Der A. Lange & Söhne Datograph Auf/Ab, der Chronograph Referenz 5170 von Patek Philippe und der Vacheron Constantin Harmony Chronograph sind Musterbeispiele für anspruchsvolle Chronographen. Lernen Sie die entscheidenden Unterschiede in Werkkonstruktion und Funktionsweise der Luxus-Chronographen kennen:
Chronograph der Luxusklasse #1: A. Lange & Söhne Datograph Auf/Ab
1999 zeigte A. Lange & Söhne während der Baselworld ein übergroßes Modell des lange erwarteten Handaufzugskalibers L951.1 – Vorgänger des hier betrachteten Kalibers L951.6. Der sächsische Uhrenhersteller hatte zwar schon vor dem Zweiten Weltkrieg Taschenchronographen produziert, aber deren Rohwerke waren allesamt aus der Schweiz zugeliefert worden. Insofern hatte die Uhrenwelt mit Spannung erwartet, was der erste eigene Chronograph so alles bieten würde. Und sie wurde nicht enttäuscht: Beim „Datograph“ genannten Newcomer stach als Erstes das für die Manufaktur typische Großdatum ins Auge sowie die deswegen weit nach unten verlagerten Hilfzifferblätter für die mitlaufende Sekunde und den 30-Minuten-Zähler.
Das Uhrwerk war – und ist es bis zur heutigen Werkegeneration – in der typischen Lange-Architektur gestaltet: mit Dreiviertelplatine unter dem Chronographenmechanismus, Brücken und Kloben aus naturbelassenem Neusilber, verschraubten Goldchatons und handgraviertem Unruhkloben samt eleganter Schwanenhals-Feinregulierung. Erst die differenzierte Betrachtung zeigt die heute wie damals über dem Sekunden- und Mitnehmerrad gelagerte Kupplungswippe. Kupplungs- und Chronozentrumsrad sind in verschraubten Goldchatons gelagert.
Die Steuerung der Chronographen-Funktionen obliegt einem Schaltrad. Anders als üblich sind die von den Drückern ins Schaltwerk reichenden Hebel zum Starten und Stoppen sowie zum Nullstellen und unmittelbaren Neustarten des Chronographen (Flyback-Funktion) in ihrem Drehpunkt sowohl unten als auch oben gelagert. Der Herzhebel mit seinen beiden Neigungsflächen besteht aus einem Stück. Außergewöhnlich ist bei diesem Chronographen auch die Konstruktion des springend ausgeführten Minutenzählers: Akkurate Auslösung gewährleisten eine Stufenschnecke und ein – wiederum doppelseitig gelagerter – Schalthebel mit leichtgängiger Rubingleitfläche. Das Springen des Minutenzählers können die Uhrmacher exakt justieren. Die Unruhfrequenz von 18.000 Halbschwingungen pro Stunde erlaubt Stoppungen auf die Fünftelsekunde genau.
Die aktuelle Generation des Uhrwerks ist das 2012 vorgestellte Kaliber L951.6. Es besteht aus 451 statt 390 Bauteilen und misst 30,6 statt 30 Millimeter. Wegen eines größeren Federhauses stieg die Gangautonomie von 36 auf 60 Stunden. An das dennoch regelmäßig fällige Aufziehen des Chronographen erinnert nun eine Gangreserveindikation bei der Sechs. Unruh und Spiralfeder stammen mittlerweile aus eigener Fertigung, und der Gang wird heute über sechs Exzentergewichte am Unruhreif reguliert. Die historische Taktung mit 18.000 Halbschwingungen pro Stunde behielt A. Lange & Söhne jedoch bei. Zur Wahrung der überlieferten Optik gibt es auf dem Unruhkloben nach wie vor einen Rücker mit Schwanenhals-Feinregulierung. Mit seiner Hilfe justieren die Lange-Uhrmacher allerdings nicht den Gang, sondern den Abfallfehler, also den Zeitunterschied zwischen dem Hin- und Herschwingen der Unruh. Das Zifferblatt des 41 Millimeter großen und 66.000 Euro teuren Datograph Auf/Ab trägt eine Tachymeterskala zum Erfassen der Durchschnittsgeschwindigkeit. Und die Teilung der Sekundenskala stimmt.
Chronograph der Luxusklasse #2: Patek Philippe Referenz 5170G
Im Kreis dieses Chronographen-Trios präsentiert sich das durch sechs Patente geschützte Kaliber CH 29-535 PS mit 29,6 Millimetern Durchmesser und 5,35 Millimetern Bauhöhe als kleinstes und flachstes Uhrwerk. Optisch wirkt das aus 269 Teilen zusammengefügte Chronographenwerk bewusst sehr konventionell: Schaltradsteuerung und horizontale Kupplung gewähren den besten Einblick in die Funktionsabläufe eines Chronographen. Kupplungsräder mit spezieller abrollender Verzahnung gewährleisten kraftsparende, gleichförmige und weitgehend zitterfreie Rotationen des Chronographenzeigers. Obendrein minimiert sich der Startsprung.
Für Patek Philippe selbstverständlich ist die Lagerung der Kupplungswippe konzentrisch zum Sekundenrad. Die Eintauchtiefe des freien Endes der Wippe regulieren die Uhrmacher mithilfe der leicht exzentrisch drehenden Abdeckkappe auf dem Schaltrad.
Ein zwangsgesteuerter Blockierhebel sorgt dafür, dass sich der Chronographenzeiger und der Minutenzähler nach Abschluss des Stoppvorgangs nicht mehr bewegen. Bleibt die heikle Nullstellung: Hier ist der lange Chronographenzeiger enormen Belastungen ausgesetzt. Deshalb besitzt die Schnecke zur springenden Fortschaltung des Minutenzählers an ihrer Stufe eine 60 Bogengrade tiefe Bucht. Beim Sprung in die Senkrechte taucht die ausgeklügelte Spitze des Minutenzählhebels so in diese Einbuchtung, dass jedes Schwänzeln unterbleibt.
Die hauseigene Gyromax-Unruh oszilliert mit modernen 28.800 Halbschwingungen pro Stunde, was theoretisch Stoppungen mit einer Achtelsekundengenauigkeit erlaubt. Ungeachtet dessen haben die Designer beim Zifferblatt an der überlieferten und in diesem Falle falschen Fünferteilung der Sekundenskala festgehalten.
Infolge des relativ kleinen Kalibers beschränkt sich der Durchmesser des runden Weißgoldgehäuses der Referenz 5170G auf 39 Millimeter. Die Positionierung der mitlaufenden Sekunde und des 30-Minuten-Totalisators unterhalb der Mitte erfolgte übrigens aus gutem Grund: So konnte Patek Philippe im verwandten Kaliber CH 29-535 PS Q mit ewigem Kalender größere Scheiben zur digitalen Indikation der Wochentage und Monate verwenden. Der Chronograph von Patek Philippe kostet 70.250 Euro.
Chronograph der Luxusklasse #3: Vacheron Constantin Harmony Chronograph
Als jüngstes Chronographenwerk verkörpert das Handaufzugskaliber 3300 von Vacheron Constantin einen Mix aus Tradition und Moderne. Aspekte des Überlieferten sind die Eindrücker-Konstruktion, das Schaltrad und die horizontale Kupplung. Letztere weist allerdings auch innovative Merkmale auf: Bemerkenswert ist die Kraftübertragung vom Mitnehmerrad zum Chronozentrumsrad. An die Stelle eines Kupplungsrads treten deren zwei, die übereinander angeordnet und durch Friktion miteinander verbunden sind. Die Zähne des goldfarbenen oberen stehen in ständigem Kontakt mit jenen des Mitnehmerrads. Beim Stoppen schwenkt die Kupplungswippe wie gehabt in Richtung Zentrum. Dann jedoch greift die feine Verzahnung des unteren, silberfarbenen Kupplungsrads, das an Speichen in Gestalt eines Malteserkreuzes zu erkennen ist, in jene des Chronozentrumsrads mit seinen 240 Zähnen. Durch diesen konstruktiven Kunstgriff minimiert Vacheron Constantin einerseits den Startsprung des Chronographenzeigers und reduziert zum anderen die mechanische Beanspruchung dieser Baugruppe.
Im Gegensatz zu den beiden Mitbewerbern lagert Vacheron Constantin die Kupplungswippe in Anlehnung an Standardkaliber wie beispielsweise Valjoux VZ, Lemania 2310 oder Minerva 13.20 relativ simpel direkt in der Brücke des Chronographenschaltwerks. Eine Exzenterschraube regelt die Eintauchtiefe des freien Endes der Kupplungswippe in die Lücke zwischen den Schaltradsäulen. Darauf angesprochen, warum bei diesem Uhrwerk die Lagerung der Kupplungswippe nicht – wie traditionell üblich, ästhetisch sehr viel schöner und auch beim Kaliber 3500 praktiziert – auf einem eigenen Kloben konzentrisch zur Sekundenradwelle erfolgte, ließ Vacheron Constantin wissen: „Die Konstruktion des 3300 nutzt das Friktionssystem, das eine Feinabstimmung der Eintauchtiefe der dreieckigen Zähne von Kupplungs- und Chronozentrumsrad überflüssig macht. Daher gibt es keine technische und ästhetische Notwendigkeit, überflüssige Teile zu verbauen. Bei den Kalibern 3500 und 3300 handelt es sich um gänzlich andere Entwicklungen, die unterschiedliche technische Ansätze verfolgen.“
Beim Kaliber 3300 dient das Friktionsprinzip übrigens auch dem Antrieb des schleichenden 45-Minuten-Zählers. Zu den weiteren Besonderheiten des Chronographen zählen zwei Blockierhebel für Chronozentrums- und Minutenzählrad sowie zwei getrennte Herzhebel zum Nullstellen besagter Indikationen. Unüblich ist ferner die von Vacheron Constantin eingesetzte Alles-oder-nichts-Sicherung, die den Chorographenmechanismus nur dann in Bewegung setzt, wenn der Drücker fest genug betätigt wurde; bei traditionellen Konstruktionen kann es dagegen theoretisch vorkommen, dass Getriebe und Hebel aktiviert werden, ohne dass der Chronograph anläuft. Erwähnenswert sind schließlich ein leichtgängiges Winkelgetriebe zwischen Aufzugstrieb und Kronrad sowie ein Winkeldifferenzial für die Gang reserveanzeige bei sechs Uhr.
Die Unruh mit variablem Trägheitsmoment und die Flachspirale vollziehen unter einem handgravierten, nur in der limitierten Jubiläumsserie erhältlichen Unruhkloben 21.600 Halbschwingungen pro Stunde. Dieser Frequenz wird die Teilung der Sekundenskala auf dem nostalgisch anmutenden Zifferblatt allerdings nicht gerecht. Fünf Striche pro Sekunde sind ausgelegt auf traditionelle 18.000 Halbschwingungen. Durch die markante Pulsometerskala am Zifferblattrand reicht es aus, nach dem Starten des Chronographen 30 Pulsschläge zu zählen, um sofort deren Anzahl pro Minute ablesen zu können. Viel Arbeit investierte Vacheron Constantin auch in die Gestaltung des kissenförmigen Roségoldgehäuses, das abgesehen von seiner Größe (42 mal 52 Millimeter) und dem Saphirglasboden an Armbandchronographen aus den späten 1920er-Jahren erinnert. Der Retro-Chronograph von Vacheron Constantin kostet 70.100 Euro. glb