Herr Ziviani, Ihre Familie ist von Anfang an mit der Marke Gerald Charles verbunden. Wie kam es dazu?
Federico Ziviani: Gerald Charles ist die letzte Marke, die von Gerald Charles Genta gegründet wurde. Er hat diese Marke zusammen mit meiner Familie gegründet, mit meinem Vater, der hier neben mir sitzt. Ich lasse ihn erklären, wie es angefangen hat.
Franco Ziviani: Ich lernte Gerald 1982 kennen und arbeitete mit ihm zusammen, weil ich damals eine Werbeagentur hatte. Ich arbeitete mit ihm an der Einführung der Marke Gerald Genta in Indien, später auch in Italien. Kurz darauf begann ich meine Karriere bei Audemars Piguet. Aber ich pflegte nach wie vor eine gute Beziehung zu Gerald. Wir trafen uns immer wieder, zum Beispiel auf Messen. Als Gerald seine erste Firma, die nach ihm benannte Marke Gerald Genta, verkaufte, wollte er ursprünglich etwas kürzer treten. Aber für einen kreativen Menschen ist das unmöglich. So gründete er nach nur einem Jahr die Marke Gerald Charles, nach seinem zweiten Vornamen. Doch es fehlte ihm an Kompetenz im kommerziellen Bereich. Also rief er mich an, aber zu dieser Zeit war ich der Europa-Chef von Audemars Piguet. Ich sagte: Gerald, für mich ist das unmöglich, aber meine Familie könnte in die Firma einsteigen. Daraufhin stieg meine Familie in das Unternehmen ein, und mein Bruder Giampaolo wurde CEO. Nach zwei Jahren übernahmen wir alle Anteile des Unternehmens, sodass es sich ab 2005 in den Händen unserer Familie befand. Gerald arbeitete weiterhin als Kreativdirektor mit uns zusammen, bis er im August 2011 verstarb. Nach Geralds Tod hat mein Bruder weiterhin einige Stücke für besondere Kunden angefertigt. Bis zu dem Moment, als mein Sohn Federico ins Unternehmen kam. Wenn wir über Gerald Genta sprechen, den Maestro, den Picasso der Uhrmacherei: Alles, was er in seinen letzten zehn Jahren kreiert hat, ist unser Eigentum. Wir besitzen alle Designentwürfe Gerald Gentas aus seinen letzten zehn Jahren. Mein Sohn sah das Potenzial, das darin steckt, und wir einigten uns innerhalb der Familie, dass er die Marke führen soll. So begannen wir dieses neue Abenteuer. Es ist eine sehr interessante Geschichte, denn sie handelt von einer Freundschaft – ich war wirklich ein Freund von Gerald. Als Gerald beschloss, zum ersten Mal in seinem Leben jemanden als Partner zu wählen, fiel seine Wahl auf mich. Sein Vermächtnis ist für mich sehr wichtig.
Federico Ziviani: Ich habe in London Finanzen studiert, später Informatik. Ich habe dort gearbeitet, aber ich bin in der Uhrenindustrie geboren und aufgewachsen, seit ich drei Jahre alt war. Mit der Familie Meylan, die seit langem sehr gute Freunde von uns sind. Ich kannte auch Gerald. Eines Tages, als ich noch sehr jung war, gingen wir gemeinsam zum Abendessen. Da sagte ich, warum machen wir unter der Marke Gerald Charles nur wenige sehr hochwertige, sehr komplizierte Stücke für Sammler? Wir sollten uns einem größeren Publikum öffnen. Und das haben wir in den letzten 11 Jahren getan. Die rosa Periode von Picasso, sozusagen. Meine Familie schenkte mir das Vertrauen, und wir vergrößerten die Produktion. Schritt für Schritt wuchs die Marke von ein paar Mitarbeitern auf über 30, von null Verkaufsstellen auf mehr als 80, von 100 Uhren pro Jahr auf jetzt etwa 1.500, von einem Monoprodukt zu einer Kollektion von 30 Produkten bis hin zum Tourbillon, den edelsteinbesetzten Stücken, der Skelettuhr und unserer aktuellen Neuheit, der Maestro 4.0 Ducati 30° Anniversario 916.
Das Atelier in Genf, das in diesem Jahr eröffnet wurde, ist der nächste Schritt für Gerald Charles, der Beginn einer neuen Ära. Hier haben wir eine Uhrmacherwerkstatt, die weiter ausgebaut werden wird, hier werden wir polieren, veredeln, montieren und konstruieren. Es gibt ein Büro und einen Verkaufsraum, der aber nicht als Boutique konzipiert ist, sondern wie eine Lounge. Man kann dort etwas trinken, sich über die Marke und ihre Historie informieren und das Museum besuchen. Wir sind eine junge Marke, haben aber bereits ein Museum. Wie viele unabhängige Marken haben ein Museum? Nicht viele. Dort zeigen wir u.a. Vintage-Stücke, die Genta geschaffen hat, mit seiner auf der Rückseite eingravierten Signatur. Es sind große Komplikationen dabei, komplexe hauseigene Uhrwerke, skelettierte Werke, Tourbillons, Minutenrepetitionen.
Wollen Sie auch wieder neue große Komplikationen bringen?
Ja, aber Schritt für Schritt, mit eigenen Entwicklungen. Das Gehäuse der Maestro hat eine ganz besondere Form. Es ist von der Architektur des Barock inspiriert. Daher kommt auch das "lächelnde" Gehäuse, diese Asymmetrie. Neben der Maestro haben wir das Modell Masterlink, mit dem letzten integrierten Armband, das Genta entworfen hat. Diese beiden Kollektionen leben von unterschiedlichen Komplikationen. Wir haben aber noch Hunderte von Zeichnungen von Genta für Designs, Uhrwerke, Zifferblätter, Dutzende von verschiedenen Gehäuseformen. In Zukunft werden wir noch mehr von dem zeigen, was wir in den Archiven haben.
Wie kam Genta auf die Idee mit dem "lächelnden" Gehäuse?
Sie ist inspiriert von einem barocken Bauwerk in Rom. Es wurde geschaffen von Francesco Borromini, einem Architekten aus dem 17. Jahrhundert, der in Rom große Gebäude und Paläste errichtete. Das Gebäude hat eine geschwungene Fassade mit einem Lächeln. Und das Dach ist ein Achteck mit geschwungenen Kanten, wie das Gehäuse des Maestro. Das war die Inspiration. Auch hier handelt es sich also um ein reales Objekt, wie auch seine Inspiration für die Royal Oak ein reales Objekt war.
Wie würden Sie die Marke Gerald Genta für jemanden beschreiben, der sie nicht kennt?
Mit einem Wort: Vielseitigkeit. Es ist eine Uhr, die man über Generationen hinweg tragen kann. Mein Vater kann sie tragen, ich kann sie tragen, meine Freundin kann sie tragen. Unisex. Sie setzt sich über alle Codes hinweg. Wir können sie genauso gut am Strand tragen wie zu einem Anzug. 100 Meter wasserdicht – das ist ein Muss für jede Uhr, die wir herstellen. Das Tourbillon ist 100 Meter wasserdicht, mit einer verschraubten Krone. Und das ist technisch sehr schwierig, weil es sich um ein sehr dünnes, wasserdichtes Goldzifferblatt handelt. Vielseitigkeit ist also das Stichwort. Wir geben Komfort am Handgelenk. Sie haben eine stoßsichere, aber gleichzeitig eine elegante Uhr. Es gibt diese Spannung zwischen einem barocken, sehr eleganten, in gewisser Weise schweren Gehäuse und der Sportlichkeit des Materials – Stahl oder Titan –, und zusammen eine sehr vielseitige Uhr ergeben.
Wie bewerten Sie das Verhältnis zwischen elegantem und sportlichem Aussehen? Bei Gerald Charles gibt es beides. Hängt das vom Material, von der Größe, vielleicht auch von der Farbe ab?
Heute sagen viele Marken, dass sie sportlich-elegante Uhren machen. Es ist also nicht mehr spannend, das zu sagen. Wir machen eine Uhr, die eleganter sein muss als eine Damenuhr, aber sportlicher als eine Sportuhr. Die römische Tourbillon zum Beispiel ist mit dem Alligatorband sehr elegant. Man kann es aber auch mit einem Kautschukband tragen und damit schwimmen gehen. Natürlich sind die Titanmodelle sportlicher. Aber stellen Sie sich vor, ein schwarzes oder graues Alligatorlederband daran zu tragen, dann wird es gleich eleganter. Ich würde sagen, das Armband macht etwa 50 Prozent des Charakters der Uhr aus, genau wie das Gehäuse.
Was die Gehäuse angeht, haben Sie eine größere und eine kleinere Form.
Ja, genau. Die Masterlink ist mit 38 x 38 Millimetern kleiner als die Maestro mit 39 x 41,7 Millimetern. Die Masterlink fühlt sich aber größer an, weil sie quadratisch ist. Was die Schließe angeht, haben wir ein Patent für die Drücker angemeldet. Auf den ersten Blick gibt es gar keine Drücker. Wir haben die letzten vier Bandglieder zu Drückern gemacht: Wenn man sie zusammendrückt, öffnet sich das Armband. Außerdem ist die Krone verschraubt, aber weil das Gehäuse so dünn ist, mussten wir das Gewinde für die Schraube in das Gehäuse selbst integrieren. Auch darauf gibt es ein Patent.
Wo produzieren Sie und wie? Welche Uhrwerke verwenden Sie?
Unser Chefdesigner ist Octavio Garcia, den Sie vielleicht noch von seiner Zeit bei Audemars Piguet kennen. Ein Teil der Produktion befindet sich hier in Genf, ein anderer Teil im Tessin. Unsere Uhrwerke entwickeln wir in Zusammenarbeit mit Vaucher in Fleurier. Dazu kommen weitere Partner, mit denen wir unsere Komponenten hier in der französischen Schweiz herstellen, darunter die Gehäuse in Meyrin bei Genf.
Wie kam es zur Zusammenarbeit mit Ducati?
Es begann vor zwei Jahren. Die Verantwortlichen von Ducati suchten nach einem Partner, um eine Uhr zum 30. Geburtstag der legendären 916 zu kreieren. Im Gespräch mit uns sagten sie, andere Uhrenmarken hätten keine bessere Idee, als das Ducati-Logo auf dem Zifferblatt zu platzieren. Das war ihnen zu simpel. Sie luden mich nach Bologna ein, um mit ihrem CEO, Claudi Domenicali, zu sprechen. Er sagte: „Erzählen mir mehr über Gerald Charles.“ Als ich begann, von Gerald Charles Genta, dem Maestro, zu sprechen, hakte er ein und sagte: „Moment, den Maestro haben doch wir.“ Er meinte Massimo Tamburini, den Designer der 916, der auch „il maestro“ genannt wurde. So einigten wir uns darauf, eine Uhr zu Ehren der beiden Maestros zu machen. Dann begann die gemeinsame Entwicklung, während der wir uns regelmäßig mit dem Ducati-Team trafen. Schritt für Schritt haben wir dabei eine neue Komplikation entwickelt. Eine Uhr, die es in der Kollektion noch nicht gab. Das Dreispeichenrad der Ducati 916 haben wir als Vorlage für die Scheibe der Stundenanzeige verwendet. Dabei haben wir die Scheibe sehr, sehr dünn gemacht, damit sie nicht zu schwer wird. Gleichzeitig haben wir viel Kraft dahinter, um sie zu drehen.
Dem geringen Gewicht dient auch die Skelettierung dieses Rads?
Zum einen, ja. Zum anderen machen wir so einen Teil des Uhrwerks sichtbar, so wie man bei der Ducati 916 die Bremsen erkennen kann. Und wie Sie sehen, haben wir bewusst auf das Ducati-Logo auf dem Zifferblatt verzichtet. Nur auf der Rückseite ist der Ducati-Schriftzug eingraviert, auf sehr elegante Weise. Wir wollten damit auch zeigen, dass es sich nicht um eine reine Marketingkooperation handelt, sondern um eine gemeinsame Entwicklung von zwei Ingenieurs- und Designfirmen.
Ansonsten haben Sie sich an den Ducati-Farben Rot und Schwarz orientiert.
Das Gehäuse ist aus geschmiedetem Carbon, kombiniert mit einer schwarzen Keramiklünette, beides inspiriert vom Motorrad. Es ist schwierig, Keramik in dieser Form herzustellen. Den Gehäuseboden und die Krone mit ihrem Clous-de-Paris-Finish haben wir aus Titan gefertigt.
Aus welchem Material besteht die Stundenscheibe?
Aus Messing. Aber eben nicht glänzend, sondern matt, mit einem goldenen Satineffekt.
Welche Rolle spielen die von Ihnen erwähnten Sonderanfertigungen auf Kundenwunsch heute noch?
In der Vergangenheit war das der wichtigste Teil unserer Arbeit. Heutzutage, wo wir größere Vertriebsstrukturen mit einem Netz an Händlern haben, spielt es eine viel kleinere Rolle. Aber es macht immer noch Spaß, etwas Schönes für einen bestimmten Anlass zu entwickeln. Was wir allerdings nicht machen, ist eine andere Zifferblattfarbe auf einer Dreizeigeruhr. Es muss sich schon um ein besonderes Stück mit einer Komplikation auf einem bestimmten Niveau handeln.
Das Interview haben wir während der Geneva Watch Days am 31. August in Genf geführt. Anbei weitere technische Daten zur Maestro 4.0 Ducati 30° Anniversario 916:
Referenznummer GC4.0-CF-11
Gehäuse Titan Grade 5. Gesamthöhe 11,15 mm. Saphirglas mit mehrschichtiger Anti-Reflexionsbeschichtung innen und außen. Zifferblatt in drei Ebenen, rotes Fenster für die Stunde bei 12 Uhr, auf die Innenseite des Glases aufgedruckt. Batonförmige Zeiger, gefüllt mit weißem Superluminova. Boden aus Titan Grade 5 mit beidseitig entspiegeltem Saphirglas.
Uhrwerk GCA 3002JH, Automatik, Basis von Vaucher. 50 h Gangreserve. Brücken verziert mit Colimaçon, Côtes de Genève und Perlage-Finish. Goldener Zentalrotor, einseitig aufziehend, verziert mit dem Waben-Motiv von Gerald Charles und sandgestrahltem Finish mit polierten Konturen. Rhodium-beschichtete Modulräder.
Funktionen springende Stundenanzeige gegen den Uhrzeigersinn mit konzentrischer zentraler Minutenanzeige
Armband rotes vulkanisiertes Gummi, Clous-de-Paris-Finish auf der Oberseite, Gerald-Charles-Logo-Tapisserie auf der Rückseite. Polierte Schließe aus Titan Grade 5 mit eingraviertem GC-Logo.
Wasserdichtheit 100 m
Limitierung 250 Stück
Preis 37.200 Euro zuzüglich Mehrwertsteuer