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Bremont: Robuste Uhren für echte Piloten

Die Gründer der Uhrenmarke Bremont: Die Brüder Giles (links) und Nick English, hier vor ihrem Vintage-Doppeldecker De Havilland Gipsy Moth, fotografiert 2013 in der Nähe von Henley-on-Thames.
© PR
Ihr Vater weckte in ihnen die Begeisterung für historische Flugzeuge und mechanische Uhren. 2002 gründeten Giles und Nick English die britische Uhrenmarke Bremont. Ihr Ziel: Chronometer zu bauen, die echte Piloten tragen möchten. Dafür müssen ihre Fliegeruhren spektakuläre Prüfungen bestehen.
Giles English erinnert sich an den Tag im März 1995, als wäre es gestern gewesen. Er wartete auf einem Flugplatz in der Grafschaft Essex auf seinen Vater Euan und seinen Bruder Nick. Die beiden begeisterten Restauratoren und Piloten historischer Flugzeuge übten in einer Maschine aus dem Zweiten Weltkrieg für eine Flugshow. Über Funk erfuhr Giles von der Katastrophe: Sein Vater und sein Bruder waren abgestürzt. Sie hatten in der Luft einem anderen Flieger ausweichen müssen und waren in einen „Inverted Spin“ geraten, das heißt, sie trudelten mit ihrem Flugzeug kopfüber abwärts. Sie konnten die Maschine zwar noch halbwegs abfangen, waren aber nicht hoch genug, um sicher zu landen. Euan English, ein ehemaliger Pilot der Royal Air Force und promovierter Flugingenieur, starb sofort. Nick brach sich dreißig Knochen. Der Tag veränderte das Leben der beiden Brüder. Der Vater hatte den Söhnen zwei Leidenschaften mitgegeben: die Fliegerei und das Interesse an mechanischen Uhren, die er von Auktionen mitgebracht hatte, um sie dann liebevoll zu restaurieren „Wir wollten ab sofort nur noch das tun, was uns Freude bereitet“, sagt Giles. Dazu gehörte der Wunsch, eine eigene Uhrenmarke aufzubauen. Das nächste Kapitel in der Geschichte der Brüder Giles (heute 45) und Nick English (48) hätte sich kein Romanschriftsteller und keine Marketingabteilung märchenhafter ausdenken können: Wieder beginnt alles mit der Fliegerei. Ende der 1990er-Jahre unternahmen die Brüder in einem alten Doppeldecker eine Spritztour nach Frankreich. Als einer der Motoren stotterte und sie zur Notlandung zwang, landeten sie im Feld des Bauern Antoine Bremont. Der nahm die beiden auf. Bremont war, wie sich herausstellte, selbst Ex-Luftwaffenpilot und Uhrenfan. „Aus Dankbarkeit für seine Gastfreundschaft benannten wir später unsere Uhrenmarke nach diesem Herrn.“ Doch wie stampft man aus dem Nichts eine Uhrenfirma aus dem Boden, zumal in Großbritannien?

Die Schweiz spielte eine wichtige Rolle für Bremont

Zwar brachte die Insel einst großartige Uhrmacher hervor, die – weil präzise Zeitmesser beim Navigieren auf See entscheidend waren – ihren Anteil daran hatten, dass England eine See- und Weltmacht wurde. John Harrison etwa konstruierte im 18. Jahrhundert einen präzisen Schiffschronometer, der Entdeckern wie James Cook auf See die Bestimmung der Längengrade ermöglichte. Ein Brite, Thomas Mudge, erfand 1755 auch die Ankerhemmung. Doch diese Glanzleistungen liegen weit zurück. Heute denkt der Kenner bei britischen Uhrenmarken an hochbegabte Individualisten wie Roger W. Smith oder an Marken wie Arnold & Son und Graham, die längst in Schweizer Hand sind. Auch Giles English bekennt: „In England ist heute alles schwierig, was mit dem Uhrenbau zu tun hat.“ Also begaben sich die beiden Brüder im Jahr 2002 ins schweizerische Biel, um Kontakte zu Spezialisten und Zulieferern aufzubauen und zu lernen, was man braucht, um tolle Uhren zu konstruieren. „Ohne die Hilfe aus der Schweiz würde es Bremont nicht geben“, sagt der Mitinhaber.
Die Bremont ALT1 C Automatic war eine der ersten Bremont-Uhren und ist bis heute ein Bestseller (5585 Euro). © Copyright Bremont All Rights Reserved
Das Ziel der Brüder war es, „klassisch gestylte Uhren zu konstruieren, die man in der Vorstandssitzung ebenso tragen kann wie auf dem Gipfel des Mount Everest“. Und die Zeitmesser sollten so außergewöhnlich sein, dass sie für "echte Piloten" geeignet waren. Fünf Jahre Vorbereitung brauchte es, bis 2007 die erste Bremont-Kollektion auf den Markt kam. Darunter war der Automatikchronograph ALT1-C. Angetrieben wurde und wird er von dem Bremont-Werk BE-50AE, einer Veredelung des Eta/Valjoux 7750 mit für Bremont maßgefertigtem und dekoriertem Rotor. Unter dem Namen Trip-Tick ließ sich Bremont ein dreiteiliges Gehäuse patentieren, dessen mittlerer Ring gerändelt und farbig gestaltet sein kann. Die Gehäuse von Bremont-Uhren werden seither mit DLC (Diamond-Like-Carbon – diamantähnlicher Kohlenstoff) und anderen Verfahren so gehärtet und gegen Kratzer geschützt, dass sie auf der Vickers-Skala eine Härte von 2.000 HV erreichen. Zum Vergleich: Anerkannte Einsatzuhren erreichen einen Härtegrad von 1.600 HV. Die ALT1-C bestand außerdem die COSC-Chronometerprüfung und ist entsprechend zertifiziert. „Sie ist bis heute ein Bestseller“, sagt Bremonts Kommunikationschefin Natalie Keigher.

Die MB-Serie wird auf Schleudersitzen getestet

Noch robuster sollte die 2009 lancierte Martin-Baker-Serie ausfallen. Sie entstand in Kooperation mit dem gleichnamigen britischen Weltmarktführer in der Produktion von Schleudersitzen. Zu erkennen ist das Modell an dem roten Dreieck auf dem Zifferblatt – dem Logo von Martin Baker. Das hintere Ende des Sekundenzeigers ist dem gelb-schwarz gestreiften Griffring der Schleudersitze nach empfunden. Bremont testet die Uhr an Dummys, die mit der MB am Handgelenk aus den Sitzen katapultiert werden und entwickelte daraus eine besondere Stoßsicherung: Zwischen dem äußeren und einem inneren Gehäuse befindet sich ein mit Kautschuk verstärkter Ring, der Stöße auffängt. Das innere Gehäuse umschließt das Uhrwerk, das Handaufzugskaliber I BE-36AE mit Glucydur- Unruh, Nivaflex-Feder und skelettiertem und dekoriertem Rotor. Dieser Ring besteht aus Weicheisen und bildet eine Art „Faradayischen Käfig“ gegen Magnetfelder.
In Schleudersitzen von Martin Baker testet Bremont die Uhren der MB-Kollektion. © Copyright Bremont All Rights Reserved
Um das Uhrwerk zu stabilisieren, wird die Unruh aus Glucydur gefertigt, einer in der Uhrenindustrie gebräuchlichen Kupferlegierung, der drei Prozent Beryllium hinzugefügt werden. „Außerdem lassen wir ein paar wichtige Schräubchen aus besonders stabilem Material konstruieren“, sagt Giles English. Damit die Uhr auch in extremen Lichtverhältnissen gut ablesbar ist, wird das Saphirglas auf beiden Seiten mit neun Antireflexschichten versehen. In der Höhentest-Kammer von Martin Baker werden die Zeitmesser sechzig Minuten lang 30.000 Metern Höhe ausgesetzt und dann in kurzer Zeit auf irdisches Niveau zurückbefördert. Ein weiterer Test setzt die Uhr der Einwirkung von Salz, Nebel und Feuchtigkeit aus, „wie man sie bei einem sechsmonatigen Aufenthalt auf einem Flugzeugträger erleben würde“. An einem Dummy werden Vibrationen simuliert, „wie sie im Lauf von 30 Jahren in einem Flugzeug auftreten“. Außerdem wird die MB-Serie abwechselnd je einen Tag Temperaturen von minus 40 Grad und plus 40 Grad ausgesetzt. Nach all diesen Prüfungen kommt auch die MB als COSC-zertifizierter Chronometer auf den Markt.
Bremont MB III Automatic GMT. MB steht für Martin Baker. Ein mit Kautschuk verstärkter Ring rund um das Uhrwerk macht stoßfest. © PR
Martin Baker produziert nach eigenen Angaben rund siebzig Prozent aller Schleudersitze in westlichen Kampfflugzeugen. 7.500 Piloten sollen die Produkte des Hauses in lebensgefährlichen Situationen das Leben gerettet haben. Wer jemals in einem Martin-Baker-Schleudersitz aus dem Cockpit gesprengt wurde, gehört zum "Ejection Tie Club". Nur Mitglieder dieser Schicksalsgemeinschaft können die limitierte MB I-Edition erwerben. Das Modell MB II ist hingegen für jedermann auf dem freien Markt erhältlich.

Bremont fertigt Uhren für Streitkräft

Angesichts einer so engen Bindung zur militärischen Luftfahrt verwundert es nicht, dass Bremont unter Luftwaffenpiloten in aller Welt eine Fangemeinde hat. Nach eigenen Angaben macht das Unternehmen sogar 2o Prozent seines Geschäfts mit Streitkräften: Zu den Kunden, die Bremont nennen darf, gehören die United States Naval Test Pilot School (USNTPS) in Maryland, die schwedische und die australische Luftwaffe, Einheiten in Staaten des Nahen Ostens und alle drei Streitkräfte des Vereinten Königreichs. Erfolgreich sind offenbar auch indvidualisierte Sondereditionen für Angehörige ausgewählter Einheiten, für Besatzungsmitglieder bestimmter U-Boote und Kriegsschiffe und für Piloten, die stolz darauf sind, legendäre Flugzeugtypen wie F-14 Tomcat, F-4 Phantom und RAF Jaguar zu fliegen oder geflogen zu haben.

Mit kreativen Ideen erfinden die Engländer die Fliegeruhr neu

Seine Verbundenheit mit dem Militär zeigt Bremont als Sponsor der Invictus Games – einer Art Paralympics für kriegsversehrte Soldaten. „Wir wollten Soldaten, die ihr Leben riskiert haben, etwas zurückgeben“, sagt Giles English. Doch auch die zivile Luftfahrt liegt den Bremont-Gründern am Herzen. So kooperieren sie eng mit dem amerikanischen Flugzeugbauer Boeing. Daraus ging die Bremont Boeing Model 1 Ti-GMT hervor, deren Gehäuse aus einer besonders starken Titanlegierung besteht, wie sie in Boeing-Jets verbaut ist. Jüngstes Beispiel ist die in Kooperation mit British Airways entstandene Supersonic, eine Hommage an die Concorde zum 50. Geburtstag des legendären Überschallflugzeugs, das am 2. März 1969 von Toulouse aus seinen Jungfernflug absolvierte. Bis 2003 betrieben Air France und British Airways den Jet, der doppelte Schallgeschwindigkeit (rund 2.100 km/h) erreichte und in drei Stunden London mit New York verband. Wegen hoher Betriebskosten und in der Folge eines Absturzes im Sommer 2000 stellten beide Airlines den Betrieb der Concorde ein. Bremonts Supersonic wird vom BE-11M, dem ersten Handaufzugskaliber des Herstellers angetrieben. Es bietet acht Tage Gangreserve. Der COSC-zertifizierte Chronometer ist im 70er-Jahre-Look gehalten. Das glänzende weiße Zifferblatt soll an die spiegelnde weiße Lackierung der Concorde erinnern, während die Zeiger im Blau von British Airways gehalten sind. In einen Ring im Gehäuseboden der Uhr verarbeitete Bremont Aluminium aus der Concorde G-BOAB  „Alpha Bravo“, die auf dem Londoner Flughafen Heathrow abgestellt wurde. Auf dem Ring sind die Registriernummer des Flugzeugs, seine Einsatzjahre, die Zahl der Überschallflüge, die es absolvierte und seine höchste jemals erreichte Geschwindigkeit vermerkt. Die Bremont Supersonic ist limitiert auf 300 Exemplare in Edelstahl, 100 in Weißgold und 100 in Roségold.
Hommage an die Concorde: Im Oktober 2018 stellte die Marke zum 50. Geburtstag des Überschallflugzeugs die limitierte Supersonic-Edition vor. Sie wird von Bremonts erstem Handaufzugswerk angetrieben. Ein Ring im Gehäuseboden besteht aus Originalteilen der Concorde G-BOAB, bekannt als Alpha Bravo, von British Airways (9495 Pfund in der Edelstahlversion). © PR
Eines ist den Bremont-Brüdern mit Modellen wie der Supersonic gelungen: Das Gespann bringt frischen Wind in den Markt der Fliegeruhren, der von standardisierten Merkmalen lebt. Der Einbau historischer Originalbauteile macht die Uhren auch für Sammler interessant. Doch nicht nur Piloten und Liebhaber der Fliegerei begeistern sich für die britische Marke. Zu ihren Fans gehört auch ein Abenteurer wie der britische Polarforscher Ben Saunders. Schon 2014 durchquerte der Brite 2.900 Kilometer der Antarktis mit einer für ihn gebauten Bremont-Uhr, der Terra Nova. Im November 2017 reiste Saunders wieder in die Antarktis. Diesmal begleitete ihn die Bremont Endurance, eine GMT-Uhr, die extremer Kälte gewachsen ist. Der 40-Jährige war Mitentwickler der Uhr, die mit einem leichten Gehäuse aus Titan und einem extra dicken Gehäuseboden versehen ist.
Der Polarforscher Ben Saunders nahm auf seine jüngste Antarktis-Expedition die Bremont Endurance mit. © PR

Bremont im Film

Zu den Liebhabern der englischen Uhrenmarke gehört auch der Schauspieler Tom Hardy. Er trug in seinem jüngsten Film „Venom“ eine Bremont-Uhr am Handgelenk. In diesem Artikel erfahren Sie mehr über die Uhr, die Tom Hardy im Film trug. „Zahlen können wir solchen Markenbotschaftern nichts“, sagt English. „Sie sind einfach Freunde der Marke.“ Der erste Filmauftritt von Bremont beruhte auf einer Empfehlung. „Das Model Claudia Schiffer und ihr Mann, der Filmregisseur Matthew Vaughn, kamen in unsere Londoner Boutique. Vaughn sagte: ,Mein bester Freund ist beim Militär und trägt eine Ihrer Uhren. Ich drehe einen Film über englische Spione. Wären Sie interessiert, mit mir zusammenzuarbeiten?“ Wir lasen das Drehbuch von „Kingsman: The Secret Service“ und dachten: Das klingt toll.“
Für Expeditionen in die Antarktis geeignet: Bremont Supermarine Endurance Limited Edition Automatic GMT mit 43 mm Durchmesser. Der Polarforscher Ben Saunders trug sie am Südpol über der Jacke. © PR
Elf Jahre nach dem Erscheinen der ersten Bremont-Kollektion hat sich viel getan. 130 Mitarbeiter produzieren in der Schweiz und am Hauptsitz in Henley-on-Thames, einer Kleinstadt mit Backstein- und Fachwerkhäusern westlich von London, heute 10.000 Uhren im Jahr. Die Assemblage findet komplett in England statt. Giles und Nick glauben weiter an ihren Traum, die britische Uhrenindustrie wiederzubeleben, und unterstützen zu diesem Zweck die 2004 gegründete British School of Watchmaking in Manchester. Auch für eine britische Chronometerprüfung als neuen Standard wollen sie sich stark machen. Noch bezieht das Unternehmen seine Basiswerke aus der Schweiz, von Herstellern wie La Joux Perret, Sellita, Vaucher and Eta. Bremont modifiziert und veredelt sie. Einzelne Werkteile stellt die Firma aber schon jetzt in-house in Großbritannien her. Jetzt planen sie den nächsten großen Schritt. Der britische Werkedesigner Stephen McDonnell, der mit seinem Ewigen Kalender für MB&F für Aufsehen sorgte, entwickelte in den letzten Jahren Bremonts erstes Manufakturkaliber. Ein Prototyp befindet sich in der Testphase. Die Enthüllung dieser Neuheit stellt Giles English für 2020 in Aussicht, dann natürlich als Antrieb eines neuen Zeitmessers. Giles verspricht einen „großen Augenblick für die britische Uhrenwelt“. Große Momente im Cockpit sind für die wagemutigen Brüder indes rarer geworden. Nick steigt zwar nach wie vor gerne mit Vintage-Fliegern in die Lüfte. Giles hingegen ist vorsichtig geworden, nachdem er 2013 seine erste eigene Bruchlandung mit einer De Havilland Gipsy Moth hinlegte und sich dabei schwer verletzte. Bis jetzt haben die beiden zwar noch jeden Crash überlebt. In Zukunft wollen sie solche Grenzerfahrungen aber lieber ihren scheinbar unverwüstlichen Uhren überlassen. HC

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