Claude Emmenegger, seit Mai 2015 Designchef bei Audemars Piguet, hat die Uhrenindustrie von ihren unterschiedlichsten Seiten kennengelernt. Der Schweizer bekleidete im Laufe der Zeit verschiedene Positionen in den Designabteilungen namhafter Marken und führte zwischenzeitlich sein eigenes Unternehmen, das über 40 Marken mit Beratung und Konzepten zur Seite stand.
Seine aktuellen Themen sind Konzentration, Vereinfachung und die Inspiration durch die Natur. Worauf sich seine Arbeit bei Audemars Piguet konzentriert, verrät er in diesem Gespräch.
Wie wird man überhaupt Designchef bei Audemars Piguet?
"Ich bin jetzt 30 Jahre lang Uhrendesigner. Ich habe für Longines gearbeitet und war der erste Inhouse-Designer für Concorde und Movado. Danach ging ich zu Gucci und habe in drei Jahren 23 Uhrenkollektionen entwickelt. Dann kam ein Sprung in die damalige Designabteilung von LVMH, wo mich schließlich der Anruf eines ehemaligen Kollegen erreichte, der mich fragte, ob ich nicht zu Audemars Piguet kommen wolle. Ich habe sofort zugesagt und war vier Jahre lang der Designverantwortliche bei Audemars Piguet. Danach habe ich mich für zwölf Jahre selbständig gemacht und bin vor einem Jahr zu Audemars Piguet zurückgekommen."
Welche Herausforderungen begegnen Ihnen beim Designen für Audemars Piguet?
"Ich bin eher respektvoll als avantgardistisch, aber gleichzeitig habe ich natürlich beim Gestalten immer Lust, etwas Neues zu machen. Bei einer Marke wie Audemars Piguet hat man viel Achtung vor dem, was bereits geschaffen wurde; gerade, was die Royal Oak betrifft. Wenn es um sie geht, lasse ich viel Zurückhaltung und Respekt walten. Wenn es sich um solche Uhren wie die Concept oder um neue Offshore-Modelle handelt, können wir viel weiter gehen. Bei Audemars Piguet habe ich das Glück, auf einem sehr großen Spielfeld arbeiten zu dürfen."
Die Royal Oak ist das Traditionsmodell von Audemars Piguet – kann sie sich noch weiterentwickeln?
"Im Jahr 2000 begann der Arbeitsprozess an der ersten Royal Oak Concept Watch. Er dauerte zwei Jahre. Wir haben das Werk und das Gehäuse zugleich entwickelt; Ideen aus Werkentwicklung und Design haben sich vermischt. Das war echte Teamarbeit. Die Hauptidee hinter dieser Uhr war Innovation, wir hatten zunächst keine präzise Vorstellung von der Form oder dem Stil. Meine Leitidee war vor allem die Innovation im Hinblick auf Materialien und auf Funktionen. Die ursprüngliche Idee war, ein Einzelstück zu machen, deshalb waren wir auch so frei in der Gestaltung. Die Uhr stieß auf so viel Begeisterung, so dass aus ihr eine Kollektion geworden ist. Die Form ist bis heute im Wesentlichen dieselbe, die großen Linien des Gehäuses sind geblieben. Ohne es zu wollen, habe ich mit der Entwicklung einer Kollektion begonnen. Die Idee einer Konzeptuhr war damals in der Uhrenwelt noch neu."
Was inspiriert Sie zu Ihren Entwürfen?
"Früher habe ich mich eher an Produkten wie dem Auto orientiert, aber mehr und mehr tritt die Natur in den Vordergrund. Ich stelle fest, dass viele Ideen schon in der Natur vorhanden sind. Es dauert etwas länger, sie zu finden; man muss intensiv recherchieren. Ich mag die Vorstellung des Zen: die Idee, die Sachen zu vereinfachen. Auch das gehört zu meinem Stil. Es interessiert mich, etwa einen Schmetterlingsflügel, ein Insektenbein, den Stiel eines Blattes zu nehmen und zu beobachten, wie sie gemacht sind, wie sie sich bewegen. Es braucht einige Zeit, bis daraus ein Design wird, aber das ist ein Weg, den ich verfolge."
Wohin entwickelt sich das Design von Audemars Piguet?
"Ich habe den Eindruck, augenblicklich konzentriert sich jede Marke auf ihre Spezialitäten und schaut weniger nach dem, was sich links und rechts tut. Bei Audemars Piguet fokussieren wir uns auf unsere Schwerpunkte, auf die Leadermodelle, die wir pflegen, verfeinern und verbessern wollen. Ich habe den Eindruck, dass es Zeiten gab, in denen man sich mehr beeinflussen ließ. Mein Ziel ist es nicht so sehr, ein Maximum an verschiedenen Ideen zu entwickeln, sondern auszuwählen und zu analysieren, zu vereinfachen. Es ist leicht, sich zwischen verschiedenen Wegen zu verlieren, aber wir wollen uns wirklich Ziele setzen und die bis zum Ende verfolgen." mbe