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Die kleinen Komplikationen: Gangreserve

A.Lange und Söhne: Zeitwerk
© A. Lange & Söhne

Was ist die Gangreserve bei Uhren?

Wie beinahe jedes technische Gerät braucht auch eine mechanische Uhr Energie, um zu funktionieren. Diese erhält sie von der im Federhaus befindlichen Zugfeder, die über die Aufzugskrone – bei Automatikwerken auch über den Rotor – gespannt wird. Die Zeit, die eine Uhr vom Vollaufzug der Zugfeder bis zu deren völliger Entspannung läuft, ohne dass ihr erneut Energie zugeführt wird, bezeichnet man als Gangdauer oder Gangautonomie. Im allgemeinen Sprachgebrauch werden Gangreserve und Gangdauer synonym verwendet.
Die erste Uhr mit Gangreserveanzeige war die Powermatic von Jaeger-LeCoultre. © Jaeger-LeCoultre
Inhalt:

Ursprünge der Gangreserveanzeige

Es empfiehlt sich nicht, die Gangreserve einer Uhr vollständig ablaufen zu lassen, bevor neue Energie zugeführt wird. Denn grundsätzlich gilt: je gespannter die Feder, desto gleichmäßiger der Gang. Entsprechend nützlich ist eine Gangreserveanzeige, die dem Träger mitteilt, wann die Uhr wieder aufgezogen werden muss. Ursprünglich wurden Gangreserveanzeigen vor allem in Präzisionszeitmesser wie Marinechronometer oder Eisenbahner-Taschenuhren eingebaut. Nachdem die Marke Breguet bereits 1933 einen entsprechenden Armbanduhren-Prototyp vorgestellt hatte, machte Jaeger-LeCoultre die Gangreserveanzeige im Jahr 1948 einem breiten Publikum zugänglich: Die weltweit erste Serienarmbanduhr, die die Federspannung anzeigte, hieß Powermatic. Die Uhrenhersteller führten die Gangreserveanzeige ein, da die Kunden Ende der 1940er-Jahre dem Selbstaufzug, also einer Uhr mit Automatikwerk, misstrauten. Sie befürchteten, dass ihre Uhr trotzdem irgendwann stehen blieb. Der Ausweg bestand darin, den Spannungszustand der Zugfeder permanent auf dem Zifferblatt anzuzeigen. Die durch einen Zifferblattausschnitt sichtbare Gangreservescheibe bedruckte Jaeger-LeCoultre mit Stundenzahlen und informierte so besonders exakt über die verbleibende Kraft. Seitdem wird die Gangreserveanzeige oftmals auch in Uhren mit Automatikwerk eingebaut, obwohl sie dort im Grunde verzichtbar ist.

Meist indiziert ein zusätzlicher Zeiger die Gangreserve

Ansonsten übernimmt meist ein Zeiger die Indikation der Gangreserve, der über ein Getriebe mit dem Aufzugsmechanismus in Verbindung steht. Beim Aufziehen wandert der Zeiger an das eine Ende der Skala; wenn die Zugfeder an Kraft verliert, bewegt er sich – deutlich langsamer – auf das andere Ende zu. Bei historischen Präzisionsuhren waren die Skalenenden meist mit „Auf " und „Ab" beschriftet, weshalb viele Marken diese Bezeichnungen auch heute noch bei klassisch gestalteten Modellen benutzen.
A. Lange & Söhne Große Lange 1: Der Klassiker von A. Lange & Söhne zeigt über den Hinweis "Auf/Ab" ebenfalls klassisch die verbleibende Gangreserve an. © A. Lange & Söhne
Besonders interessant wird die Funktion der Gangreserveanzeige bei Handaufzugs- und Automatikuhren mit großer Laufdauer: So muss ein Zeitmesser mit Zehn-Tage-Werk dank der Anzeige nicht durch zu häufiges Aufziehen strapaziert werden.
Das Manufakturwerk 115 der Oris Big Crown ProPilot X Calibre 115 benötigt erst nach zehn Tagen wieder neue Energie. © Oris
Auch Uhrenfans, die Zusatzfunktionen mit rotierenden Zeigern langweilig finden, haben Wahlmöglichkeiten: So läuft bei manchen Manufakturuhren von Panerai die Anzeige der verbleibenden Gangreserve dank eines Zahnrechens linear auf einer waagerechten Skala entlang.
Panerai: Luminor Chrono Monopulsante 8 Giorni GMT Blu Notte (PAM01135) © Panerai

Ungewöhnliche Gangereserveanzeigen

HYT ist bekannt für seine Anzeige der Uhrzeit mithilfe einer Flüssigkeit. Beim 2020 vorgestellten Modell Soonow Drop Three (bereits ausverkauft) dient das rechte Auge des bunten Totenkopfschädels als Gangreserveanzeige, links dreht sich die Sekundenscheibe.
HYT: Soonow Drop Three © HYT
Hublot verwendet bei der Big Bang Meca-10 eine spezielle Form der Gangreserveanzeige. Sie wird mittels einer Zahnstangenübertragung realisiert, bei sechs Uhr kann der Träger auf einem Zahnrad die verbleibende Gangreserve in Tagen in einem roten Rahmen ablesen.
Hublot Big Bang Meca-10 Titanium © Hublot
Bei der Junghans Meister Gangreserve Edition 160 gibt eine indexförmige Öffnung bei sechs Uhr an, wie viel Gangdauer noch verbleibt. Bei Vollaufzug ist die Anzeige nahezu nicht zu sehen, mit fortschreitender Zeit wird sie immer auffälliger. Von weiß über grau geht es über in die Signalfarbe Rot, die auf eine vollständige Entspannung hinweist.
Junghans: Bei Vollaufzug noch diskret in der Farbe des Zifferblattes, wird die Anzeige umso plakativer, je weniger Energie die Uhr zur Verfügung hat. © Junghans

Die Gangreserveanzeige – eine Funktion für alle Preisklassen

Eine Gangreserveanzeige ist nicht allein Uhren mit Manufakturwerken vorbehalten. Die Funktion findet sich bereits bei Zeitmessern ab circa 400 Euro. Hier werden Standardwerke von Eta und Sellita eingesetzt. Die Seiko Presage Automatik (SSA343 Presage Cocktail Time) mit Gangreserveanzeige bietet für 529 Euro sogar ein Manufakturkaliber – das 4R57 -, bei dem eine dezentrale Anzeige Auskunft über die verbleibende Gangdauer von mehr als 40 Stunden gibt. Doch selten genießt die Gangreserveanzeige die ungeteilte Aufmerksamkeit ihres Trägers. Die schlichteste Variante ist die Kombination mit einer kleinen Sekunde.
Seiko: Presage SSA343J1 © Seiko

Hier sehen Sie eine Auswahl weiterer Uhren mit Gangreserveanzeige:

Wempe Chronometerwerke Gangreserve 43 mm, Edelstahl mit schwarzem Alligatorlederarmband, WG080002 © PR
A. Lange & Söhne: die aktuelle Zeitwerk mit verlängerter Gangreserve in Platin und Rotgold © A. Lange & Söhne
Carl F Bucherer: Manero Peripheral Big Date mit blauem Zifferblatt und Textilband. Die Gangreserveanzeige ist bei 3 Uhr untergebracht © WeArePepper, Switzerland
Union Glashütte: 1893 Handaufzug mit Gangreserveanzeige zwischen 4 und 6 Uhr © www.robertlohse.de
Grand Seiko: Evolution 9 Kollektion Spring Drive 5 Days Diver's 200m mit Gangreserveanzeige zwischen 8 und 9 Uhr © Grand Seiko
Greubel Forsey Tourbillon 24 Secondes Architecture Titanium mit Gangreserveanzeige bei 3 Uhr © Greubel Forsey
Die Modelle Leica L1 und Leica L2 zeigen die verbliebene Gangreserve in einem Fenster bei neun Uhr an © Leica
Bei der H. Moser & Cie. Streamliner Perpetual Calendar weist eine dezente Gangreserveanzeige bei zehn Uhr darauf hin, wann das Modell wieder aufgezogen werden muss © H. Moser & Cie.
Zeppelin: Atlantic mit Gangreserveanzeige zwischen 9 und 11 Uhr © Zeppelin
Limes: Pharo Großdatum mit Gangreserveanzeige zwischen sechs und sieben Uhr © Limes
Omega rückt bei der De Ville Trésor Power Reserve die Gangreserve bei zwölf Uhr und die gegenüberliegende kleine Sekunde in den Fokus. © Omega
Bei der Reservoir Hydrosphere befindet sich die Gangreserve am unteren Zifferblattrand. © Reservoir
Ein Handaufzugskaliber mit Tourbillon besitzt die Richard Mille RM 21-01 Tourbillon Aerodyne © Richard Mille
Als interessante Komplikation mit geschichtlichem Hintergrund – und nicht zuletzt als Gestaltungselement – schätzen viele Uhrenträger die Gangreserveanzeige. Wer einen Überblick zum Thema "Uhren mit Gangreserveanzeige" sucht, sollte sich hier unsere kostenlose Marktübersicht zu Thema herunterladen.Dieser Artikel wird fortlaufend aktualisiert

Weitere Themen unserer Reihe "Uhren-Komplikationen" finden Sie hier:

  • Uhren mit Datumsanzeige
  • Uhren mit Wochentagsanzeige
  • Uhren mit Mondphasenanzeige
  • Uhren mit zweiter Zeitzone
  • Uhren mit Drehlünette
  • Chronograph
  • Chronograph mit Flyback-Funktion
  • Chronograph Foudroyante
  • Chronograph Rattrapante
Patek Philippe Oris Panerai Hublot Jaeger-LeCoultre Richard Mille Seiko H. Moser & Cie. Union Glashütte Manufakturkaliber Gangreserve Wempe Chronometerwerke HYT A. Lange & Söhne Wempe Schweizer Uhren Automatikuhren Wissen Deutsche Uhrenhersteller Eta Uhrwerke Glashütte Uhren Uhr Handaufzug Omega Uhren Zeppelin Archiv
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