Wenn man Victor Vescovo gegenübertritt, spürt man sofort eine Aura von Entschlossenheit und Abenteuerlust. Vescovo, ein Name, der in den letzten Jahren Synonym für Abenteuer und die Erforschung der extremsten Tiefen unseres Planeten geworden ist, hat sich durch seine beispiellosen Unterwasserexpeditionen einen Platz in den Geschichtsbüchern gesichert. Als erster Mensch, der die tiefsten Punkte aller fünf Ozeane erreicht hat, hat er die Grenzen des Möglichen neu definiert und dabei nicht nur wissenschaftliche Entdeckungen gemacht, sondern auch die Vorstellungskraft der Menschheit beflügelt. Aber Vescovo erforscht nicht nur die Tiefen, er erreichte den Grand Slam der Entdecker, indem er den Nord- und Südpol besuchte und die Seven Summits bestieg. Somit ist ihm der Titel als erster Mensch in der Geschichte sicher, der sowohl auf dem Gipfel aller Kontinente als auch auf dem Grund aller Ozeane war. Aber auch der Mount Everest war ihm nicht hoch genug, so dass er ebenso ins All flog. Egal, was sich Victor Vescovo vornimmt, es ist extrem, aber ebenso durchdacht. (Sie haben ebenfalls Lust auf Abenteuer? CEO Jean-Marc Pontroué über die Panerai-Erlebnisreisen)
Doch es sind nicht nur seine Erfolge, die einen in Ehrfurcht versetzen. Wenn man ihm in seine intensiven, durchdringenden Augen blickt, erkennt man sofort die Tiefe seines Geistes und die Klarheit seines Denkens. Vescovo ist nicht nur ein Abenteurer, sondern auch ein brillanter Kopf, ein eloquenter Sprecher, der mit jedem Wort die Zuhörer in seinen Bann zieht. Seit 2019 agiert er als Omega-Botschafter, wir sprachen mit Victor Vescovo über seine beeindruckenden Erfolge, seine Motivation und seine Visionen für die Zukunft.
Einer der größten Entdecker – Victor Vescovo im Interview
WatchTime: Sie sind kein gewöhnlicher Markenbotschafter. Stimmt es, dass Sie für eine Expedition eine Omega Seamaster in einer Boutique gekauft haben und Omega so erstmals auf Sie aufmerksam wurde? Wie kam die Zusammenarbeit mit Omega zustande?
Victor Vescovo: Ja, es ist eine amüsante Geschichte. Wenn man in einem Tiefseetauchboot taucht, ist es Vorschrift, dass man ein analoges Zeitmessgerät dabei hat, damit man im Falle eines Elektronikausfalls eine zuverlässige Methode hat, die Zeit zu bestimmen. In einer Notfallsituation gibt es bestimmte Abläufe, die man in genauen Abständen einzuhalten hat, um der Oberfläche zu signalisieren, dass man noch am Leben ist. Also brauchte ich einen Chronometer und wollte eine Taucheruhr hinzufügen. Durch meine Recherchen lernte ich, dass Omega einer der ersten kommerziellen Hersteller von Taucheruhren war und die Marke hat mich auf Anhieb überzeugt. Also ging ich in meine lokale Boutique in Dallas. Als ich mir eine Seamaster zum Kauf ansah, fragte der Verkäufer, ob ich tauchen würde und nach meinen Plänen. Daraufhin erzählte ich von meinem Vorhaben, zum Grund aller fünf Tiefseegräben zu tauchen. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob er mir wirklich glaubte. Aber ich habe die Uhr gekauft und in den darauffolgenden Monaten den ersten bemerkenswerten Tauchgang gemacht, der zum tiefsten Punkt des Atlantiks führte – das wurde veröffentlicht und Omega hörte davon. Sehr schnell erhielt ich dann eine Einladung in die Schweiz. Daraufhin traf ich CEO Raynald Aeschlimann sowie den Leiter der Produktentwicklung zu einem Mittagessen. Zuerst ging es um die Idee, eine Sonderedtion in Gedenken an die Expedition zu entwerfen. Aber Raynald hatte die Vision von der Entwicklung einer Uhr, die außerhalb des Tauchboots angebracht werden kann und dieser unglaublich rauen Umgebung als technologische Meisterleistung standhalten kann. Der Leiter der Produktentwicklung war sehr besorgt über den kurzen Zeitrahmen, aber mit den außergewöhnlichen Fähigkeiten der Swatch Group konnten sie die Ultra Deep Professional herstellen und ich konnte drei Modelle zum tiefsten Punkt des Ozeans mitnehmen. So entwickelte sich die ganze Geschichte. Es ging sehr schnell. (Lesen Sie auch: Kampfschwimmeruhren von Blancpain, IWC, Tudor, Panerai, Sinn und Luminox)
Wie lange dauerte es von der Besprechung bis zum tatsächlichen Erhalt der Uhren für die Expedition?
Ich traf das Führungsteam von Omega im Januar 2019, nachdem ich den Atlantikboden erreicht hatte. Ende April tauchte ich dann bereits im Marianengraben. Das Material für die Sicherheit und Leistungsfähigkeit der Uhren ist bei so Bedingungen extrem wichtig und es war tatsächlich schwierig, Titan mit diesen bestimmten Spezifikationen und Tests zu erhalten. Aber ich konnte einige der Reste des Titans vom Tauchboot auftreiben. Das tatsächlich zertifizierte Titan, das beim Bau der Uhren verwendet wurde, stammt also vom Tauchboot – das finde ich einen besonderen Aspekt bei der Geschichte.
Gab es jemals den Moment, bei dem Sie gedacht haben, dass dies wirklich eine schlechte Idee sein könnte?
Nein, wir hatten so viel Ingenieurskompetenz seitens Omega und in meinem eigenen technischen Team, welches eng mit Omega an Design und Fertigung zusammengearbeitet hat und das Material für die Uhren bereitstellte, dass wir es als eine weitere bedeutende Komponente des Tauchboots ansahen. Es wurden einige der gleichen Designprinzipien des Tauchboots übernommen. Daher kam uns nie in den Sinn, dass es eine unmögliche Mission ist. Das Projekt wurde sehr schnell umgesetzt und nachdem einige anfängliche Hürden überwunden und die Uhren auf 14.000 Meter getestet worden waren, was eine sehr große Sicherheitsmarge und höllische Bedingungen für eine Uhr darstellt, waren wir zuversichtlich, dass sie bei den tatsächlichen Tauchgängen gut funktionieren würden – was am Ende auch so eintrat. Tatsächlich war meine Uhr, die mir von Omega gegeben wurde, elfmal am tiefsten Punkt des Ozeans, mehr als jede andere Uhr in der Geschichte. Auch im Weltraum war sie dabei.Eine Geschichte, die man kaum glauben vermag, gerade wenn man darüber nachdenkt, wie hier Grenzen weiter ausgelotet werden. Wie bereiten Sie sich auf eine solche Expedition vor?
Ich wurde mein ganzes Leben lang für solche Expeditionen ausgebildet. Ich begann im Alter von 19 Jahren, Flugzeuge zu fliegen. Über mehrere Jahrzehnte hinweg habe ich extrem hohe und gefährliche Berge bestiegen. Dann ins Meer vorzudringen, in diese extremen Tiefen und Bedingungen, war nicht dasselbe. Aber es ähnelte in vielerlei Hinsicht den vielen Risiken, die ich historisch gesehen eingegangen bin. Wenn man diese Risiken richtig managt, kann man diese extremen Erkundungen so sicher wie möglich durchführen. Ich hatte nie Angst um mein eigenes Leben, angesichts der außergewöhnlichen Sorgfalt, die wir in die Technik, die Vorbereitung und die Planung investiert haben. Aber im Gegensatz zu einem Flugzeug gibt es im Tauchboot keinen Fallschirm. Wenn man einmal hinabtaucht, ist man auf sich allein gestellt, um sicherzustellen, dass man sicher wieder hochkommt, was uns immer gelungen ist. Ich denke, das liegt wiederum an der außergewöhnlichen Liebe zum Detail und der Technik, sodass ich glaube, dass die Gesetze der Physik fast hätten gebrochen werden müssen, damit ich nicht sicher zurückkehre. Eine Sache, die ich an Omega liebe – das ist der einzige Unternehmenssponsor, mit dem ich zusammenarbeite, hauptsächlich, weil ich ihre Produkte, ihre Einstellung und ihre Werte einfach genieße – ist, dass sie die Dinge auf die gleiche Weise anzugehen scheinen. Es war also eine großartige Partnerschaft, und ich freue mich darauf, weiterhin mit ihnen zusammenzuarbeiten.
Haben Sie ein spezielles Ritual, das Sie vor einer Expedition durchführen. Vielleicht ein bestimmtes Stück, das Sie immer bei sich haben? Ich habe gelesen, dass Sie sogar eine Expedition mal abgebrochen haben, weil Sie Ihre Omega-Uhr vergessen hatten. Stimmt das?
Ich habe die Expedition nicht abgebrochen, aber ich habe den Tauchgang an dem Tag unterbrochen, bis ich meine Uhr bei mir hatte. Wir haben die Zeit sozusagen angehalten, bis ich in meine Kabine zurückgehen und meine Uhr holen konnte. Aber das ist eine gute Frage. Ich werde oft gefragt, ob ich abergläubisch bin oder bestimmte Rituale habe, sei es beim Bergsteigen, Fliegen oder Tauchen. Und wenn Sie einen ehemaligen Marineoffizier und Seemann, der 20 Jahre gedient hat, fragen, ob er eine gewisse Vorsicht gegenüber dem Meer hat – natürlich habe ich die. Meine Vorbereitungen unterscheiden sich je nach Aktivität, aber für das Tieftauchen im Ozean gibt es zwei Dinge, die ich konsequent durchführe. Eines davon ist, dass ich mein eigenes Mittagessen vorbereite und mir immer ein Thunfischsandwich zubereite. Aus irgendeinem Grund ist das beruhigend und scheint der Umgebung passend. Außerdem trage ich bei jedem Tauchgang meine Omega Seamaster und ich habe einen kleinen Stoffpinguin, den meine Schwester für mich gemacht hat. Dieser erinnert mich an die Menschen an der Oberfläche, die möchten, dass ich zurückkehre. Es ist beruhigend, auch etwas Albernes dabei zu haben, besonders weil es von meiner Schwester gefertigt wurde und bei jedem meiner Tauchgänge dabei war. Es ist amüsant, weil sie ihn für mich gemacht hat, nachdem ich einmal von einem Tier angegriffen wurde. Ein Pinguin hat mich in Argentinien einmal bösartig angegriffen. Ich benötigte sogar eine Tetanusspritze und musste in der Notaufnahme die Wunden dieses sehr energischen Pinguins behandeln lassen.
Oh wow, dabei sehen diese immer so süß aus, aber sind anscheinend doch gefährlich.
Nicht, wenn sie denken, dass du ihr Kind bedrohst.
Das erklärt es. Ein Mama-Pinguin?
Ja, da gibt es keinen Raum für Diskussionen.
Große Teile des Ozeans sind noch unerforscht. Was liegen die Herausforderungen, diese Lücken zu schließen?
Laut der neuesten Schätzung sind 75 % des Meeresbodens komplett unkartiert. Wenn man bedenkt, dass 70 % der Erde von Ozeanen bedeckt sind, bedeutet das buchstäblich, dass mehr als die Hälfte des Planeten Erde noch völlig unerforscht ist. Die größten drei Gründe dafür sind erstens, dass der Ozean undurchsichtig ist. Man kann nicht so leicht in ihn hineinschauen wie auf die Oberfläche des Mars oder des Mondes. Zweitens sind die Bedingungen sehr schwierig. Es gibt sehr flache Bereiche, sehr tiefe Bereiche und Stürme. Und drittens sind die Kosten einfach enorm. Man braucht ein teures Schiff mit einem extrem leistungsfähigen Sonar, um mit Schallwellen den Tiefseeboden zu kartieren. Und das kann nur begrenzt pro Einsatz getan werden. In vier Jahren konnten wir fast 4 Millionen Quadratkilometer des Meeresbodens kartieren, was weniger als 1 % der unkartierten Fläche ausmacht. Und das, obwohl wir jeden Tag daran arbeiten, so viel wie möglich zu kartieren. Es ist also auch ein Volumenproblem.
Deshalb arbeite ich an Projekten, ob Satelliten für Küstengebiete genutzt werden können oder sogar möglicherweise ein neues, speziell entwickeltes Kartierungsschiff zu entwerfen, das hoffentlich die Wirtschaftlichkeit der Meeresboden-Kartierung erheblich verändern kann. Aber es wird eine bedeutende Anstrengung erfordern, dieses Ziel zu erreichen.
Was war einer der besten Momente, die Sie auf Ihren Expeditionen erlebt haben?
Es gab viele tolle Momente. Einer der außergewöhnlichsten war, als ich den Marianengraben in einem Tauchboot erreichte, das ich in Auftrag gegeben und als Testpilot gesteuert hatte. Der Moment, als wir den Boden erreichten, war unglaublich, weil mir klar wurde, dass es tatsächlich funktioniert. Noch außergewöhnlicher war der zweite Tauchgang nur drei Tage später, der ebenfalls bis zum Grund führte. Das hatte noch kein Tauchboot in der Geschichte geschafft, und das war genau die technologische Meisterleistung, die ich mit dem System anstreben wollte.
Das war ein wunderbarer Moment, aber ich muss auch sagen, dass es als ehemaliger Marineoffizier extrem aufregend und belohnend war, das tiefste je gefundene Schiffswrack zu entdecken. Das geschah 2022, als wir die USS Samuel B. Roberts fanden. Ich konnte das Wrack sehen, das 1944 sank, und ich war der erste Mensch, der es seit dem heroischen Gefecht, in dem es unterging, gesehen hat. Dies gab den Familienangehörigen derjenigen, die auf dem Schiff umgekommen sind, ein Gefühl des Abschlusses und war auch eine Gelegenheit, die Geschichte ihres außergewöhnlichen Heldentums zu erzählen. Das war ebenfalls ein besonderer Moment, besonders als ehemaliger Marineoffizier.
Gab es einen Moment, in dem Sie Ihre Missionen bezweifelt haben oder hatten Sie ein Erlebnis, das sie komplett überrascht hat??
IIch habe es nie bereut, diese Mission unternommen zu haben. Es gab viele Zeiten, in denen unklar war, ob der enorme Geldbetrag, den ich für das technologische Unterfangen ausgegeben habe, verschwendet wäre, falls es nicht funktionieren würde. Ich musste ein ehemaliges Marineschiff kaufen und umbauen. Ich musste ein unglaublich leistungsfähiges Sonarsystem kaufen, und es gab keine Garantie, dass es erfolgreich sein würde. Aber ich denke, ich bin denselben Weg gegangen, den viele Entdecker in der Geschichte gegangen sind, wie mein Held Roald Amundsen oder Robert Falcon Scott und Robert Peary – bei allen war das Resultat das Interessanteste an dieser Erfahrung.
Die Öffentlichkeit sieht den Erfolg aber nicht die unglaubliche Angst und Schwierigkeiten, die wir davor bewältigen mussten. Es war nicht klar, ob wir erfolgreich oder überhaupt zurückkehren würden. Es ist interessant, ein Teil davon zu sein.
Würden Sie sagen, dass Sie auf Ihren Expeditionen gelernt haben, auf Ihr Ziel hinzuarbeiten, auch wenn das Ergebnis nicht vorhersehbar ist? Ist das ein Ratschlag, den Sie Ihrem jüngeren Ich oder sogar der Menschheit geben würden, im Sinne von „Verfolge deine Ziele, auch wenn du nicht weißt, was passieren wird“?
Das ist ein großer Teil der Botschaft, die ich gelernt habe und mich bestärkt hat. Aber sie kam auch vom Bergsteigen, wo man Geduld haben muss. Man sollte Demut angesichts der außergewöhnlichen Macht der Erde zeigen. Auch wenn man an extreme Orte reist, sollte man sehr vorsichtig sein. Ich werde ein Zitat von meinem Helden Roald Amundsen nie vergessen. Nachdem er mit seinem Team als erster den Südpol erreicht hatte, kamen sie ohne ernsthafte Verletzungen zurück, weil er so gut geplant und trainiert hatte. Er merkte an, dass er es zu einfach aussehen ließ. Das ist tatsächlich das Ziel jeder Expedition: es einfach aussehen zu lassen, auch wenn es sehr schwer ist. Aber jeder sollte verstehen, dass die Zukunft nie sicher ist, und es gibt eine unglaubliche Voreingenommenheit in den Medien, Erfolgsgeschichten zu veröffentlichen und nicht die unzähligen Misserfolge oder die herzzerreißenden Schwierigkeiten, denen man sich bei der Erreichung eines sehr schwierigen Ziels stellen muss. Es ist die alte Geschichte vom „über Nacht erfolgreichen 10-Jährigen“. Es gibt keine "über Nacht Erfolgsgeschichten". Es gibt nur brutale, schwierige Bemühungen, um etwas Bedeutendes zu erreichen.