Mit dem Namen des herausragenden Uhrmachermeisters – Gründer der Glashütter Uhrmacherschule und langjähriger Wegbegleiter Ferdinand Adolph Langes – erschien 2010 wieder eine neue Uhrenmarke auf dem modernen sächsischen Uhren-Tableau: Moritz Grossmann. Die Auferstehung der Uhrenmarke ist vor allem einer engagierten Frau zu verdanken, die mit einem hoch motivierten Team alte Traditionen mit dem Hier und Jetzt verbindet.
Traumberuf
Es beginnt mit der Uhrmacherlehre, wo ihr Raritäten begegnen, und sie binnen kurzer Zeit erlernt, diese zu restaurieren. Sie dreht Wellen, ersetzt Zahnräder, richtet Spiralen. Nachdem sie 1989 ihre Lehre als Bayerns Beste abschließt, wechselt sie zum Juwelier Wempe und trifft dort auf viele Liebhaber mechanischer Zeitmesser. Später führt sie der Weg zu Maurice Lacroix und 1996 nach Glashütte – zuerst in den Glashütter Uhrenbetrieb und 1998 zu A. Lange & Söhne.
Zu dieser Zeit entdeckt sie die alte Glashütter Uhrenmarke Moritz Grossmann und lässt sich den Namen, welchen – wie sich später herausstellen wird – auch andere begehren, mithilfe ihrer Familie schützen. 2004 geht die rastlose Bayerin in die Schweiz, wo sie als Geschäftsführerin der Haute Horlogerie Schindler SA zahlreiche Kontakte zu anspruchsvollen Sammlern knüpft. Sie kann private Uhrenliebhaber von ihrem Traum der eigenen Uhrenmarke begeistern und von der Investition in das Projekt Moritz Grossmann überzeugen. In der Schweiz wird am 4. November 2008 die Grossmann International Uhren AG gegründet und sieben Tage später die Grossmann Uhren GmbH in Glashütte aus der Taufe gehoben. Der Firmensitz befindet sich in der Hauptstraße gegenüber der früheren Produktionsstätte von Moritz Grossmann. Mit dem Erwerb eines Grundstücks in der Uferstraße, dem früheren Sitz der Urofa, ist aber schon an die Zukunft gedacht und inzwischen mit einem Neubau begonnen worden.
Traumfabrik
Doch zurück in die Hauptstraße, wo sich Konstrukteursarbeitsplätze, CNCMaschinen und Uhrmachertische dicht aneinander drängen. So ziemlich von Anfang an, genau seit März 2009, ist Chefkonstrukteur Jens Schneider an Bord. Er kommt von der Lange Uhren GmbH, und mit den Erfahrungen aus der Arbeit in diesem Unternehmen weiß er, wovon er spricht, wenn er über die Besonderheiten eines Glashütter Uhrwerks redet. So lässt er seine Gedanken über das erste Moritz-Grossmann-Kaliber, den Handaufzug 100.0, locker sprudeln: "Der Anfang war die Bestandsaufnahme. Was gibt es an Glashütter Konstruktionen? Welche werden wir übernehmen? Und können wir sie verändern? Was so viel heißt wie: mit modernen Produktionsmethoden verbessern. Und dann war zu klären, was wir selbst erledigen wollen und wie wir mit Partnern zusammenarbeiten." In diesem Umfeld kommt der heute so oft bemühte Manufakturgedanke ins Spiel, den jeder ein bisschen anders zu interpretieren scheint. Das Produktionsprinzip steht für das Uhrmacherhandwerk im 19. Jahrhundert, auf dessen Traditionen sich das neue Atelier Moritz Grossmann beruft.
Die für Grossmann typische Zweidrittelplatine aus Neusilber ist mit breiten Glashütter Bandschliffen veredelt und von Hand unter anderem mit dem Markenschriftzug graviert. Blickfänge bieten die über Feuer angelassenen braun-violetten Schrauben unter anderem an den Chatons, die weiße Saphire als Lagersteine fassen. Auf dem Sperrrad fällt ein besonderer dreistufiger Sonnenschliff auf und gleich daneben das technisch modernisierte Glashütter Gesperr, das nach dem Handaufzug dem Sperrrad gestattet, etwas zurückzudrehen und damit die Zugfeder leicht zu entspannen.
Bei einem Blick durch die Uhrmacherlupe kann man sich an den fein von Hand bearbeiteten Oberflächen und gebrochenen hochglänzenden Kanten erfreuen. Wie bei Lange wird auch bei Grossmann das Uhrwerk zweimal zusammengebaut. Nach der ersten Montage erfolgt der Gangtest. Die Ergebnisse bilden die Grundlage für eine weitere Reglage. Entsprechen schließlich die Ergebnisse den Qualitätsansprüchen, wird demontiert, alles gereinigt – erst jetzt erhält die Zweidrittelplatine ihren markanten Streifenschliff – und ein zweites Mal zusammengefügt. Und dann bekommt die Uhr mit Zifferblatt, Zeigern und Gehäuse ihr eigentliches Gesicht.
125 Jahre später nehmen nun Uhren mit seinem Namen das Erbe auf – nicht nur mit dem Schriftzug auf dem Zifferblatt, in dem ein kleiner Halbkreis und eine unterbrochene waagerechte Linie den für die Marke typischen Platinenschnitt symbolisieren. Man trifft das signifikante Braun-Violett der Werkschrauben wieder – in Gestalt der Zeiger, die wie lang gestreckte Rhomben daherkommen. Sie werden eigenhändig in der Manufaktur gefertigt, wie zahlreiche Teile des Uhrwerks auch, wobei hier die Kapazitäten noch steigen sollen. Zum Beispiel möchte man künftig neben Brücken, Platinen, Kloben oder Federn auch Zahnräder selber produzieren. Weil an diesen so viel verändert wird, dass der Aufwand größer ist als würde man die Räder gleich selbst herstellen. Zurzeit werden 16 Werkkomponenten zugekauft. Dazu gehören die Aufzugsfeder und die Unruhspirale und, wie gesagt, Räder und Steine.
Die feinen, langen Zeiger sollen zusammen mit der filigranen Skalierung am Zifferblattrand daran erinnern, dass die Uhr ein Zeitmessinstrument ist, im Falle der Benu eines mit Glashütter Ästhetik und Präzision in der Erblinie von Moritz Grossmann. Die erste Benu mit der Referenz 100.1010 ist weltweit auf 100 Exemplare limitiert und kostet in Deutschland 16 800 Euro. Mit der Auslieferung soll 2011 begonnen werden. Alle Uhren sind bereits geordert. Das stimmt Geschäftsführerin Christine Hutter zuversichtlich für die Zukunft der Marke. "Moritz-Grossmann-Uhren wird es auch künftig nur in kleinen, feinen Serien geben", lässt sie weiter wissen. An die Produktion von 1.000 bis maximal 2.000 Uhren im Jahr ist gedacht. Aber um selbst das zu realisieren, ist der Manufakturneubau unabdingbar. Im nächsten Jahr steht der Umzug an. Dann wird es auch mehr Mitarbeiter geben und eine erweiterte Kollektion von zwei bis vier Uhrenmodellen.
Dreamteam
Denn während Christine Hutter mit Architekten und Bauunternehmen noch so manches unerwartet auftretende "Problemchen" zu lösen hat, tüftelt Jens Schneider zusammen mit seinem Konstrukteurskollegen Norbert Windecker bereits an einem neuen Uhrwerk und an der Optimierung des Kalibers 100.0. "Wir werden auf dieses Grundwerk aufsetzen", sagt Schneider, "und uns in dem, was wir tun, auf unser Können, und nur darauf, berufen." Während die Werkentwicklung immer Sache des Hauses bleiben wird, arbeitet man im Bereich des Gehäusedesigns, der Zifferblätter, Bänder und Schließen mit externen Spezialisten zusammen. Auch wenn all diese Komponenten im Moment aus der Schweiz kommen, ist eine Moritz-Grossmann-Uhr dank der hohen Wertschöpfung am Uhrwerk in Glashütte immer eine Made in Germany.