Stellen Sie sich vor, wie Sie bei Nacht durch die majestätische Stille einer luxuriösen Uhrenmanufaktur wandeln, ein Ort, den nur wenige je betreten werden. Diese Vorstellung, für die meisten ein ferner Traum, wurde für mich kürzlich zur Wirklichkeit – und zwar in keiner geringeren als der ehrwürdigen Cartier-Manufaktur in der Schweiz. Der Schauplatz? La Chaux-de-Fonds, das historische Herz der Uhrmacherkunst.
Der Anlass war so exklusiv wie der Ort selbst: das zehnjährige Jubiläum der „Métiers d'Art“, Cartiers Hommage an die hohe Kunst des Handwerks und der Innovation. In einem eigens für diesen besonderen Abend ausgeräumten Büro, mit Panoramablick auf die Maschinen, die auch zu später Stunde in voller Fahrt laufen, durften eine Handvoll Journalisten bei einem privaten Abendessen beiwohnen.
Das Setting hätte cineastischer kaum sein können: Während die letzten Sonnenstrahlen hinter den Jurahügeln verschwanden, erhellten die Maschinenhallen das Innere der Manufaktur, in der das Handwerk der Haute Horlogerie seinen lebendigen Ausdruck fand. Fotos waren an diesem Abend nicht erlaubt, was die Atmosphäre nur noch mystischer erscheinen ließ. Jeder Moment schien wie ein kostbares Geheimnis, das nur für diese exklusive Runde erlebbar war. Während draußen die Schweizer Wiesen ruhten, klopfte drinnen das Herz der Manufaktur unermüdlich weiter.
Die eigentliche Magie jedoch lag nicht in der hochmodernen Manufaktur, sondern einige Schritte weiter – in einem schlichten, jahrhundertealten Bauernhaus. Diese ruhige Fassade, die das „Maison des Métiers d'Art“ verbirgt, ist das wahre Kreativzentrum Cartiers, wo das Erbe des Uhrmacherhandwerks neu belebt wird. Hier treffen Tradition und Technologie in perfektem Einklang aufeinander.
Das Erdgeschoss strahlt eine gemütliche, fast rustikale Atmosphäre aus – Holzwände, eine Stube mit Kamin, und die Luft ist erfüllt von einem Hauch Nostalgie. Ein Ort, an dem die Zeit stillzustehen scheint. Doch nur eine Treppe weiter oben öffnet sich eine Welt, die kontrastreicher kaum sein könnte: lichtdurchflutete Arbeitsplätze, ausgestattet mit modernster Technik. Diese kreative Dualität aus rustikalem Charme und futuristischer Präzision verleiht der Maison des Métiers d'Art ihren unverwechselbaren Charakter.
Das Atelier, 2014 gegründet, hat sich einem erhabenen Ziel verschrieben: seltene Handwerkskünste zu bewahren und auf höchstem Niveau weiterzuentwickeln. Nur wenige Manufakturen der Welt bieten ein solch breites Spektrum an traditionellen Techniken inhouse an. Altmeister der Handwerkskunst erwecken hier historische Techniken zu neuem Leben und arbeiten unermüdlich daran, eine perfekte Symbiose aus Tradition und Innovation zu schaffen. Handwerkskünste wie die hohe Kunst der Emaille und die filigrane Intarsienarbeit werden im Maison des Métiers d'Art mit modernster Technik und Liebe zum Detail neu interpretiert. Ein kreativer Dialog zwischen Handwerk und Technologie, der sich in jedem Detail widerspiegelt.
Hier widmen sich 45 hochqualifizierte Handwerker der Perfektion. Dabei wird Wissen nicht nur bewahrt, sondern auch an junge Talente weitergegeben, die Cartiers Erbe in die Zukunft tragen. Es ist dieses Zusammenspiel aus altem Wissen und neuer Energie, das Cartier an die Spitze der Haute Horlogerie bringt. Während andere Marken auf technische Rekorde setzen, fokussiert Cartier sich auf das, was jede Kreation ausmacht: Design. Diese Hingabe an die Ästhetik, die oftmals über die Mechanik hinausgeht, hat Cartier zu einer Ikone gemacht – und heute zum zweitgrößten Uhrenhersteller der Schweiz.
Wie anspruchsvoll dieses Handwerk tatsächlich ist, durften wir in einem Emaille-Workshop selbst erleben. Vier Schälchen mit einem weichen, körnigen Emaillepulver, das sich unter dem Wasser absetzte, warteten darauf, mit einem feinen Pinsel auf eine Platte mit ikonischem Panther-Kopf aufgetragen zu werden – eine präzise Arbeit, die weit mehr Konzentration und Geschick erforderte, als es zunächst schien. Das Auftragen des Emaillepulvers in winzige Kammern war eine fast unmögliche Aufgabe, das nach dem Brennvorgang von einem anstrengenden Polierprozess begleitet wurde.
Neben dem Emaillieren vereint Cartier weitere traditionsreiche Kunsttechniken mit moderner Innovation. Die sogenannte „Kunst des Feuers“ umfasst vielseitige Emaille-Arbeiten wie Grisaille und Plique-à-jour, die kontinuierlich weiterentwickelt werden. Ergänzt wird dies durch alte Metallbearbeitungstechniken wie Granulation und Filigranarbeit, bei denen Goldkugeln und filigrane Metallfäden in präzisen Mustern veredelt werden. Auch die Kunst der Intarsienarbeit wird auf hohem Niveau gepflegt, wobei bis zu 400 Teilchen für ein Zifferblattmosaik verwendet werden. In Cartiers Entwicklungsbüro arbeiten Kunsthandwerkerund IngenieurHand in Hand und verbinden meisterhafte Handwerkskunst mit Technologien wie 3D-Druck und Mikrofluidik, um außergewöhnliche Schmuckuhren zu schaffen.
Es war ein bescheidener, aber ergreifender Abschluss einer Reise, die mich tief in die Seele von Cartier eintauchen ließ – ein Ort, an dem Zeit keine Rolle spielt, sondern Form und Funktion in vollendeter Harmonie verschmelzen.