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7 Minuten

Davosa: Gentleman Automatic

Die Davosa Gentleman Automatic mit schwarzem Zifferblatt
© PR

Die Anzeige der Zeit in kinetische Kunst zu verpacken, ist die Berufung von Miki Eleta. Dass er dabei auf die wichtige Baugruppe der Hemmung stößt, scheint unvermeidlich, eine eigene zu entwerfen, für ihn faszinierend.

Miki Eleta ist Künstler, kein Uhrmacher­meister. Das gibt ihm die Freiheit, bei der Beantwortung der Frage, was eine Uhr ist, Dinge anders zu betrachten, Neues zu entde­cken, Experimentierfreude zu zeigen und auch Mut zum Scheitern zu haben. Seine ersten Skizzen reflektieren oft loses Gedankengut. Messing und Stahl liegen noch unbearbeitet in der Ecke. Erst später, wenn sich Räder, Triebe, Zähne und Hebel zu einem zaghaften Spiel fü­gen, zeichnet sich die gestalterische Idee ab. Allerdings immer mit dem Ziel, über ein perfektes Zusammenfinden handgemachter Komponenten der Vereinbarung der Mensch­heit über die Vermessung der Zeit zu folgen. Doch auf dem Weg dorthin ist für Miki Eleta nichts festgelegt. Und manchmal zerbricht ein mühevoll gefertigtes Zahnrad, weil die Kons­truktion nicht so wie erwartet funktioniert. Oder er muss einen Umweg gehen, um zu den richtigen Erkenntnissen zu kommen. So oder ähnlich wird es sich wohl auch mit der Hemmung zugetragen haben, welche Miki Eleta im vergangenen Jahr entworfen hat. Sie trägt seinen Namen, funktioniert mit einem Huygensschen Aufzug sowie nach dem Prinzip einer Chronometerhemmung. »Ich habe beim Bau meiner kunstvollen Zeitmesser immer wieder zur Kenntnis neh­men müssen, dass eine Hemmung viel Kraft braucht«, berichtet Miki Eleta aus Erfahrung, »und diese Tatsache offenbar in meinem Un­terbewusstsein abgespeichert, ohne ernsthaft über eine Veränderung nachzudenken. Heute weiß ich, man muss Hemmungen gebaut ha­ben, um sich der Problematik zu nähern. Ich habe Spindel- und Scheren-, Schwerkraft-und Graham-Hemmungen in meine Uhren eingebunden und mich immer wieder gefragt: Was ist eigentlich eine Hemmung? Meine Antwort lautet: Anhalten und wieder frei las­sen, mit möglichst wenig Kraftaufwand. Während einer Reise habe ich dann mal wieder etwas skizziert und gedacht – das muss es sein, das muss funktionieren. Voller Neugier habe ich gleich nach meiner Rückkehr ein Modell gebaut und bemerkt, dass eine Hem­mung entstanden ist, die unheimlich wenig Energie verbraucht. Nur 0,7 Gramm haben meinen ersten Entwurf in Bewegung gehalten. Das hat mich inspiriert, diesem gleich die richtige Uhr mit Sekundenpendel folgen zu lassen. Ich bin auf 40 Gramm Gewicht als Energiequelle gekommen und hatte fast Angst, diese Tatsache zu kommunizieren.« Freiheit und Prinzipien Um die Konstruktion von Miki Eleta zu ver­stehen, sei ein kleiner Exkurs in die Welt der Großuhren erlaubt. Grundsätzlich funktioniert eine Großuhr – wie später dann auch die Armbanduhr – immer nach dem gleichen Prinzip: Man braucht eine Energiequelle und einen Energiespeicher, ein Räderwerk zur Kraftübertragung und schließlich die Hemmung zur Verteilung und Regulierung. Was bei der Armbanduhr die Feder im Federhaus ist, ist bei der Großuhr das Gewicht – der Energiespeicher. Was bei der Armbanduhr Unruh und Spirale erledigen, übernimmt bei der Großuhr das Pendel – die Regulierung.
Dazwischen liegen Räderwerk und Hemmung. Die Räderwerksübersetzungen sind weitestgehend festgeschrieben und erfolgen bei hohen Übersetzungen immer vom Langsamen ins Schnelle, wobei es keine Rolle spielt, ob die Kraft dafür aus einem Federhaus kommt oder von einem Gewicht ausgeht. Wesentlich mehr Variabilität gibt es bei der Hemmung. Im Laufe der Jahrhunderte sind mehr als 250 entwickelt worden, von denen höchstens zehn Prozent eine maßgebliche Verbreitung erfuhren. Die bekannteste bei Großuhren ist die von Graham, eine Ankerhemmung, welche noch heute in Präzisionsuhren Verwendung findet. Weitere Beispiele sind die Spindel- oder die Stiftanker-Hemmung sowie der Scherengang. Als eine Chronometerhemmung bezeichnet man eine Konstruktion, bei der nur bei jeder zweiten Halbschwingung ein Antriebsimpuls an die Unruh beziehungsweise bei der Großuhr an das Pendel übertragen wird, und zwar direkt durch das Hemmungsrad, ohne jegliches Zwischenglied, wie etwa einem Anker. Nach diesem Prinzip funktioniert auch die Eleta-Hemmung. Definition der Sekunde Der Antrieb bei Großuhren erfolgt zumeist durch ein herabfallendes Gewicht, welches wie zum Beispiel an den meisten Kuckucks-, Schwarzwald- und vielen Standuhren an einer Kette befestigt ist. Zum Aufzug der Uhr wird einfach am freien Ende der Kette gezogen. Das System ist sehr einfach und hat den Nachteil, dass der Antrieb beim Aufzug unterbrochen wird. Ein weiterer Antrieb ist der über Seil und Trommel, wobei das Seil auf die Trommel gewickelt wird. Vorteil gegenüber der Kette ist die gleichmäßigere Kraftabgabe. Dieses System findet man oft bei Präzisionsuhren. Der Aufzug erfolgt durch einen Schlüssel oder eine Kurbel. Seil und Trommel haben allerdings auch den Nachteil, dass der Antrieb während des Aufzuges unterbrochen wird. Der Antrieb nach Huygens vermeidet dagegen durch die raffinierte Führung einer Endloskette die Unterbrechung des Antriebes während des Aufzugs. Auch sein Aufzug funktioniert durch Ziehen an der Kette.
Die entscheidenden Erfindungen hat der berühmte holländische Astronom, Mathematiker und Physiker Christiaan Huygens allerdings nicht im Bereich des Aufzuges, sondern der Regulierung des Uhrwerks gemacht. Unabhängig von Galileo Galilei (um 1583) entdeckt er 1656 die Gesetzmäßigkeiten des Pendels und entwickelt daraus die praktischen Anwendungsformen für die Uhrmacherei. Das Pendelgesetz besagt, dass ein an einem Punkt aufgehängtes, frei schwingendes Pendel für eine Schwingung, also eine vollständige Bewegung um seinen Aufhängungspunkt herum, unabhängig von der Schwingungsweite, immer die gleiche Zeit benötigt. Diese Eigenschaft der stets zeitgleichen Schwingungsdauer des Pendels nennt man Isochronismus. Und sie trifft gleichermaßen auf jedes System aus Unruh und Spiralfeder zu. Mit seiner Erkenntnis hat Huygens die gesamte Uhrmacherei revolutioniert. Die Energie für seine zeitgleichen Schwingungen erhält das Pendel über die Hemmung. Die Pendelschwingungen steuern wiederum den Ablauf des Räderwerkes und damit die Zeitanzeige. Die Schwingungsdauer (oder auch Frequenz) eines Pendels hängt von seiner Länge und dem Gewicht ab. Seine Auslenkung wiederum wirkt sich auf die Ganggenauigkeit der Uhr aus: Je kleiner die Amplitude, desto besser. Miki Eleta verwendet für sein Projekt No. 26 ein Sekundenpendel, welches nur etwa ein Grad ausgelenkt wird. Es benötigt für eine Halbschwingung eine Sekunde, für eine vollständige Hin- und Herbewegung demnach zwei Sekunden. Damit liegt seine Frequenz bei 3.600 Halbschwingungen in der Stunde, einem halben Hertz. Da Eleta seine Hemmung nach dem Prinzip einer Chronometerhemmung entworfen hat, ergeht nur ein Impuls pro vollständige Schwingung an das Pendel, also alle zwei Sekunden. Das Sekundenpendel hat eine Länge von 994 Millimetern, die sich daraus ergibt, dass die Schwingungsdauer nur von seiner Länge und der Erdbeschleunigung abhängt. Sie gilt als theoretische Größe, die physikalische Einflüsse vernachlässigt, jedoch für die grobe Abschätzung der Pendellänge weitgehend gebräuchlich und auch akzeptabel ist. Abweichungen sind für den Hausgebrauch vernachlässigbar und werden bei Präzisionspendeluhren durch konstruktive Kniffe, wie Kompensationseinrichtungen ausgeglichen. Aber was passiert nun bei der Eleta-Hemmung, wenn das Sekundenpendel schwingt? Das Pendel schwingt frei Die Energie steckt im Ankerrad. Dieses wird durch eine Rubinpalette an einer Wippe (Eleta verwendet keinen konventionellen Anker, sondern eine eigens konstruierte Wippe) in Ruhestellung gehalten (Bild 1).
Das Pendel setzt zur ersten Halbschwingung in Richtung dieser Wippe an und berührt sie am entgegengesetzten Ende, wo sich eine Auslöse-Rubinrolle befindet. Wie es ihre Bezeichnung schon vermuten lässt, löst diese Rolle das Ankerrad aus. Indirekt. Weil durch das Zusammenstoßen der Pendelstange mit der Rolle die Wippe kippt und sich dadurch die Rubinpalette auf der anderen Seite aus dem Eingriff mit dem Ankerradzahn Z1 hebt (Bild 2). Das Hemmungsrad macht einen kleinen Schritt, gibt aber keinen Impuls ab, weil ein anderer Zahn Z2 auf eine weitere Rubinrolle, welche an der Pendelstange befestigt ist, fällt und das Ankerrad erneut blockiert (Bild 2). Die Rubinrollen übrigens von drei Millimeter Durchmesser haben Bohrungen von 0,9 Millimetern, mit denen sie auf 0,8-Millimeter-Wellen passen. Die rollenden Steine minimieren die Reibung, und ihre Berührungen mit den Ankerradzähnen sind so gering, dass die Hemmung ohne Öl arbeiten kann. Den Gesetzen der Schwerkraft folgend, strebt das Pendel nun in die entgegengesetzte Richtung. Dabei erhält es über das Abrollen des Ankerradzahnes Z2 auf der entsprechend bezeichneten Impulsrolle neue Energie, welche zuvor – beispielsweise beim Auftreffen auf die Auslöserolle – verloren gegangen ist. Das Pendel schwingt nun frei in die andere Richtung, während mit dem Fall der Wippe die oben genannte Rubinpalette den nächsten Ankerradzahn blockiert (Bild 3).
Ähnlich wie der Anker bei der Audemars-Piguet-Hemmung erfüllt die Rubinpalette an der Eleta-Wippe lediglich den Auftrag, das Ankerrad festzuhalten. Gibt sie es frei, ergeht kein Impuls an das Pendel. Und während man beim Unruhsystem von einer »Hemmung mit verlorenem Weg« spricht, wenn während einer Halbschwingung kein Impuls erfolgt, bezeichnet man ein Pendel in diesem Fall als »frei schwingend«. Einen kurzen Schritt bei der Auslösung und einen langen bei der Impulsgebung haben die Ankerräder der Audemars-Piguet- und der Eleta-Hemmung – jeweils bezogen auf die unterschiedlichen Frequenzen – ebenfalls gemeinsam. Das Ankerrad der Eleta-Hemmung macht einen Schritt pro Sekunde, sprich 60 pro Minute – womit die Sekunde dann auch entsprechend angezeigt werden kann – erteilt aber nur bei jedem zweiten Schritt, also alle zwei Sekunden einen Impuls an das Pendel. 30-mal in der Minute. 1 800-mal in der Stunde, während das Pendel 3 600 Halbschwingungen in der Stunde vollführt. Während die Sekunde auf dem Objekt No. 26 durch einen rückwärts laufenden Zeiger dargestellt wird, rotieren Minuten und Stunden als Scheiben und in den Huygensschen Aufzug ist ein sphärischer Mond integriert, der sich selbst schaltet – 128 Jahre lang genau. Neben seiner technischen Raffinesse nennt man das wohl hemmungslose Freiheit. Über Miki Eleta: Geboren 1950 in Višegrad (heute Bosnien und Herzego­wina), lebt seit 1973 in der Schweiz, ist verheiratet und hat zwei Töchter, inzwischen auch Enkel. 1990 eröffnet er eine Werkstatt für Möbelrestaurationen, Schnitzereien und Uhrenreparaturen. Im Rahmen letzterer Arbeiten setzt er sich immer mehr mit kinetischer Kunst in der Uhrmacherei auseinander und entwirft eine Reihe ent­sprechender Skulpturen, wie zum Beispiel 2003 die Wasseruhr vor dem Internationalen Uhrenmuseum in La Chaux-de-Fonds. Zugleich realisiert er acht didaktische Modelle für dessen ständige Ausstellung, welche die Etappen in der Entwicklung der mechanischen Uhr reflektieren. Seitdem lässt ihn die Uhrmacherei – immer verbunden mit einer künstlerischen Note und der Option, der genauen Zeitanzeige einen einzigartigen Ausdruck zu verleihen – nicht mehr los. 2006 stellt Miki Eleta das erste Mal einige seiner Objekte auf der Baselworld vor. 2008 wird er Mitglied der Académie Horlogère Des Créateurs Indépendants. Seine künst­lerischen Zeitobjekte sind Unikate. Mit dem Objekt No. 26 realisiert er seine selbst entworfene Hemmung
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