Die Essence ist eine Uhr von und für Individualisten. Ihre Einzigartigkeit erwächst aus einem eigenständigen Design, einer patentierten Gehäusefederung und einem schlauen Bandsystem.
Die schweizer Marke Formex leistet nach einem Besitzer und Strategiewechsel im Jahr 2016 momentan noch Aufbauarbeit und ist sicher nicht jedem Mechanikfan ein Begriff. Es lohnt sich jedoch, genauer hinzuschauen, denn die verschiedenen Modelllinien bieten in Design und Technik viele Besonderheiten. Nur selten findet man bei preisgünstig positionierten Uhrenherstellern eine solche Vielzahl an spannenden Details, die sich vom Zifferblatt über das Gehäuse bis hin zum Armband und der Schließe ziehen.Das Uhrengesicht der getesteten Essence Fourtythree Automatic Chronometer Dégradé beispielsweise ist nicht nur quer gerillt, sondern darüber hinaus auch mit einem Farbverlauf von hellerem zu dunklerem Grau versehen. Auf diese Weise lässt die vorliegende Gestaltungsvariante das Pendel etwas weiter in Richtung Eleganz ausschlagen als beispielsweise die blauen, weißen oder grünen Essence-Modelle.
Als Nächstes fallen vier sechseckige Inbusschrauben auf der Oberseite des Gehäusemittelteils auf, für die die teils strichsatinierte, teils polierte Lünette extra mit halbrunden Aussparungen versehen wurde. Das ergibt nicht nur ein komplexes optisches Bild, sondern bietet auch einen Zusatznutzen: In den Schraubenschäften sind Federn verborgen, mit denen sich der Gehäusekorpus innerhalb des umgebenden Rahmens nach oben und unten bewegen lässt.
Die Formex Gehäusefederung
Diese federnde Lagerung soll einerseits harte Schläge abfangen, die dem Uhrwerk schaden könnten, und andererseits den Tragekomfort erhöhen, indem sich das Innengehäuse den Bewegungen des Armes anpasst. Ob Letzteres bei dieser ohnehin gut anliegenden, nur 10,6 Millimeter hohen Uhr eine große Rolle spielt, sei dahingestellt. In jedem Fall handelt es sich um ein spannendes technisches Merkmal, das man in dieser Ausführung bei keiner anderen Marke findet. Erst recht nicht in dieser Konsequenz, denn jedes einzelne Formex-Modell ist seit der ursprünglichen Markengründung 1999 mit der patentierten Gehäusefederung ausgestattet. Die Federn stammen von der Swatch-Group-Tochter Nivarox, die auch die Spiralfedern für Eta-Uhrwerke herstellt. Die vier Schrauben, die die Federn halten und optisch abschirmen, besitzen Sechskantköpfe – ein Muster, das sich auch auf der Aufzugskrone und, zumindest angedeutet, im neuen Markenlogo wiederfindet.Komplexes Bandsystem
An dem 43 Millimeter großen Edelstahlgehäuse setzt ein gut verarbeitetes, solide verschraubtes Gliederband an, das sich mithilfe zweier Schieber an jedem Ende ganz einfach abnehmen und durch ein Kautschuk- oder Lederband ersetzen lässt. Man hat allerdings wenig Drang, das gut gemachte Stahlband auszutauschen, denn es liegt angenehm am Arm und endet in einer hochwertigen Doppelfaltschließe, die ebenfalls Finessen aufweist: Wenn das Handgelenk an heißen Tagen oder beim Sport anschwillt, lässt sich eine sehr stabile Verlängerung um fünf Millimeter aus der Schließe herausklappen. Das spezielle System schafft Erleichterung mit nur einem Handgriff und erhebt das Formex-Stahlband über Gliederbänder ohne Verlängerungsmöglichkeit. Der Träger muss allerdings die fünf Millimeter breite Lücke akzeptieren, die sich dabei zwischen dem funktionellen Mittelteil der Schließe und dem ersten Bandglied auftut.
Als weiteres Qualitätsmerkmal der Doppelfaltschließe wird einer der beiden Schenkel von zwei federnden Keramikkugeln geschlossen gehalten. Das ist eine technisch hochwertige Lösung, die Verschleiß minimiert. Allerdings gibt es eine Kehrseite: Beim Betätigen der beiden Öffnungsdrücker werden nur die Arme des ersten Schenkels zusammengedrückt, sodass dieser sich allein öffnet. Die Seite mit dem Kugellager muss man separat aufziehen, was zusätzlichen Aufwand bedeutet.Wie das Kugellager offenbart auch die Datumsanzeige Licht- und Schattenseiten: Mit ihren schräg abfallenden Rändern und der hellgrauen statt weißen Scheibe ist die Zusatzfunktion sehr schön und dezent in das elegante graue Zifferblatt integriert. Wer allerdings nicht (mehr) über 100 Prozent Sehkraft verfügt, hat vor allem im Dämmerlicht Schwierigkeiten, die kleine, wenig kontrastreiche Anzeige zu entziffern.
Das Uhrwerk der Formex Essence Fourtythree Automatic Chronometer Dégradé
Die Essence hat nicht nur sprichwörtlich das Herz am rechten Fleck, sondern besitzt auch ein besonders leistungsfähiges Zentralorgan. Es handelt sich um das allseits bekannte Großserienkaliber Sellita SW 200, das allerdings in einer besonders hochwertigen Ausführung zum Einsatz kommt: Das robuste Automatikwerk ist nicht nur ansprechend verziert und mit einem aufwendig bearbeiteten Formex-Rotor ausgestattet, sondern kann auch ein Chronometerzertifikat der offiziellen Schweizer Prüfstelle COSC vorweisen.Unser Zeitwaagentest auf der modernen Chronoscope X1 des Schweizer Messtechnikspezialisten Witschi bestätigt die Ergebnisse des Prüfinstituts – und noch mehr: Während die COSC für einen Chronometer einen durchschnittlichen Gang zwischen –4 und +6 Sekunden verlangt, läuft die Testuhr mit nur einer Sekunde im Plus. Und die offiziell geforderte maximale Lagenabweichung von höchstens zehn Sekunden reduziert sich bei der Essence auf drei Sekunden, was ebenfalls einen Spitzenwert darstellt. Dabei zieht die Chronos-Redaktion sogar die Lage „Krone rechts“ in Betracht und misst damit sechs statt der von der COSC geprüften fünf Lagen. Im mehrwöchigen Praxistest mit der Uhr am Handgelenk lief das Werk mit +2 oder +3 Sekunden pro Tag ein wenig schneller, was aber immer noch ein hervorragendes Ergebnis darstellt. Zu Recht erhält der Chronometer also die volle Punktzahl im strengen Chronos-Testschema.
Vor einiger Zeit gab es noch Essence-Modelle ohne Chronometerzertifikat, die am Stahlband sensationelle 890 Euro kosteten, und das junge Management von Formex schließt ungeprüfte Varianten auch für die Zukunft nicht aus. Allerdings ist der aktuelle Preis von 1.350 Euro angesichts der extrem guten Gangwerte und der hochwertigen Ausstattung so attraktiv, dass die meisten Kunden mit dem derzeitigen Angebot zufrieden sein dürften.Die günstigen Preise ergeben sich bei Formex einerseits aus dem konsequenten Direktvertrieb, der Händlermargen ausschaltet. Andererseits bestehen gute Beziehungen zu Lieferanten, die unter anderem Gehäuse und Armbänder zu hervorragenden Konditionen liefern und außerdem durch einen unkomplizierten Prototypenbau dabei helfen, neue Ideen – zum Beispiel für Schließen- oder Lünettensysteme – zu entwickeln.