WatchTime: Herr Schmidt, seit 30 Jahren leiten Sie Sinn Spezialuhren als Inhaber und Geschäftsführer. Zuvor waren Sie unter anderem für IWC als Produktionsleiter und einer der Entwicklungsleiter tätig. Wann entstand in Ihnen der Wunsch, einmal eine eigene Uhrenfirma zu führen?
Lothar Schmidt: Ursprünglich wollte ich mich schon direkt nach meinem Maschinenbaustudium selbstständig machen, konkret im Anlagenbau. Ich kam dann, eher durch Zufall, in die Uhrenindustrie und schließlich 1981 zu IWC. 1983 nahm ich Kontakt zu Helmut Sinn auf, von dem es hieß, er wolle seine Firma aus Altersgründen verkaufen. Aber bei unserem ersten Treffen verkaufte er mir erst einmal eine Uhr. Doch wir fanden uns sympathisch, hielten über Jahre hinweg Kontakt und schließlich war es so weit. Ich begann bei Sinn am 1. September 1993 zunächst als freier Mitarbeiter, die vollständige Übernahme erfolgte dann genau ein Jahr später.
Was faszinierte Sie an Sinn so sehr, dass Sie zehn Jahre lang am Ball blieben?
Die Marke gefiel mir, weil sie viele technische Uhren im Angebot hatte. Zudem hatte ich das Gefühl, mit Sinn Dinge realisieren zu können, die bei IWC nicht möglich waren.
Was zum Beispiel?
Etwa unsere Hydro-Technik. Also die Idee, eine Taucheruhr innen komplett mit Öl zu füllen, damit sie unter Wasser aus jedem Winkel ablesbar und gleichzeitig unbegrenzt wasserdicht ist. Das setzt natürlich nicht nur in der Produktion, sondern auch beim Service einiges voraus. Bei IWC war man skeptisch, so etwas mit dem weltweiten Service verbinden zu können. Das konnte ich nachvollziehen, hatte die Idee aber in der Schublade und setzte sie dann bei Sinn um.
Hydro ist eine der typischen Sinn-Technologien, die man bei keinem anderen Uhrenhersteller findet.
Ja, und das, obwohl wir sie nicht patentieren lassen konnten. Es gab nach uns noch einige Hersteller, die versucht haben, so etwas ebenfalls umzusetzen, aber alle mussten früher oder später aufgeben.
Sinn und seine Materialien: Lesen Sie hier unseren Test der T50 Goldbronze.
Wie haben Sie das Thema Service in den Griff bekommen?
Alle Uhren müssen zum Service zu uns nach Frankfurt geschickt werden. So etwas kann man nicht dezentral umsetzen, insofern hatte IWC recht. Unsere Hydro-Modelle wie die UX benötigen aber in der Regel erst nach vielen Jahren einen Service – meistens dann, wenn die Batterie für das Quarzwerk getauscht werden muss. Aber sie hält auch besonders lange durch.
Ihre erste Uhr bei Sinn war das Modell 244. Das Titangehäuse galt damals als Besonderheit.
1994 gab es noch nicht viele Uhrenhersteller, die in der Lage waren, mit Titan zu arbeiten. Ich hatte aber bereits bei IWC Erfahrungen mit Titan als Gehäusematerial gesammelt, mit der Ocean 2000. Trotz meiner Erfahrung galt es, einige Herausforderungen zu überwinden – unter anderem besaßen wir damals noch keine eigene Gehäuseproduktion. Schließlich fand ich einen Lieferanten in der Westschweiz, und wir haben das zusammen umgesetzt. Damals arbeiteten wir mit Reintitan.
Haben Sie zu Ihrem ersten Modell auch heute noch eine besondere emotionale Beziehung?
Durchaus. Ich werde öfters von Kunden gefragt, ob wir die 244 noch einmal neu auflegen wollen. Noch haben wir uns nicht dazu entschlossen, aber ich will das nicht ausschließen.
Bei IWC war der hoch angesehene Günter Blümlein Geschäftsführer und Ihr direkter Vorgesetzter. Sein Name ist vor allem mit der Wiedereinführung von A. Lange & Söhne verbunden; Sie selbst waren ab 1990 verantwortlich für den Aufbau der Produktion bei Lange in Glashütte. Was haben Sie von Blümlein gelernt?
Viel. Vor allem habe ich seinen Weitblick bewundert. Ich hatte damals eine 21-karätige Goldlegierung ausfindig gemacht, die so hart war wie Edelstahl. Das war eine beeindruckende Innovation, und ich schlug ihm vor, diese für die ersten Lange-Uhren zu verwenden. Aber er lehnte ab. Nicht nur wegen der Umstände, die man mit dem 21-karätigen Gold gehabt hätte, sondern auch, weil er der Meinung war, das Publikum würde 18-karätiges Gold eher akzeptieren. Nachträglich muss ich ihm recht geben. Grundsätzlich hatte ich aber unter Günter Blümlein viele Freiheiten. Er ließ mich machen, und wenn wir auf ein technisches Problem stießen, haben wir den Prozess zusammen durchgestanden und am Ende eine gute Lösung gefunden.