Seit den Anfängen von Casio wird die Entwicklung von Uhren von dem Bestreben angetrieben, neue Werte in der Zeitmessung zu schaffen. 50 Jahre später feiert Casio ein halbes Jahrhundert bahnbrechender Entwicklungen. Yuichi Masuda, der 2023 als erster CEO außerhalb der Gründerfamilie ernannt wurde, begleitete die Entwicklung der G-Shock-Serie von Anfang an – nicht zuletzt als Leiter der Abteilung für Uhrenentwicklung. Es verwundert daher nicht, dass er in seiner neuen Rolle den Fokus von Casio auf die Premium-Modelle der G-Shock-Serie lenkt. Im Interview gewährt Yuichi Masuda Einblicke in seine Vision für die Zukunft der Marke und die Herausforderungen, die er als neuer CEO in einer sich stetig verändernden Branche zu bewältigen hat.
Casio CEO Yuichi Masuda im Interview
WatchTime: Wie sehen Sie die Rolle von Casio in der Uhrenbranche heute?
Yuichi Masuda: Ich sehe Casios Rolle darin, ständig Neues zu schaffen – neue Kategorien und neue Meilensteine in der Geschichte der Uhrenindustrie zu erschaffen. Mit der Einführung der G-Shock haben wir nicht nur Funktionalität geboten, sondern auch das Design als wesentlichen Bestandteil etabliert. Wir glauben, dass wir damit eine eigene Kategorie geschaffen haben. Darüber hinaus haben wir es verstanden, Nischen-Subkulturen aufzuspüren und diese gezielt zu erschließen, um sie einem breiteren Publikum näherzubringen. Wir waren stets gut darin, Innovationen zu kreieren und neue Wege einzuschlagen.
G-Shock ist eines der ikonischsten Produkte von Casio, aber auch die Casio Vintage Watches spielen eine große Rolle auf dem Markt der ikonischen Uhren, beide Linien wurden zu einem modischen und kulturellen Phänomen. Was ist Ihrer Meinung nach der Schlüssel zum Erfolg der beiden Linien?
Unser Schlüssel zum Erfolg liegt in unserer Einzigartigkeit und Originalität, die immer den Geist der jeweiligen Zeit getroffen haben. In den 1980er-Jahren schufen wir mit der G-Shock eine völlig neue Kategorie und Ausdrucksweise. Wir haben uns nie an den Mainstream angepasst, sondern unsere Unabhängigkeit und Authentizität bewahrt. Diese Einzigartigkeit ermöglichte es uns, eine neue Identität zu etablieren, die sowohl unsere Geschichte als auch die Aufmerksamkeit eines jungen Publikums einfängt. Auf diese Weise konnten wir auch im Fashion-Bereich unseren festen Platz behaupten.
Wie bleibt Casio in einem sich schnell entwickelnden Markt wettbewerbsfähig?
Casio bietet nicht nur Funktionalität, sondern auch eine sensorische Erfahrung. Damit meine ich die Werte, die unsere Produkte vermitteln – die Emotionen, die sie bei ihren Nutzern und Besitzern hervorrufen, und die Liebe, die sie für unsere Marke empfinden. Unser Ziel ist es, Funktionalität und emotionale Bindung harmonisch zu vereinen. Smartwatches konzentrieren sich vor allem auf Funktionalität. Die großen Marken wie Apple setzen auf technologische Spitzenleistungen. Wir hingegen verfolgen einen anderen Ansatz: Unsere Stärke liegt in der einzigartigen sensorischen Qualität, die unsere Uhren auszeichnet. Ein Beispiel ist die G-Shock, die zwar Herzfrequenzmessung bietet, aber nicht nur durch diese Funktionalität besticht, sondern durch ihr unverwechselbares Design und den emotionalen Mehrwert. Dieses Erlebnis macht Casio-Produkte so besonders.

Casio CEO Yuichi Masuda
CasioMit limitierten Editionen und hochwertigen Manufakturprodukten bietet G-Shock eine Strategie, die über den Preis hinausgeht. Was ist Ihre Vision für G-Shock und den Übergang in den Luxusmarkt?
Unsere Vision für G-Shock besteht darin, den Markenwert kontinuierlich zu steigern und weiterzuentwickeln. Neben der Funktionalität spielt die Geschichte der Marke eine entscheidende Rolle – die Geschichten der Menschen, die die G-Shock entworfen und entwickelt haben, und ihre Leidenschaft und Haltung. Diese Aspekte wollen wir weiterhin betonen und kommunizieren. G-Shock begann mit Resin-Materialien, später folgten Metall, Titan und Carbon. Diese Materialien sind nicht einfach nur neue Werkstoffe; sie erzählen eine Geschichte. Sie verkörpern unseren Ansatz, neue Stilrichtungen zu schaffen, anstatt nur technische Neuerungen zu präsentieren. Es geht darum, physische Eigenschaften und den Markenwert in Einklang zu bringen, um eine unverwechselbare Identität zu wahren. Diese Philosophie beeinflusst auch unsere Vertriebsstrategie.
Wenn man sich die Distribution anschaut: Wie planen Sie die Produkte über verschiedene Einzelhandelskanäle zu differenzieren, um sowohl Luxuskäufer als auch Mainstream-Kunden anzusprechen?
Casio wird in seiner Vertriebsstrategie selbstverständlich beide Kundengruppen berücksichtigen – sowohl die Luxus-Käufer als auch die Mainstream-Kunden. Allerdings liegt der Fokus momentan stärker auf dem Luxussegment. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die anderen Segmente vernachlässigt werden. Casio stellt sicher, dass beide Zielgruppen weiterhin bedient werden, um deren Bedürfnisse zu erfüllen.
Casio hat sich in der Vergangenheit nicht nur durch Uhren, sondern auch durch Produkte wie Taschenrechner, Kameras und Musikinstrumente hervorgetan. Sehen Sie Potenzial für eine weitere Diversifizierung in andere Produktkategorien, oder bleibt der Fokus auf Uhren?
Angesichts der Bedeutung der Uhren-Sparte, die rund 60 % des Unternehmens ausmacht, wird diese auch in Zukunft ein zentraler Pfeiler bleiben. Dennoch sieht Casio Potenzial in der Erweiterung seiner Produktkategorien. Das Unternehmen bietet digitale Geräte, die nicht nur durch Funktionalität, sondern auch durch einen einzigartigen sensorischen Wert bestechen. Dieser Ansatz ist entscheidend, um in einem Markt zu bestehen, der zunehmend von smarten Geräten geprägt ist. Casio plant, weiterhin Produkte zu entwickeln, die sowohl funktional als auch emotional ansprechend sind. Ein Beispiel dafür ist ein neu veröffentlichtes KI-gesteuertes Haustier, das Ende letzten Jahres auf den Markt kam – ein weiteres Beispiel für Casios innovative Herangehensweise.
Was sind Ihre Erwartungen für dieses Jahr, insbesondere für ein weiteres Wachstum im Luxussegment?
In Bezug auf die globalen Märkte hat Casio die Herausforderung der rückläufigen Verkäufe in China erkannt, ein Trend, den viele Uhrenmarken derzeit erleben. Casio richtet seinen Fokus nun stärker auf Märkte wie Indien und Südostasien, um dort weiteres Wachstum zu erzielen. China wird auf absehbare Zeit wohl nicht wieder das gleiche Verkaufsniveau erreichen, sodass unser Unternehmen seine Ressourcen verstärkt auf wachstumsstärkere Regionen konzentriert. In Europa hat sich Casio mit seinen ikonischen Modellen, insbesondere G-Shock, bereits gut etabliert. Die Vintage-Linie spricht ebenso eine breite Zielgruppe an, was Casio in eine ausgezeichnete Position versetzt, die Marke weiter zu stärken und auf das nächste Level zu heben. Auch in Bezug auf Preisstrategien erwägt Casio, dort, wo es notwendig ist, seine Preispunkte anzupassen, um keine Chancen auf dem Markt zu verpassen. Während die Verkaufszahlen im aktuellen Geschäftsjahr möglicherweise nicht signifikant steigen werden, ist das eine Zeit, um unsere Ausdauer zu stärken, so dass Casio in den kommenden Quartalen ein stetiges Wachstum erwarten darf.

Daniela Pusch, Head of Editorial WatchTime Germany, mit Yuichi Masuda, CEO Casio, beim Gespräch im Casio Headquarter in Tokyo
Casio/Shirin BlumCasio hatte schon immer eine starke Anziehungskraft auf jüngere Generationen. Wie will Casio in einer Zeit, in der sich digitale Technologie und Modetrends rasant verändern, weiterhin ein jüngeres Publikum ansprechen?
Casio hat stets ein feines Gespür für aufkommende Trends und Subkulturen. Das Unternehmen beobachtet die Entwicklungen im Markt genau und versucht, diese Trends in seine Designs zu integrieren. Durch einen iterativen Marketingzyklus bleibt Casio stets auf dem neuesten Stand und kann so Modelle schaffen, die die Wünsche jüngerer Generationen ansprechen. Insbesondere die Vintage-Linie hat diesen Ansatz erfolgreich umgesetzt und sich dadurch einen festen Platz im Markt erarbeitet.
Wie integriert Casio das Thema Nachhaltigkeit in sein Produktdesign und seinen Betrieb?
Casio hat bereits bedeutende Fortschritte in dieser Richtung gemacht. Ein herausragendes Beispiel ist die Solarzellentechnologie der Marke. Im Gegensatz zu herkömmlichen Smartwatches, die auf wiederaufladbare Batterien angewiesen sind, die nach einigen Jahren entsorgt werden müssen, nutzt Casio eine umweltfreundliche Technologie, die es den Uhren ermöglicht, über viele Jahre hinweg ohne Abfall zu funktionieren. Zudem hat Casio auch in der Verwendung von umweltfreundlichen Materialien Fortschritte gemacht, etwa mit Uhren, die aus recyceltem Meeresabfall gefertigt sind. Auch wenn die in der Uhrenproduktionverwendeten Materialien in ihrer Größe limitiert sind, glauben wir, dass auch kleine, aber bedeutende Maßnahmen zur Nachhaltigkeit einen großen Unterschied machen können.
Wie hat sich Ihr Führungsansatz über die Jahre entwickelt? Was waren die Herausforderungen, diese Rolle zu übernehmen, besonders in einer so anspruchsvollen Phase der Branche?
Ich denke, das Schlüsselwort ist Transformation und was das in Bezug auf Führung bedeutet. Es ist meine Aufgabe sicherzustellen, dass meine Mitarbeiter proaktiv sind, motiviert und bereit, sich einzubringen. Eine Kultur zu schaffen, in der diese Eigenschaften gedeihen. Das war immer eine Herausforderung, aber auch der interessante Teil. Ich denke, es ist wichtig, die Unternehmenskultur zu verändern, sodass jeder Neugier zeigt, interessiert und fasziniert ist, um eigene Antworten und Lösungen zu finden. In Zeiten des Wandels kann man nicht einfach sitzen bleiben und den Status quo akzeptieren. Man muss sich an den Wandel anpassen. Ich möchte, dass meine Mitarbeiter wirklich verstehen, was da draußen passiert, damit sie eigene Lösungen entwickeln können. Denn am Ende sind es die Menschen, die das Unternehmen ausmachen. Menschen definieren das Geschäft. Es ist also wichtig, dass sie proaktiv sind. Das war immer der Grundsatz, den ich in meiner Führung verfolgt habe.