhrenfabrik hier an. Die Taschenuhren von Moser werden weiter in erster Linie im russischen Reich bis nach China verkauft. Doch die Glanzzeit ist bald vorbei: Ehefrau Charlotte stirbt 1850 an den Folgen eines Kutschenunfalls. Ihr einziger Sohn Henri Moser hat nicht den Unternehmergeist des Vaters geerbt: Er vergnügt sich auf ausgedehnten Expeditionen und bringt viele Sammlerstücke aus Kasachstan, Tibet und anderen Regionen mit in die Villa Charlottenfels, wo sie heute in einem Museum zu sehen sind, das die Stiftung »Heinrich und Henri Moser« mit der Unterstützung des Unternehmens H. Moser & Cie. unterhält. Das Unternehmen verliert nach dem Tod von Heinrich Moser 1874 und den Wirren der Russischen Revolution an Bedeutung.
Als der Urenkel Roger Nicholas Balsiger rund ein Jahrhundert später Dr. Jürgen Lange und Thomas Straumann kennenlernt, beschließt das Trio, die Marke wieder aufleben zu lassen. Thomas Straumann ist der Sohn von Reinhard Straumann, der als Erfinder der Nivarox-Spirale berühmt wurde. Hier schließt sich der Kreis zu H. Moser & Cie.: Die Manufaktur ist als eines von vielleicht einer Handvoll Unternehmen in der Lage, selbst Spiralen herzustellen. Jahrelang experimentieren die Entwickler des Unternehmens zusammen mit Zulieferern, bis sie die richtige Legierung und Verarbeitung heraushaben. Heute stellt die Precision Engineering AG, eine Schwesterfirma von H. Moser & Cie., Spiralen her und beliefert auch andere Uhrenmanufakturen. Auf die Doppelspirale ist man hier besonders stolz: Bei dieser Hemmung sind zwei Unruhspiralfedern der gleichen Bauart so angeordnet, dass sich ihre Schwerpunkte während der Schwingbewegung auf entgegengesetzten, symmetrischen Bahnen verlagern. Damit bleibt der Summenschwerpunkt immer in der Achsenmitte und kann so erst gar keine negativen Auswirkungen auf die Ganggenauigkeit des Uhrwerks entwickeln.
Die Uhren von H. Moser & Cie.: Komplex, aber nicht überladen
2014 präsentiert H. Moser & Cie. sechs Uhrenfamilien mit jeweils eigenen Kalibern. Praktische Details, erstklassige Verarbeitung und technische Neuerungen sind dabei ebenso Gemeinsamkeiten aller Modelle wie das klare Design mit »aufgeräumt« wirkenden Zifferblättern. Beispielsweise zeigt der kleine rote Zeiger bei der Nomad Dual Time eine zweite Zeitzone an. Er ist einzeln verstellbar ohne dabei die Heimatzeit zu verändern. Unterhalb der Zwölf zeigt ein winziger, kreisrunder Ausschnitt einen weißen oder schwarzen Hintergrund und informiert so darüber, ob die angezeigte Stunde zur ersten oder zur zweiten Hälfte des Tages gehört.
Möglichst viele Komplikationen in einem Kaliber zu vereinen ist nicht das Anliegen der Manufaktur. So hat man sich bei der Perpetual Moon eben nur auf die Mondphase konzentriert und besonderen Wert darauf gelegt, dass sie so präzise wie möglich funktioniert: Auf 1 000 Jahre weicht die Mondphase nur um einen einzigen Tag ab. Sie zeigt auch an, wie viele Tage einer Mondphase bereits vergangen sind. Ein besonderer Genuss für Fans des Ewigen Kalenders ist die Perpetual Calendar, mit der sich H. Moser & Cie. 2005 auf dem Uhrenparkett zurückmeldet. Wer seinen Freunden zeigen will, wie gut beispielsweise die Umstellung vom 28. Februar auf den ersten März funktioniert, kann problemlos über die Krone vor- oder zurückdrehen und das kleine Schauspiel so beliebig oft zeigen.
Noch schlichter als diese 2014 vorgestellten Modelle, kommt die Concept Watch von H. Moser & Cie. daher, die die Uhrenmarke bei der weltgrößten Uhren- und Schmuckmesse Baselworld 2015 erstmals präsentierte. Auf dem Zifferblatt der Uhr befinden sich drei Zeiger – und sonst nichts. Weder Indexe noch ein Firmenlogo sind zu sehen, einzig auf der Krone erkennt man das Logo der Schweizer, die sich klarem Design und der Seltenheit verschrieben haben.