Als Produkt-Direktor von Roger Dubuis bringt Gregory Bruttin verschiedene Welten zusammen. In dem dynamischen Unternehmen ist Bruttin sowohl für das Produktmarketing, das Design als auch die Verarbeitung zuständig. Bereits seit 2002 ist er an Board und hat eng an der Seite von dem Gründer der Marke gearbeitet, bevor dieser im Jahr 2017 verstorben ist. Der herausragende Uhrmacher hatte 1995 die gleichnamige Genfer Uhrmanufaktur gegründet, die 2008 vom Schweizer Luxusgüterkonzern Richemont übernommen wurde. Insgesamt vier Neuerscheinungen der Marke stellen dieses Jahr eine komplexe Tourbillon-Mechanik in den Vordergrund. Wir sprachen mit Gregory Bruttin bei der Watches and Wonders in Genf über die Neuheiten, Herausforderungen sowie kreative Prozesse und wie die Marke Tradition sowie Innovation vereint.
Roger Dubuis: Product Strategy Director Gregory Bruttin im Interview
WatchTime: Dieses Jahr dreht sich alles rund um das Tourbillon. Ein Zufall?
Gregory Bruttin: Das Tourbillon ist wirklich das Hauptthema für Roger Dubuis. Es war uns sehr wichtig zu erklären, warum wir das Tourbillon bei Roger Dubuis entwickelt haben und was das Spezielle daran ist. Um das zu verdeutlichen, ist das Center Tourbillon der Orbis in Machina interessant. Hier kommen wir zu den Anfängen der Marke. Als Herr Dubuis seine eigene Firma gründete, lag seine Vision darin, sehr moderne Uhren zu kreieren. Aber mit hoch komplizierten Funktionen. Das spiegelt sich in der Schönheit dieses Produkts, weil es ein sehr modernes und originelles Design hat. Wenn Sie die Uhr drehen, können Sie die Veredelung und Qualität sehen, ein erstklassiges Uhrwerk, besonders hervorgehoben durch die Großzügigkeit der Bauweise.
Können Sie ein wenig mehr über die Inspiration und das Erbe der Marke sprechen?
Als wir mit dem Tourbillon begannen, war es die Idee von Herrn Dubuis wirklich etwas Neues zu schaffen. Deshalb haben wir den Käfig zwischen sieben und acht Uhr positioniert und einen sehr speziellen Tourbillon-Käfig entwickelt. Das war der Ausgangspunkt für die Entwicklung des Tourbillons bei Roger Dubuis. Die unsymmetrische Position des Käfigs hat auch das Design der Skelettierung beeinflusst. Uns ist es sehr wichtig, mit dieser Symmetrie zu spielen. Deshalb ist das Skeleton von Roger Dubuis auch so anders als bei anderen Marken. Weil wir versuchen, ein Gleichgewicht zwischen allen Elementen zu finden. Es ist wirklich eine Hommage an ihn selbst, den Käfig in die Mitte des Werks zu setzen und mit dem Tourbillon zu spielen. Das ist der Grund, warum unser Central Tourbillon originell ist und sich von anderen unterscheidet. Wir spielen mit 3D, mit der Flugbahn der Stunde.
Würden Sie sagen, es setzt einen neuen Standard für die Marke?
Es ist ein neuer Bereich für die Marke, insbesondere für die Tourbillon-Herstellung. Wir möchten zu diesem zurückkehren, um traditionelle Komplikationen wieder aufzugreifen. Aber wir interpretieren es mit einem modernen Touch. Das ist wirklich der Ausgangspunkt der neuen Ära. Was wir als den aufregendsten Aspekt bezeichnen, der Entwicklung einer neuen Komplikation. Oder wie man sie weiterbringt. Ich denke, für Roger Dubuis ist es differenzierter als bei den anderen Marken. Wir sind eine sehr junge Marke und wir mögen es, Risiken einzugehen. Wir haben keine lange Historie. Ich denke, manchmal ist die Uhrenindustrie ein wenig verschlossen. Wir kapitalisieren auf der Vergangenheit und projizieren uns nicht in die Zukunft. Bei Roger Dubuis geht es wirklich darum, Risiken einzugehen und sich etwas vorzustellen, das heute noch nicht möglich ist. Darin liegt die Schönheit, wenn man ein neues Projekt beginnt. Im Unmöglichen Neues zu kreieren. Wir werden etwas tun, weil niemand es tun möchte. Es ist unsere Pflicht, auszutesten und uns herauszufordern.
Eine Brücke zwischen Tradition und Innovation: Würden Sie sagen, dass dies eine Richtung ist, die Sie für die nächsten Jahre weiterentwickeln möchten?
Absolut. Auch, weil es den Anfang der Marke widerspiegelt. Es war die Vision von Herrn Dubuis. Und einige Kunden fragen mich: "Wie schafft ihr das? Wie schafft ihr es, so avantgardistisch zu sein, sehr ausdrucksstark, sehr modern, aber mit einem traditionellen Ergebnis? Tatsächlich hat uns Herr Dubuis die Lösung dafür gegeben. Es geht darum, mit dem Kern der Uhr zu spielen. Ich denke, dieses Modell ist das perfekte Beispiel dafür.
Sie haben eng Herrn Roger Dubuis zusammengearbeitet. Gibt es etwas, das Sie von ihm gelernt haben?
Ich habe alles von ihm gelernt. Sein Lieblingssatz lautete: "Sei innovativ, aber respektiere die Uhrmachertradition." Daher zögere nicht, Inspiration aus der Vergangenheit zu schöpfenund die Uhr in die Zukunft zu projizieren. Das ist meiner Meinung nach die beste Lektion, die ich von ihm erhalten habe. In dieser Uhr haben wir das umgesetzt. Wir haben viel unsere eigenen Modelle erforscht und eine Lösung für einen Mechanismus zur Zeit-Einstellung in einer sehr alten Taschenuhr gefunden. Es geht darum, die Vergangenheit zu studieren und diese für die Zukunft anzupassen.
Welche Herausforderungen gab es in Bezug auf die neuen Produkte oder vielleicht für die Marke in den letzten Jahren oder den letzten Monaten?
Ich denke, das Schwierigste, wenn man bei einer Marke wie Roger Dubuis arbeitet, ist es, fokussiert zu bleiben. Wir haben keine lange Geschichte und können in viele verschiedene Richtungen gehen. Es ist sehr wichtig sicherzustellen, dass wir ein neues Produkt entwickeln, das die Vision des Gründers und die Vision der Marke unterstützt. Dievollständige Titan-Verwendung ist für mich ein weiteres gutes Beispiel. Für Herrn Dubuis war es immer sehr wichtig, etwas Zeitgemäßes zu haben. Wir trafen die Entscheidung, ein sehr modernes Tourbillon zu entwickeln. Dafür änderten wir die Leistung des Uhrwerks. Wir haben die Leistung erhöht, die magnetische Widerstandsfähigkeit erhöht, wir haben das Design verbessert. Am Ende haben wir die perfekte Uhr, wir haben aber kein Stahl genommen, weil Stahl kein modernes Material ist. Wir sind zu Titan gewechselt, weil es komfortabler ist, kratzfester ist. Es ist das richtige Material für eine moderne Uhr. Eine moderne High-Watchmaking-Uhr.
In Ihrer Rolle überwachen Sie verschiedene Abteilungen, wie bringen Sie Ideen zusammen. Gibt es einen bestimmten Prozess?
In einem normalen Unternehmen haben Sie einen sehr linearen Prozess. Schritt 1, Schritt 2, Schritt 3, Schritt 4... Bei Roger Dubuis funktioniert das nicht so. Ich vergleiche das gerne mit einem Wald. Wenn der Winter kommt, liegt es nicht am größten Baum zu sagen: "Der Winter kommt, passt auf." Das läuft sehr organisch. Deshalb haben wir bei Roger Dubuis eine Idee, ein Konzept. Ein gutes Beispiel ist die Integration von Titan. Wir wollten eine sehr moderne Uhr machen. Und hier hat jeder Mitarbeiter die Möglichkeit, die Entwicklung des Produkts zu unterstützen. Das ist sehr herausfordernd, weil du deinen Auftrag während der ersten drei oder vier Monate änderst. Dann stoppen wir und beginnen mit der Produktion. Du erzeugst viel Lärm. Aber es ist effizienter, um eine perfekte Balance zu erreichen. Denn in einer großen Organisation gibt es eine Marktanalyse, dann gestaltet man das Produkt, entwickelt es weiter, produziert es. Am Ende, wenn das Produkt fertiggestellt ist, geht dabei viel verloren. Wir treffen Entscheidungen früher. Meine Rolle ist es das zu verwalten, auszugleichen und die Vision des Kunden zu vermitteln sowie die DNA des Produkts zu schützen. Diese Arbeit macht sehr viel Spaß.
Das scheint eine sehr dynamische Umgebung zu sein, vielleicht auch äußerst schnelllebig. Wie lange dauert so ein Prozess?
Für ein Uhrwerk ist es ein sehr langer Prozess. Es sind vielleicht vier Jahre. Aber für andere Produkte kann es sehr kurz sein, weil wir mit der Vision beginnen. Wir haben zwei Meetings pro Woche, um alles zum Produkt zu validieren und setzen Meilensteine zur Abstimmung sehr schnell. Ich denke, das ist auch der Grund, warum so viel möglich ist.
Was ist das wichtigste Kriterium für Sie, wenn Sie eine Uhr auswählen?
Die Vielfalt. Für mich ist es sehr wichtig, eine ausgesprochen kleine Produktion eines Modells zu haben. Wenn ich eine Uhr kaufe, kenne ich genau die Nummerierung.
Gibt es vielleicht ein prägendes Erlebnis, das Sie beim Kauf einer Uhr hatten oder mit einer Uhr verbinden?
Das unvergesslichste Erlebnis ist mit Roger Dubuis. Nach 10 Jahren der Firmenzugehörigkeit erhält man eine Uhr. Diese Uhr wurde von Herrn Dubuis selbst gemacht. Das war wirklich für mich ein emotionales Geschenk.
Erinnern Sie sich noch an Ihre erste Uhr?
Ja, das war eine Casio mit Taschenrechner.
Haben Sie diese noch?
Nein. Das war in den Neunzigern.
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