Uhren aus Japan? Da denkt man automatisch an Quarzuhren und Funkuhren von Seiko, Casio und Citizen. Schließlich war es der Entwicklungsvorsprung der japanischen Uhrenhersteller beim Quarzantrieb, der die Europäer, insbesondere die Schweizer, bei der Massenproduktion von günstigen Uhren in den 1970er-Jahren gnadenlos abhängte und die europäische Uhrenindustrie mit ihren mechanischen Armbanduhren in ein tiefes Loch fallen ließ. Doch das ist Vergangenheit, und man wird Seiko und Citizen nicht gerecht, wenn man sie auf Quarzuhren reduziert. Denn beide Marken stellen neben Quarzuhren unter anderem auch Funkuhren, Uhren mit GPS und Analog-Uhren her.
Japan hat seinen Ruf als Technologie-Erneuerer zumindest im Bereich Armbanduhren bis heute erhalten. Und Citizen ist nicht nur einer der weltgrößten Uhrenhersteller, sondern bis heute ein großer Vorreiter, was neue Antriebskonzepte betrifft. Insbesondere mit ihrem Energiesystem namens Eco-Drive macht Citizen von sich reden. Licht, egal ob Sonnenschein oder künstliche Quelle, wird in Energie zum Antrieb der Armbanduhr umgewandelt und in einer wiederaufladbaren Mikrozelle gespeichert. Mit Hilfe der Technologie Eco-Drive kann auf Batterien vollkommen verzichtet werden.
Citizen: Eco-Drive und andere innovative Antriebe sichern die Vorreiterrolle
Seit 2014 ist Citizen international wieder in aller Munde. Citizen legte eine Werbe- und Imagekampagne auf, die für viel Aufsehen sorgte. "Wir haben festgestellt, dass Citizen je nach Land unterschiedlich wahrgenommen wurde, das wollten wir ändern", erklärt Hiroyuki Ota, der stellvertretende Geschäftsführer der deutschen Niederlassung in Hamburg. Das japanische Traditionsunternehmen wählte die international renommierte Agentur Wieden & Kennedy aus, um an einem weltweit einheitlichen Image für Citizen zu arbeiten. Für die Uhrenindustrie ist eine so aufwendige Kampagne neu: Meist beschränkt man sich auf Anzeigen und Testimonial-Auftritte, lässt also bekannte Schauspieler oder Sportler bei der Präsentation eines neuen Modells auftreten. Und gerade bei Schweizer Marken steht meist die Tradition der Uhrmacherei im Vordergrund. Citizen verfolgt andere Ziele: Die Marke wirbt um Sympathie. Was anderen wie Nike oder Coca Cola, ebenfalls Kunden von Wieden & Kennedy, gelingt, sollte auch für Citizen funktionieren, so das Kalkül. "Die Agentur führte viele Gespräche mit unseren Mitarbeitern und filterte aus ihren Aussagen die neue Markenbotschaft heraus", beschreibt Ota den Entstehungsprozess des neuen Claims "Better starts now".
Damit weise man auf die lange Firmengeschichte – Citizen wurde 1930 gegründet – hin, in deren Verlauf das Unternehmen regelmäßig technische Neuheiten auf den Markt gebracht habe, erklärt Ota. Gut sei eben nie gut genug, kann man die Quintessenz vielleicht auf Deutsch ausdrücken. Der Subtext ist klar: Was gestern war, macht uns stolz, reicht uns aber nicht. Wir versuchen es immer noch besser zu machen. Ein wichtiger Teil der Imagekampagne ist ein Werbefilm, der mit großem Aufwand produziert wurde. Er zeigt Uhrmacher der verschiedenen Epochen der Geschichte von Citizen an ihrem Arbeitsplatz. Allein das ist eine schöne Idee, so sehen Uhrenfans auch, wie sich die Uhrmacher-Werkzeuge im Laufe der Zeit verändert haben – in der letzten Szene sind nur noch Computer auf dem Uhrmachertisch zu sehen. Citizen gibt jedem technologische Meilenstein seine eigene kleine Filmsequenz.
So wirft ein Uhrmacher eine Armbanduhr in die Luft und lässt sie auf die Werkbank fallen – ein Sinnbild für das stoßsichere Gehäuse von der Herrenuhr Parashock 1956. In einer weiteren Sequenz taucht eine Armbanduhr in ein Aquarium ein – und verweist natürlich Parawater, auf Japans erste Taucheruhr von 1959. Der Clou des Films: Jede Sequenz sieht so aus, als sei sie mit der Kameratechnik der jeweiligen Epoche gefilmt worden – vermutlich mit digitaler Technik aufwendig nachgestellt. Es ist ein Film, der alle ansprechen soll.
Die Geschichte von Citizen im offiziellen Video (auf Englisch):
[HTML1]
Citizen heißt: Uhren für jedermann
Citizen trägt seine wichtigste Zielgruppe bereits im Namen: Uhren, die sich jeder japanische Bürger leisten kann, will Kamekichi Yamazaki herstellen, als er 1930 in Tokio das Unternehmen gründet. Er produziert schon seit 1918 Taschenuhren, die auch der Kaiser von Japan gerne trägt. Kaiser Yoshihito soll einmal einem Besucher, der ihm die Vorzüge teurer, ausländischer Uhren pries, seine Citizen-Taschenuhr gezeigt haben mit dem Hinweis, diese japanische Uhr für 12,50 Yen passe sehr gut zu ihm. Während in Deutschland die Industrie noch daran arbeitete, Quarzuhren zu einem erschwinglichen Preis herzustellen – die ersten Modelle lagen 1971 bei 1.600 Mark – machten sich in Japan die beiden großen Uhrenproduzenten Seiko und Citizen auf den Weg, den Weltmarkt mit günstigen Quarzuhren zu erobern. Zwar hatte Seiko mit der "Astron", die bereits 1969 auf den Markt kam, zunächst die Nase vorn, doch Citizen zog mit der Crystron 1973 nach und konnte bereits ein Jahr später mit der Liquid Crystal die erste Quarzuhr mit digitaler Flüssigkristall-Anzeige vorstellen.
Zu dieser Zeit richtete das Citizen auch eine Uhrenfabrik in Deutschland ein. Citizen ist also bereits seit über 40 Jahren auf dem hiesigen Markt vertreten, immer mit Sitz in Hamburg. Auf dem Höhepunkt der Ölkrise machte Citizen 1976 erneut von sich reden, als mit der Crystron Solar Cell die weltweit erste Analog-Uhr mit Solarzellen-Batterie präsentiert wurde. Heute stellt Citizen mit der Chronomaster die Quarzuhr für Endverbraucher her, die mit plus/minus fünf Sekunden im Jahr die geringste Gangabweichung hat. "Hier eine Sekunde herauszuholen, erforderte enorme Anstrengungen unserer Entwicklung und zeigt, wie ernst wir unser Motto 'Better starts now' nehmen", erklärt Ota. Die Uhr ist nur in Japan erhältlich.
Die Solar-Technologie entwickelt Citizen kontinuierlich weiter und rüstet einen Großteil seiner Uhren mit dem Antriebssystem Eco-Drive aus. Bei der Technik Eco-Drive dringt Sonnen- oder künstliches Licht durch das Zifferblatt und wird von der darunterliegenden Solarzelle aufgefangen und in Energie umgewandelt. Der ganze Herstellungsprozess sei frei von gesundheitsschädlichen Metallen und rechne man die eingesparten Einwegbatterien herkömmlicher Quarzuhren hinzu, trage die Marke beachtlich zum Umweltschutz bei, heißt es dazu von Citizen.
1985 kam mit der Promaster Aqualand die erste Taucheruhr mit elektronischem Tiefenmesser heraus, ebenfalls ein wichtiger Meilenstein in der Geschichte on Citizen. Der Bereich Taucheruhren spielt auch heute noch eine große Rolle bei Citizen. Die Kollektion Promaster richtet sich vorzugsweise an Herren und ist mit ihren Aqualand-Taucheruhren, samt der Verpackung mit hohem Wiedererkennungswert – in Form von gelben Pressluftflaschen –, praktisch jedem Taucher ein Begriff. Eine bis heute immer wieder gerne erzählte Anekdote über die Robustheit von Citizen-Taucheruhren ist die von der 1983 in Long Reef Beach, Australien, gefundenen Taucheruhr mit Automatikwerk aus dem Jahr 1977. Die Uhr musste sehr lange im Wasser gelegen haben, denn sie war mit einer dicken Kruste von Entenmuscheln überzogen, aber sie tickte!
Extrem robust: Taucheruhren von Citizen
Mit der Citizen Promaster 1000m, die auch allen Ansprüchen eines Profitauchers genügen dürfte, setzte Citizen 2002 einen neuen Meilenstein in diesem Segment, an dem die Mitbewerber schwer zu knabbern hatten. Das Gehäuse ist bis heute ganz aus Titan gearbeitet, was, neben einem extra dicken Saphirglas und etlichem mitgeliefertem Zubehör, auch den für Citizen recht hohen Preis von etwa 1.300 Euro erklärt.
Wie viele Uhren von Citizen jedes Jahr über den Ladentisch gehen, ist nicht genau bekannt, Insider schätzen die Produktion aber auf rund 200 Millionen. Citizen stellt so gut wie alle Teile selbst her und unterhält dazu Werke in Japan, China und Thailand. Außerdem beliefert die Citizen Group mit ihrem Werkehersteller Miyota zahlreiche andere Uhrenunternehmen. Zu den Geschäftsfeldern des Konzerns gehören außerdem elektronische Bauteile und Produkte sowie Industriemaschinen.
Wenn man sich den Jahresumsatz von knapp drei Milliarden Dollar vor Augen hält, wird deutlich, dass die Rolle von Citizen in Europa gerne unterschätzt wird. Das mag unter anderem an dem eher zurückhaltenden Auftreten des Unternehmens liegen. Protzige Messeauftritte oder spektakuläre Werbeaktionen sind nicht der Stil von Citizen. Daran ändert auch die Imagekampagne nichts, die eher einen Gute-Laune-Charakter hat und keinerlei Anspielungen auf Größe oder Marktstellung enthält. Angesichts der Stückzahlen – Citizen reklamiert den Titel des weltgrößten Uhrenherstellers bereits seit 1986 für sich – ist das starke Engagement des Unternehmens in umweltfreundliche Produktionsprozesse kein Tropfen auf den heißen Stein. Nachhaltigkeit voranzutreiben, ist eine der zentralen Aufgaben, der sich Citizen in Zukunft noch stärker stellen will. Anders als für die meisten anderen Uhrenhersteller ist die Idee der Perfektion für Citizen nicht die einzige treibende Kraft für die Herstellung von Uhren. Das wichtigste Wort für den japanischen Uhrengiganten heißt stattdessen Fortschritt. Denn Uhren besser zu machen, sei ein endloser Prozess, mit dem man am besten sofort beginne: "Better starts now".
Text: Katrin Nikolaus