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6 Minuten

Serie Designer-Uhren, Teil 3: Alexandre Peraldi, Baume & Mercier

Alexandre Peraldi, Designer von Baume & Mercier, im Interview mit Katrin Nikolaus, UHREN-MAGAZIN
© PR
Dass Gérald Genta die Royal Oak von TAG Heuer vorgestellt. Hier geht es zu den Interviews: Serie Designer-Uhren, Teil 1: Mark Braun und die Nomos Metro Serie Designer-Uhren, Teil 2: Christoph Behling und TAG Heuer Die dritte Folge ist ein Artikel über Alexandre Peraldi. Alexandre Peraldi dirigiert bei Baume & Mercier die Design-Abteilung – und schafft jedes Mal aufs Neue den Spagat zwischen Tradition und Moderne.
Was macht eigentlich ein Uhrendesigner so während eines ganzen langen Arbeitstages? Alexandre Peraldi muss bei dieser Frage lachen: "Ich erkläre Journalisten meine Arbeit!" Er hat auf jeden Fall Humor. Der kreative Kopf von Baume & Mercier lässt im Gespräch keine Sekunde Langeweile aufkommen, dafür sprudeln Erklärungen, Gedanken, Meinungen und ja, auch Zweifel, wie aus einem Füllhorn aus ihm heraus.

Der Anspruch: Perfekte Designer-Uhren im mittleren Preissegment

Seit 2001 ist der Franzose der Kopf der "integrierten Design-Abteilung" von Baume & Mercier, wie das etwas kryptisch offiziell heißt. "Integriert bedeutet, dass wir hier im Design alles selbst machen und dabei sehr eng mit dem Marketing und der technischen Abteilung zusammenarbeiten", erklärt Peraldi. Das Uhren-Unternehmen, das zur Richemont-Guppe gehört, stellt ja bekanntlich keine eigenen Werke her. Umso wichtiger ist es, dass das Team um Alexandre Peraldi haargenau den Geschmack der Kunden trifft: "Unsere Uhren müssen perfekt sein: Gehäuse, Zifferblatt, Armband – das muss ein hundertprozentig stimmiges Gesamtwerk ergeben." Jüngstes Werk: Die Promesse, eine Damenuhr mit ganz leicht ovaler äußerer Form und rundem Zifferblatt. Eine ovale Uhr aus den 70er-Jahren ist der Ausgangspunkt dieser Design-Idee.
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Baume & Mercier: Clifton aus dem Jahr 2015 © PR
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...und das Vorbild: eine historische Clifton von Baume & Mercier © PR
Baume & Mercier hat Hunderte von Uhren aus eigener Herstellung in seinem Archiv. Das 1830 gegründete Unternehmen war vor allem in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts berühmt für seine Damenuhren. "Hier, dieses Armband ist ein Meisterwerk, so etwas kann man heute gar nicht mehr herstellen", zeigt Peraldi ein kostbares Stück aus den 30er- bis 40er-Jahren. Das Armband aus Weißgold ist wie aus weichem, feinem Garn gewebt und fühlt sich überhaupt nicht nach Edelmetall an. Alle Damen- und Herrenuhren gehen von einem historischen Modell aus, das Ausgangspunkt für Neuentwicklungen ist. So werden die Design-Codes von Baume & Mercier ständig erneuert, behalten aber über Jahrzehnte hinweg Kontinuität.

Die Uhren für die kommenden Uhrenmessen sind topsecret

In Peraldis Büro dürfen wir nicht, denn dort hängen die Wände voller Entwürfe zukünftiger Kollektionen, alles topsecret. "Bei meiner Arbeit bin ich stets bereits im nächsten Jahr", erklärt Peraldi. Apropos Wände: Die gibt es in den stylischen Bürobauten, die sich auf dem Richemont-Gelände oberhalb des Genfer Sees sanft in einen Park einschmiegen, eigentlich gar nicht. Alles ist aus Glas. "Und der Architekt hasst es, wenn die Fronten zugehängt werden", berichtet Peraldi. Aber bei allem Verständnis, das ein kreativer Designer für einen kreativen Architekten hat: "Eine Design-Abteilung ohne Bilder, Vorlagen, Fotos, Ausdrucke und Skizzen an den Wänden, wo gäbe es denn so etwas!" In der Tat sieht das Atelier so richtig schön nach Arbeit aus. Überall Stapel von Unterlagen, aber auch Bilder, frische Blumen und eine Schneiderpuppe aus Samt. "Keine Ahnung, warum die immer noch hier steht. Ich hänge manchmal meine Jacke drüber", sagt Peraldi.
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Baume & Mercier: Promesse, Referenz 10183 © PR
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Skizze der Baume & Mercier Promesse © PR
Im angrenzenden Büro seiner vier Mitarbeiter breitet der Designer sein Werkzeug aus: Uhren aus dem Archiv, Kollektionen aus der jüngsten Vergangenheit, Skizzen – und Modelle aus Kunstharz. "Der 3D-Drucker hat unsere Arbeit revolutioniert", erklärt Peraldi. Behände springt er auf und eilt ein Stockwerk tiefer, um "L’Usine", die Fabrik, zu zeigen. In diesem Büroraum stehen zwei 3D-Drucker, einer davon brandneu und der ganze Stolz Peraldis. Morgens und abends verbringt er hier mit einem seiner Mitarbeiter eine halbe Stunde, um die neuen Modelle zu programmieren, die die Maschine in den nächsten Stunden Schicht um Schicht aus orangefarbenem Kunstharz drucken soll. "Früher mussten wir viel länger an einem Entwurf arbeiten", erklärt Peraldi, "und es dauerte Wochen, bis wir den Prototyp eines Gehäuses oder eines Armbandes in den Händen halten konnten." Denn erst dann zeigt sich, ob ein Entwurf tatsächlich etwas taugt. "Die 3D-Darstellungen im Computer sehen immer toll aus, haben aber nur wenig mit der Wirklichkeit zu tun", ist die Erfahrung des Designers.

In der Zukunft entstehen Uhren-Designs ausschließlich am Computer

Trotzdem spielt Design-Software natürlich eine große Rolle in der täglichen Arbeit. "Wir kommen sehr schnell von Stift und Papier zum Computer. Bald wird man gar nicht mehr mit der Hand zeichnen", prophezeit der Mann im langen Rock. Das für einen Mann doch ziemlich extravagante Kleidungsstück ist sein Markenzeichen, seit er bei Baume & Mercier arbeitet. "Als ich das erste Mal einen Männerrock trug, fand ich es überraschend bequem. Und weil ich mich darin so wohl fühlte, dachte ich: Daraus mache ich mein typisches Outfit." Dabei ist durchaus berufliches Kalkül im Spiel. Denn für Designer sei es sehr wichtig, ihrem persönlichen Auftritt einen hohen Wiedererkennungswert zu verleihen. Zwar gibt es einige wenige Modemacher, die Männerröcke in ihren Kollektionen haben, aber Peraldi entwirft seine Röcke lieber selbst, sucht auch die Stoffe aus und lässt sie dann von einer Schneiderin in Genf fertigen. Man gewöhnt sich überraschend schnell an den Anblick, denn die Stoffe sind die gleichen wie für Herrenanzüge, und Peraldi kombiniert dazu klassische Hemden.
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Alexandre Peraldi, Designer von Baume & Mercier © PR
Wenn Peraldi also an neuen Uhrenmodellen arbeitet, sucht er in den vielen Schubladen des Ateliers nach Inspiration. Dort liegen, nach Jahrgängen geordnet, Hunderte von Uhren und Uhrenmodellen aus Kunstharz. Völlig ausgefallene Designs sucht man dabei aber vergeblich. Bei Baume & Mercier gehe es immer um die Produktion, erklärt Peraldi. An einem Metallarmband, das zwar wunderschön ist, aber zu teuer in der Herstellung, arbeitet Peraldi so lange, bis die Produktion zum Budget passt. Oder er verwirft es. "Wir sind keine Traumtänzer, wir denken bei jedem Design-Schritt daran, ob sich so etwas auch zu einem vernünftigen Preis realisieren lässt", stellt Peraldi klar. Und das geht nur in enger Abstimmung mit den anderen Abteilungen des Unternehmens. Bei jeder Uhr gibt es andere Herausforderungen: Bei der Promesse sollte die Lünette rund, die äußere Einfassung dagegen oval sein. Außerdem sollte die runde Lünette auch in Perlmutt montierbar sein. "Wir haben lange herumprobiert, bis wir die perfekte zweiteilige Lünette entworfen hatten, die sich genauso gut aus Metall wie aus Perlmutt fertigen lässt", erzählt Peraldi.
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Baume & Mercier stellt hohe Anforderungen an das Design seiner Uhren © PR
Damit eine Uhr Gnade vor Peraldi findet, muss sie das erfüllen, was er die drei Komforts nennt: erstens Komfort für das Auge, also erstklassiges Design, zweitens Komfort beim Tragen und drittens eben Komfort für das Portemonnaie, denn Baume & Mercier produziert vor allem Uhren im mittleren Preissegment. Dort ist die Konkurrenz besonders hart: Eingekeilt zwischen den Herstellern günstiger Modemarken, "die sind unglaublich schnell und sehr kreativ", und den noblen Traditionsuhrenmarken, die "auch mal ein Modell in den Sand setzen können, da es nicht so oft hergestellt wird", müssen die Uhren von Baume & Mercier die Balance zwischen Tradition und Moderne halten. Zwar gibt es auch in diesem Haus einige wenige emblematische Zeitmesser, die in Edelausführung sozusagen das Flaggschiff des Designs darstellen, doch eine neue Kollektion umfasst Tausende von Uhren, da wäre ein totaler Flop sehr schmerzlich.

Designer-Uhren für Damen erfordern besonderes Know-How

Und alles, worauf Peraldi sich verlassen kann, ist sein Gefühl und seine Erfahrung: "Sie fragen mich, was der Trend in fünf Jahren sein wird? Wir wissen es schlichtweg nicht. Niemand weiß es." Ein ganz neuer Dreh, so viel ist klar. Flachere, aber erschwingliche Automatikwerke, beispielsweise. "Heute sind Automatikwerke entweder sehr teuer oder sehr hoch, deswegen eignen sie sich kaum für elegante Damenuhren", findet Peraldi. Er sieht deshalb auch keinen Trend zu mechanischen Damenuhren. "Die Mehrzahl der Frauen entscheidet nach dem Design, nicht nach der Technik", ist er überzeugt. Sehr kleine mechanische Werke, wie sie früher in Damenuhren gang und gäbe waren, seien heute schwierig in Massenproduktion herzustellen, "dieses Know-how ist leider ein bisschen verloren gegangen." Text von Katrin Nikolaus
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