Manufakturkaliber, neue Materialien, tolle Komplikationen: Nur wenige Uhrenmarken haben in so kurzer Zeit so viel auf die Beine gestellt wie Hublot (Artikel aus Chronos 06.2013).
Fällt der Name Hublot, denkt man zuerst an den umtriebigen Verwaltungsratsvorsitzenden Jean-Claude Biver, an große, auffällige Uhren und an viele Berühmtheiten, die sich mit Bivers Uhren schmücken. Die Zahl der Partnerschaften, die Hublot in den vergangenen Jahren mit Superstars, Sportvereinen und Institutionen aufgebaut hat, ist beeindruckend; die Liste geht von Bayern München bis Ferrari, von Jay-Z bis Depeche Mode. Doch nichts wäre falscher, als Hublot als oberflächliche Marke zu betrachten, die nur in der Welt des Glamour zu Hause ist. Dem – höchst erfolgreichen – Marketing stehen handfeste innere Werte gegenüber. In nur wenigen Jahren haben Biver und sein CEO Ricardo Guadalupe ihre 2009 in Nyon bei Genf eröffnete Produktionsstätte zu einer Manufaktur mit beachtlicher Fertigungstiefe ausgebaut.
Wer heute durch die Manufaktur läuft, staunt allein schon über die Anzahl der Fertigungsschritte, die bei Hublot verrichtet werden. Die gut 270 Beschäftigten arbeiten in über 40 Berufen: vom Designer bis zum Konstrukteur, vom Werkzeugmacher bis zum Chemiker, vom Angleur bis zum Uhrmacher. Bei Hublot findet man alle Stufen der Uhrenproduktion: Es beginnt mit der Fertigung der Einzelteile und geht weiter über die Vormontage und den Zusammenbau der Werke sowie die Montage der Uhren bis hin zum Bestücken mit Armband und Schließe. Wie es in der Uhrenindustrie üblich ist, verlagert man einen – kleinen – Teil bestimmter Arbeiten an Zulieferer. So muss man nicht das eigene Personal antasten, wenn die Nachfrage nach Uhren auf einmal stärker steigt oder sinkt. Doch das Meiste geschieht unterm eigenen Dach. Bei manchen Jobs, etwa der Produktion von Kleinserien und Teilen für Prototypen, ist das unabdingbar, um Wartezeiten zu vermeiden.
Für seine Uhrwerke fertigt Hublot nicht nur Platinen und Brücken, sondern auch Federhäuser und Zahnräder, Wellen, Federn und Hebel. In der Manufaktur wird gedreht, gefräst und elektroerodiert. In der fertigen Uhr müssen diese Teile schön aussehen, denn viele von ihnen sind von außen sichtbar – durch den Werkboden oder durch Aussparungen im Zifferblatt. Daher beschäftigt Hublot auch Mitarbeiter, die die Komponenten polieren oder sandstrahlen, die Kanten brechen und die Oberflächen mit Zierschliffen veredeln. Manche Uhren werden auf Kundenwunsch personalisiert, etwa durch eine lackierte Gravur auf dem Gehäuseboden oder speziell eingefärbte Brücken.
Hublot leistet sich sogar eine eigene Galvanikabteilung – das sieht man heutzutage nur noch selten. Dort werden in elektrolytischen Bädern Werkbestandteile aus Messing oder Stahl vergoldet, vernickelt, rhodium- und rutheniumplattiert. Die graue Farbe des manufaktureigenen Unico-Kalibers entsteht um Beispiel dadurch, dass die Messingteile zuerst durch ein Gold- und dann durch ein Rutheniumbad gehen.
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Da die Hublot-Manufaktur so jung ist, sieht man überall nur nagelneue Werkzeuge und hochmoderne Maschinen. Zu ihnen gehört auch ein Automat, der per optischer Erkennung aus vorbereiteten Lagersteinen unterschiedlicher Größe immer genau den passenden Stein fürs passende Loch aussucht und an der richtigen Stelle einer Werkbrücke einpresst. Handarbeit gibt es in dieser Abteilung „Vormontage“ auch, sie spielt aber eine geringere Rolle als bei der Werkdekoration oder der Werkmontage.
Umfangreiche Prüfungen
Das Zusammenbauen der Werke und die Regulierung obliegt erfahrenen Uhrmachern. Dabei werden Komponenten wie fertige Werke immer wieder verschiedenen Tests unterzogen. Läuft man durch die Manufaktur, sieht man vieles, was man so auch von anderen Uhrenmanufakturen kennt – etwa den Stoßtest, bei dem eine Uhr mit einem Eisenhammer in ein Netz geschlagen und dabei bis zu 5000 g beschleunigt wird. Es gibt aber auch Bereiche, bei denen Hublot eigene Wege geht. Ein Beispiel ist der Wasserdichtheitstest. Hier werden fünf Uhren der gleichen Serie zunächst in einer Art Vortest in kleinen Kammern unter Druck gesetzt, sodass eine undichte Uhr zusätzliche Luft aufnehmen würde. Anschließend saugt man die Luft wieder heraus, wobei die Menge aus jeder der fünf Kammern gemessen und miteinander verglichen wird. Ist aus einer Uhr mehr Luft entwichen, weiß der Hublot-Mitarbeiter, dass die Uhr undicht ist. Die unauffälligen Uhren müssen sich nun dem eigentlichen Test unterziehen: Sie gelangen für etwa eine halbe Stunde bei 100 Bar Druck in ein Wasserbad. Wieder an der Luft, werden sie auf gut 40 Grad erwärmt. Viele andere Uhrenfirmen führen an dieser Stelle einen Wassertropfentest durch: Man will sehen, ob das Glas unter dem Tropfen, wo es kalt ist, beschlägt. Hublots Produktionsleiter Christophe Brisebard erklärt, ihm sei der Tropfentest zu ungenau. Erstens sei die Temperatur des Tropfens nicht definiert, zweitens könne man so keine Rücksicht auf die Dicke des Glases nehmen. Daher kühlt Hublot die Uhren in wenigen Minuten auf etwa 12 bis 18 Grad herunter – je dicker das Glas, desto niedriger die Temperatur. Zwar beschlagen zunächst alle Uhren aufgrund des plötzlichen Temperaturunterschieds. Doch erst, wenn nach einer Minute immer noch Kondenswassertröpfchen zu sehen sind, weiß man, dass die Uhr undicht ist.
Eine weitere Hublot-Besonderheit zeigt sich beim Überprüfen der Ganggenauigkeit. In den fünf Lagen, in denen sich die Werke bewähren müssen, fordert Hublot nicht etwa Werte wie die Chronometerprüfstelle COSC (zwischen –4 und +6 Sekunden Abweichung auf 24 Stunden), sondern der Wert muss zwischen 0 und +10 Sekunden liegen. Als Grund nennt Brisebard, dass Uhren nach einigen Tagen am Handgelenk eher zum Nachgehen neigen als zum Vorgehen. Mit dem Test selbst nimmt Hublot es sehr genau: Zunächst werden die losen Werke zweimal getestet – voll aufgezogen und nach 24 Stunden –, später muss die fertige Uhr noch einmal dasselbe Prozedere durchlaufen.
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Chronographenkaliber Unico 1240
Das Herzstück der Manufaktur bildet die Produktion des eigenen Chronographenkalibers Unico 1240 mit Automatikaufzug. Es handelt sich um eine integrierte (also nicht-modulare) Konstruktion mit Schaltradsteuerung und einer hohen Gangautonomie von 72 Stunden. Den Entwicklern hatte Jean-Claude Biver einst ins Pflichtenheft geschrieben, dass er einen von vorn sichtbaren Chronographenmechanismus wünschte. Während heute die meisten modernen Chronographen ihren Mechanismus auf der Werkunterseite haben, war früher eine solche „Kadratur“ – ein Mechanismus unter dem Zifferblatt (französisch „cadran“) – nicht unüblich, allerdings fehlte dann meist die Datumsanzeige. Das Unico verfügt über ein Datum und erlaubt, ein durchbrochenes oder skelettiertes Zifferblatt vorausgesetzt, einen Blick auf einen Teil der Technik. Dazu gehört auch eine doppelte horizontale Kupplung: Während der Sekundenzählzeiger auf klassische Weise vom Sekundenrad angetrieben wird, ist für das konstante Mitlaufen des Minutenzählers eine direkte Verbindung zum Federhaus verantwortlich. Einen typischen Nachteil horizontaler Kupplungen, das Springen des Sekundenzählzeigers beim Starten des Stoppvorgangs, vermeidet Hublot durch eine sehr feine Verzahnung. Der Rotoraufzug läuft in beiden Richtungen dank eines Systems mit zwei Klinken, das nach dem – leicht abgewandelten – Pellatonprinzip funktioniert. Anker und Ankerrad bestehen aus Silizium.
Zwar verbaut Hublot immer noch in vielen Modellen das Chronographenkaliber Valjoux 7750 der Eta und bezieht Werke von La Joux-Perret, doch die Zahl an eigenen Kalibern steigt stetig. Neben dem Unico 1240 (mit seinen Varianten 1241 ohne kleine Sekunde und 1242, beide mit Datum bei 3 Uhr) gibt es das Kaliber 1220, das die Darstellung von 14 Zeitzonen erlaubt (z.B. King Power Unico King Cash). 2014 soll ein weiteres Werk debütieren. Dazu kommen eine ganze Reihe an Komplikationen, darunter Tourbillons, Minutenrepetitionen und weitere Spezialitäten. Auf der Baselworld 2013 sorgte die auf 50 Stück limitierte MP-05 LaFerrari für Aufsehen: Ihr senkrecht aufgebauter Mechanismus mit elf Federhäusern erlaubt über 50 Tage Gangautonomie – Weltrekord. Dafür muss man die Uhr mit einem kleinen Akkuschrauber aufziehen. Auch das futuristische Gehäuse, das die Walzen zur Zeitanzeige und ein vertikal aufgehängtes Tourbillon beherbergt, wird bei Hublot gefertigt.
Andere spektakuläre Uhren sind die „Key of Time“, bei der man die Zeiger schneller oder langsamer ablaufen lassen kann, oder die „Antikythera“, die einem antiken Kalendermechanismus nachempfunden ist.
Dass Hublot überhaupt in der Lage ist, so vielfältige hochkomplexe Kaliber zu entwickeln und zu fertigen, hat einen besonderen Grund: Vor einigen Jahren übernahm Jean-Claude Biver die Firma BNB, die verschiedene Hersteller mit ultrakomplizierten Werken belieferte. Rund 30 auf Komplikationen spezialisierte Uhrmacher, angeführt vom Spezialisten Mathias Buttet, wechselten damals zu Hublot und erhöhten die Schlagkraft des Unternehmens um ein Vielfaches. Bildeten die Neulinge anfangs noch eine eigene Zelle, so zeigte sich bald, dass eine komplette Integration in die bestehenden Strukturen der bessere Weg war. Mathias Buttet kümmert sich heute ausschließlich um Forschung und Entwicklung.
Das Atelier für Komplikationen
Die Abteilung Komplikationen, in der einige der ehemaligen BNB-Mitarbeiter Dienst tun, führt Emmanuel Missillier. Er zeigt eine große Komplikation, die Hublot 2011 vorgestellt hat: die Cathedral Minute Repeater Tourbillon, eine Uhr mit Tourbillon, Chronograph und Minutenrepetition mit Glockenschlag in einem Gehäuse aus Karbon.
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Bei ihr winden sich die beiden – gegenläufig angebrachten – Tonfedern je zweimal ums Uhrwerk. Dadurch ergibt sich ein besonders voller, lang nachwirkender Klang, der vom Karbongehäuse begünstigt wird, schluckt dieses doch weniger Schall als ein Goldgehäuse. Die Atmosphäre im Komplikationen-Atelier ist entspannt, aber konzentriert. Die sieben Uhrmacher, die hier tätig sind, bauen jede Uhr von Anfang bis Ende zusammen; damit ist die Arbeit anders organisiert als bei den Serienwerken a la Unico, bei denen jeweils mehrere Uhrmacher Hand anlegen.
Eine besonders interessante Zelle innerhalb der Manufaktur bildet die Metallurgieabteilung, die Senad Hasanović leitet. Der 32-jährige Ingenieur hat die Verbindung aus Gold und Keramik erfunden, die Hublot unter dem Namen „Magic Gold“ vermarktet. Das Ergebnis ist ein Material, das es bei keiner anderen Uhrenmarke gibt: ein kratzfestes Gold. Hasanović ist sein eigener Herr in der kleinen Abteilung, in der mehrere Brennöfen stehen.
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Während er im einen Ofen die Goldlegierung vorbereitet, wird in einem zweiten durch Sintern der Keramikrohling aus Borkarbid vorbereitet. Wichtig ist dabei, dass die Temperatur einen genauen Wert – er liegt bei 2.200 Grad Celsius – erreicht, damit exakt die gewünschte Porosität entsteht. In diese Poren, die nicht zu groß und nicht zu klein sein dürfen, fließt im nächsten Schritt das Gold ein. Das geschieht in einem Druckofen unter einem Gasdruck von 200 Bar bei etwa 1.100 Grad. Die Hitze muss so groß sein, dass das Gold flüssig wird, aber nicht so hoch, dass auch die Keramik schmelzen würde. Wenn alles passt, verschmilzt das (fast) 24-karätige Gold mit dem Keramikrohling zu Hublots „magischem“, kratzfestem Gold. Das sieht man dem dunkelgrauen Rohling freilich noch nicht an. Die Goldfarbe kommt erst zum Vorschein, nachdem das ausgeschnittene Teil – eine Lünette oder ein Gehäuseboden – poliert wurde. Der Glanz unterscheidet sich freilich von herkömmlichem Gold, was dem Material einen ganz eigenen Reiz verleiht; außerdem ist es leichter. Da 75 Prozent des neuen Materials aus reinem Gold bestehen, wird die Legierung als 18-karätiges Gold anerkannt und erhält als solches die offizielle Schweizer Goldpunze in Form eines Bernhardinerkopfes.
Technisch gesehen ist das Material eine Keramik, das heißt, die Oberfläche ist so hart, dass sie nur von einem Diamanten geritzt werden kann. Entsprechend viele Kratzer befinden sich auf der Stahlplatte, auf der Hasanović mit seinen Keramikrohlingen hantiert. Dafür ist beim Herunterfallen einer Magic-Gold-Uhr das Risiko, dass etwas bricht, höher als bei normalem Gold. Da die Hublot-Gehäuse aber aus vielen Einzelteilen bestehen und bei einem Sturz oft nur eines bricht, hält sich der Reparaturaufwand in Grenzen.
Im Augenblick ist die Fertigungsmethode aufwendig und teuer, sodass Hublot keine kleinen Teile wie Kronen und Drücker aus Magic Gold fertigt, obwohl das technisch möglich wäre. Allerdings hat sich die Marke auch Keramikverbindungen mit Silber, Platin und Palladium patentieren lassen. Gut möglich, dass Jean-Claude Biver und Ricardo Guadalupe eines Tages ein kratzfestes „Magic Silver“ präsentieren werden. Die neueste Entwicklung Hasanovićs hat allerdings nichts mit Metallen zu tun: Ihm ist es gelungen, Keramiken in kräftigen bunten Farben zu entwickeln. Vor allem ein knalliges Rot galt bisher als technisch nicht machbar. Jetzt gibt es schon die erste Uhr: Zur Only-Watch-Benefizauktion in Monaco Ende September brachte Hublot eine Classic Fusion mit einer Lünette aus leuchtend roter Keramik. Muster in Blau und Gelb liegen bereits auf Hasanovićs Arbeitsplatz. Die Farben sind erstaunlich kräftig und klar. Dabei denkt der junge Chemiker an die Zukunft: Denkbar seien, sagt er, auch mehrfarbige Gehäuseteile aus dieser Keramik. Und Jean-Claude Biver scherzt, theoretisch könne man sogar eine blau-rote „Pepsi“-Lünette für Rolex bauen.
Das neue Gebäude wird noch größer
Eigene Werke, eigene Komplikationen, eigenes Gold: Was Hublot in Nyon zeigt, ist schon beachtlich. Und noch nicht einmal alles. Erst vor zwei Jahren hat man den Gehäusehersteller Profusion in der benachbarten Ortschaft Gland übernommen und ihren Besitzer, Jean-Pierre Kohler, gleich mit. Der leitet nun weiterhin die Gehäuseproduktion – und dazu die gesamte Komponentenfertigung von Hublot. Profusion ist vor allem auf Karbongehäuse spezialisiert; dort entstehen aber auch Gold- und Titanschalen für Hublot.
Zudem gibt es eine kleine Abteilung mit Steinsetzern. 95 Prozent der Produktion gehen an Hublot, daneben beliefert Profusion noch Zenith und Chaumet, die wie Hublot zur LVMH-Gruppe gehören. Viel hat sich getan in den paar Jahren. Und die nächste Änderung steht schon vor der Tür: Gegenüber der Hublot-Manufaktur in Nyon, die immerhin über 6.000 m² Fläche verfügt, soll ein neuer Komplex von 8.000 m² entstehen. Profusion soll dorthin umziehen, außerdem wollen Biver und Guadalupe dort die Produktion der Werkteile unterbringen. 2015 soll alles fertig sein.