Aurel Bacs von Phillips in Association with Bacs & Russo, einer der renommiertesten Auktionatoren der Uhrenwelt, ist legendär für seine leidenschaftliche Hingabe zu Vintage-Uhren, die er bereits seit seiner Jugend pflegt. Diese Leidenschaft, gepaart mit seiner charismatischen Persönlichkeit und seinem umfassenden Wissen, hat ihn zu einer zentralen Figur gemacht, die maßgeblich zur Wertschätzung und Bedeutung von Vintage-Uhren beigetragen hat. Sein besonderes Augenmerk liegt dabei auf der emotionalen und geschichtlichen Dimension, die jede Uhr einzigartig macht. Wir tauchen ein in seine faszinierende Welt, in der alte Uhren mehr als nur mechanische Zeitmesser sind – sie sind Träger von Geschichten, Erinnerungen und Emotionen.
WatchTime: Wie haben Sie Ihre Leidenschaft für Vintage-Uhren entdeckt?
Aurel Bacs: Alles begann 1982 mit der Fußball-Weltmeisterschaft in Spanien. Ich war etwa elf Jahre alt. In der Schule sammelten wir diese kleinen Bilder von Fußballspielern, die es in Tüten zu kaufen gab. Das war ein teures Hobby – die unzähligen Sammelbilder sprengten schnell mein Taschengeld. Mein Vater, der von klein auf von allem Mechanischen fasziniert war, riet mir, etwas von bleibendem Wert zu sammeln. Damals steckte das Sammeln von seltenen Vintage-Uhren noch in den Kinderschuhen. Ich begleitete ihn zu Uhrmachern, auf Flohmärkte, zu Antiquitätenhändlern und Sammlertreffen. Es dauerte nicht lange, bis mich die Leidenschaft gepackt hatte.
Ich vergleiche es gerne mit der Liebe: Man trifft sich auf ein Glas Wein, dann auf ein zweites, und irgendwann merkt man, dass man verliebt ist. Bei mir war das so, als ich zwölf oder 13 Jahre alt war. Das ist jetzt 40 Jahre her. Seitdem ist mein erster Gedanke morgens, was heute in der Uhrenwelt passiert, und mein letzter, was morgen sein wird. Langeweile kenne ich nicht. Ich habe wunderbare Menschen kennen gelernt, bin viel gereist und habe jeden Tag etwas Neues gelernt. Obwohl ich viele andere Dinge hätte machen können oder sollen, habe ich nichts bereut. Anwalt, Politiker oder Schlagzeuger werde ich in einem anderen Leben.
Was fasziniert Sie an alten Uhren im Vergleich zu neuen Modellen?
In der Welt der Uhren gibt es in jeder Epoche und bei jedem Typ Vor- und Nachteile, und ich glaube fest daran, dass man sowohl an alten als auch an neuen Uhren Freude haben kann. Für mich liegt der besondere Reiz von Vintage-Uhren vor allem in ihrer Seltenheit. In den 1950er-Jahren produzierte selbst Rolex noch keine Millionen Uhren pro Jahr. Es ist der unverkennbare Charakter, der mich fasziniert. Ähnlich wie ein alter Kleinwagen mehr Charisma hat als ein modernes Luxusauto, steht eine Vintage-Uhr für mehr als nur ihre physische Präsenz. Betrachtet man die Armbanduhr als ein dreidimensionales Objekt – Höhe mal Breite mal Länge – bringt sie eine zusätzliche Dimension mit sich: Zeit, Geschichte, Emotion. Sie mag ein paar Kratzer und Flecken aufweisen, vielleicht trägt sie sogar eine Gravur, es steckt aber immer eine Geschichte hinter.
Früher kauften sich die Menschen eine Uhr zu einem besonderen Anlass – sei es als Hochzeitsgeschenk, zur Beförderung oder zu einem runden Geburtstag. Oft war es das teuerste Modell, das sie sich zu diesem Zeitpunkt leisten konnten. Wenn wir heute eine solche Uhr in den Händen halten, wissen wir meist nicht, wem sie gehörte oder warum sie ihrem Besitzer am Herzen lag. Manchmal begegnen einem Widmungen, die tief berühren. Ein Beispiel, bei dem mir die Tränen gekommen sind, ist eine weniger bekanntes Stück, datiert auf Weihnachten 1945: „So good to have you back after such a long time. Merry Christmas!“ Wenn man so etwas liest, läuft die Fantasie auf Hochtouren und man überlegt, welche Geschichte dahinter steckt: War es die Rückkehr aus dem Krieg, ein beruflicher Aufenthalt im Ausland oder vielleicht eine geheime Liebe? Plötzlich befindet man sich in dieser zeitlichen Dimension, die eine nigelnagelneue, „double-sealed“ Uhr nicht bieten kann. Darüber hinaus gibt es noch weitere Aspekte, die weniger emotional, dafür aber historisch interessant sind, wie etwa, ob es sich um die erste ihrer Art oder ein Einzelstück handelt. Vielleicht gehörte die Uhr sogar einer berühmten Persönlichkeit aus Politik, Wissenschaft oder Hollywood.
Gibt es eine bestimmte Uhr – bzw. bestimmte Uhren – in Ihrer Sammlung, die Ihnen besonders am Herzen liegt?
Ich würde mich selbst gar nicht als klassischen Sammler bezeichnen, denn um sich als ein solcher zu qualifizieren, muss man meiner Meinung nach sehr strukturiert und systematisch vorgehen. Eine frühe El Primero macht mir genau so viel Freude wie eine Breguet aus den Fünfzigern mit Observatoire-Peseux-Kaliber. Ganz selten habe ich gezielt nach einer bestimmten Uhr gesucht. Stattdessen begegnen mir Uhren oft in den unerwartetsten Momenten – vielleicht in einer Vitrine, am Handgelenk eines Freundes oder in einem Antiquitätengeschäft. Ich sehe sie, nehme sie in die Hand, und manchmal macht es einfach Klick. Dann entsteht im Kopf dieser spontane Wunsch: „So eine möchte ich auch haben.“ Doch nicht immer lässt sich dieser Wunsch erfüllen – sei es aufgrund von Seltenheit oder dem Preis. Manchmal muss man jahrelang warten, bis man sich einen Wunsch erfüllen kann.
Deshalb sehe ich mich nicht als Sammler im klassischen, intellektuell definierten Sinne à la Wikipedia. Ich besitze sowohl pekuniär nicht besonders wertvolle Uhren als auch sehr schöne Stücke von bedeutenden Namen. Es ist keine strukturierte Sammlung, sondern vielmehr ein Kunterbunt an Begegnungen mit Uhren. Die, die mir besonders am Herzen liegen, haben wichtige Momente in meinem Leben markiert, viele waren Geschenke. Meine erste hochwertige mechanische Uhr bekam ich 1984 zur Firmung. Meine erste selbstgekaufte Uhr war eine Patek Philippe, die ich mir mit 16 vom selbst gesparten Geld leistete. Damals kostete sie etwa 2.000 Mark. Meine Eltern schossen mir einen Teil der Summe vor und hielten mich für komplett verrückt. Es war ein Kauf auf Raten, der den Grundstein für alles Weitere legte. Ich habe zum Beispiel eine Uhr von meiner Schwiegermutter, die mir viel bedeutet, und eine von meiner Frau, die sie mir schenkte, als wir beide Ende 2013 gleichzeitig und ohne Pläne unsere Jobs aufgaben.
Wie beeinflusst Ihre Leidenschaft für alte Uhren Ihre Arbeit?
Sie beeinflusst meine Arbeit auf sehr tiefgehende Weise. Je älter die Uhr, desto mehr Emotionen sind damit verbunden – da gibt es keine Formeln wie bei einer wissenschaftlichen Tätigkeit, sondern es ist eher wie bei einem Gemälde. Jedes Stück birgt sein eigene Geschichte, eigenen Geheimnisse und eine gewisse Aura, das lässt sich nicht einfach in Zahlen erfassen. Doch trotz dieser Emotionalität müssen wir die Uhren bewerten, obwohl sie eigentlich gar nicht wirklich bewertbar sind. Wie kann man einen Preis an etwas hängen, das eigentlich „priceless“ ist, weil es so viel Emotion und Geschichte in sich trägt?
Es hilft jedoch, dass ich die gleiche „Krankheit“ habe wie meine Kunden – die Leidenschaft. Wenn ich eine Uhr beurteile, bin ich mit demselben Herzklopfen und derselben Begeisterung dabei, die auch meine Kunden spüren, wenn sie die Uhr später im Katalog entdecken.
Welche Geschichte hinter den Uhren, die Sie versteigern, hat Sie besonders beeindruckt?
Die Versteigerung der Rolex Daytona „Paul Newman“ war ein ganz besonderes Erlebnis für mich, mit dem krönenden Abschluss von 17,8 Millionen Dollar. Ehrlich gesagt, hatte ich mit vielleicht einem Viertel des finalen Preises gerechnet, aber niemals mit einem Weltrekord. Es war eine sehr emotionale Erfahrung und eine Geschichte, die ich nie vergessen werde. Das Schöne daran war, dass ich die Uhr eineinhalb Jahre bei mir hatte. Zwischen dem Moment, als sie mir im Juli 2016 anvertraut wurde, und der Versteigerung im Oktober 2017 in New York, hatte ich die Möglichkeit, fast die ganze Familie und viele Freunde und Weggefährten von Paul Newman kennenzulernen. Ich habe so viel über ihn erfahren und konnte diesen Paul Newman, den ich bis dahin nur aus Filmen kannte und der für mich immer „the best looking man“ der Welt gewesen war, aus einer neuen Perspektive entdecken.
Das hat mich tief beeindruckt, denn er entpuppte sich als ein wirklich großartiger Kerl. Trotz seines Weltruhms blieb Newman stet bodenständig. Er war über ein halbes Jahrhundert mit seiner Frau Joanne Woodward verheiratet – ohne Skandale, Affären, oder Drogenexzesse. Er lebte absichtlich fernab vom trubeligen Los Angeles an der Ostküste, um dort seine Kinder großzuziehen. Abseits der Leinwand war er wirklich der „nice guy von nebenan“ – er fuhr mit seinem Volvo einkaufen, war vielen ein guter und verlässlicher Freund und hat durch seine Stiftung über eine Milliarde Dollar gesammelt und gespendet.
Welche Ratschläge würden Sie jemandem geben, der gerade erst anfängt, sich für Vintage-Uhren zu interessieren und eine Sammlung aufbauen möchte?
Sie merken, ich ziehe gerne Vergleiche: Der Kauf einer Vintage-Uhr ist ähnlich einer Verlobung – wählen Sie, was Ihnen persönlich gefällt, und nicht, was Ihre Freunde sagen, oder was auf Instagram beliebt ist. In den letzten Jahren hat sich der Markt in eine Richtung entwickelt, in der erfolgreiche Menschen oft die gleichen Uhren kaufen wie Rap-Stars oder Fußballspieler, weil sie glauben, das sei der richtige Weg. Finden Sie heraus, was Ihnen gefällt: Mögen Sie rechteckige oder runde Uhren? Bevorzugen Sie bestimmte Komplikationen oder eine bestimmte Ära? Welches Budget haben Sie zur Verfügung? Wenn Sie wenig Erfahrung haben, ist es wichtig, sich Wissen anzueignen. Lesen Sie Bücher, Artikel, und Forenbeiträge oder fragen Sie jemanden, der sich auskennt – ähnlich wie man einen Sommelier um Rat fragt, wenn man einen besonderen Wein sucht. Das Sammeln von Uhren ist eine Vertrauensfrage. Überlegen Sie sich, wohin Ihre Sammlung führen soll, und planen Sie entsprechend.
Auch wichtig: Nehmen Sie Kontakte mit der Sammler-Community auf, das ist unglaublich wertvoll. Viele sagen: „Ich kam wegen der Uhren, ich blieb wegen der Community.“ Knüpfen Sie Freundschaften mit Gleichgesinnten, besuchen Sie Auktionen, und treffen Sie dort andere Enthusiasten, Uhrmacher, oder sogar Berühmtheiten. Hilfreich ist auch der Kontakt zu den Manufakturen und den Heritage-Abteilungen. Essenziell ist es außerdem, die Uhren live zu erleben und anzufassen, damit man nicht zum „Schreibtisch-Experten“ wird. Es gibt oft erhebliche Unterschiede zwischen dem, was man liest, und dem, was man in der Hand hält. Fehler zu machen ist dabei erlaubt – es gehört zum Lernprozess dazu. Schlussendlich sollte man immer voraus denken und überlegen, wohin die Sammlung führen soll. Welche Modelle und Marken sind interessant? Wo liegen Ihre Grenzen, sowohl finanziell als auch thematisch? Offen sein für Neues, aber auch kritisch bei der Auswahl.
Gibt es bestimmte Uhren oder Marken, die Sie noch unbedingt in einer Auktion sehen möchten?
Ich habe keine Shopping- oder Wunschliste. Wenn es um bestimmte Modelle oder Marken geht, dann muss ich sagen: Wahrscheinlich sind die besten Stücke, die, die ich noch gar nicht kenne, und von deren Existenz ich nichts weiß. Die zehn spannendsten Uhren, die ich in meinem Leben verkauft habe, waren allesamt Modelle, die niemand vorher kannte. Mein Leben als Auktionator fühlt sich oft wie das von Indiana Jones an – man rutscht ohne Vorahnung in ein Abenteuer, und das ist das Faszinierende daran. Es gibt Tage, an denen man überhaupt nichts findet, und andere, bei denen man Entdeckungen macht, die man heute im Museum sehen kann. Die Paul Newman war so ein Traum, aber ich habe sie nie gesucht. Eines Abends klingelte das Telefon und jemand sagte, er habe die „Paul Newman“. Die Uhr hat also mich gefunden, nicht ich sie.