Er ist der Botschafter der Schaffhauser IWC: Kurt Klaus hat nicht nur über Jahrzehnte neue Werke und Komplikationen für die Schaffhauser Uhrenmarke geschaffen, sondern repräsentiert wie kein anderer die Marke und ihre Tradition.
Wenn Kurt Klaus irgendwo auf der Welt auftritt, von Uhren und Technik, von Hebeln und Zahnrädern, Schaltungen und Übersetzungen erzählt, hängen die Zuhörer wie gebannt an seinen Lippen. Er ist der Uhrmacher, der für IWC Schaffhausen seit den 1970er-Jahren zahlreiche Konstruktionen erdacht hat. Und heute ist er der Mann, der auf der ganzen Welt Menschen für die Kunst der Haute Horlogerie begeistert. Er erklärt Schritt für Schritt die Grundfunktionen eines mechanischen Uhrwerks, weiht in die Geheimnisse seines Ewigen Kalenders ein und vermittelt die Faszination Mechanik.
In Asien wird der 76-Jährige dafür gefeiert wie ein Star: Nach seinen Vorträgen stehen die Zuhörer geduldig an, um ein Autogramm zu ergattern. So wurde aus dem Uhrmacher, der konzentriert in der Stille seines Werktischs an neuen Konstruktionen tüftelt, ein gewandter Botschafter für IWC – nur zwei Seiten einer vielseitigen Persönlichkeit.
Sein Weg beginnt für Kurt Klaus ganz konventionell. Aus Interesse für feine mechanische Funktionen und Teile absolviert er als junger Mann an der Uhrmacherschule in Solothurn eine vierjährige Ausbildung. Da er in der Nähe seines Heimatortes St. Gallen bleiben möchte, beginnt er zwei Jahre nach seiner Ausbildung, 1957, bei der IWC in Schaffhausen zu arbeiten. Dort spezialisiert er sich bald auf die Reparatur alter Uhren, wird zum Mann für die schweren Fälle, hat Zeitmesser vor sich auf dem Werktisch, die hundert Jahre alt oder älter sind.
»So habe ich die Philosophie von IWC von der Pike auf kennen gelernt und alles über den Geist der Qualität von IWC erfahren«, erinnert er sich heute. Bald schon nimmt ihn Albert Pellaton unter seine Fittiche, der Technische Leiter, Produktionschef und Konstrukteur von IWC. Pellaton wird zum Mentor des jungen Kurt Klaus: »Er hat mich in die Konstruktion eingeführt. Das war eine harte Schule, denn er war sehr anspruchsvoll«, sagt Klaus. Auf eines kann ihn Pellaton jedoch nicht vorbereiten – die Quarzkrise der 1970er-Jahre. Deren Folgen muss der Lehrmeister nicht mehr zur Gänze selbst erfahren: Pellaton stirbt 1976.
Damals geht auch bei IWC die Produktion mechanischer Uhren dramatisch zurück. Kurt Klaus erinnert sich, dass keine Bestellungen mehr eingehen. Wie man verzweifelt versucht, durch Kurzarbeit weiterzuexistieren. Um überhaupt Arbeit zu haben, fertigt man zum Beispiel Fahrgestelle für Modellflugzeuge und kleine Silbermodelle von Automobilen.
Zudem kauft IWC Quarzwerke und baut sie in Uhren ein. Kurt Klaus muss bei Auswahl der Werke, Kontrolle und Einbau mitarbeiten. Technisch ist das so wenig anspruchsvoll, dass Klaus sich einen Ausgleich in seiner freien Zeit sucht. Freitags, wenn dir Firma wegen der Kurzarbeit geschlossen ist, zieht er sich in das menschenleere Atelier zurück und tüftelt an mechanischen Konstruktionen.
Klaus beginnt, auf eine Taschenuhr ein komplettes Kalendarium sowie eine Mondphase aufzubauen. Die Geschäftsleitung ist damit einverstanden, die neue Entwicklung in Serie gehen zu lassen und lässt Klaus 100 Stück herstellen – die erste wirklich komplizierte IWC-Uhr. 1977 wird das anspruchsvolle Stück bei der Messe in Basel vorgestellt und »ein Riesenerfolg «, wie sich Kurt Klaus bis heute freut: »Schon am zweiten Tag waren die 100 Stück ausverkauft.«
Klaus sieht in diesem Erfolg heute den »ideellen Startschuss für die Rettung der mechanischen Uhr. Wir hatten der Uhr etwas gegeben, was die Quarzuhr nicht konnte. Und wir wollten Liebhaberei für Mechanik wecken.« Das gelingt offensichtlich, denn Klaus baut weitere interessante Mechanismen. Nach knapp zwei Jahren Durststrecke arbeiten die Beschäftigten von IWC wieder in Vollzeit – allerdings hat sich der Personalbestand von 300 auf 150 halbiert. Immer noch gehören Quarzuhren zum Portfolio der Marke. Ende der 1970er-Jahre startet dann die Arbeit am ersten mechanischen Chronographen für Porsche Design mit dem Kaliber Eta/Valjoux 7750.
Das größte Werk von Kurt Klaus beginnt Anfang der 1980er-Jahre. Firmenchef Günter Blümlein beauftragt ihn, neue Armbanduhren zu entwerfen, und Kurt Klaus steckt sich ein hohes Ziel: Einen Ewigen Kalender, der einfach zu bedienen ist und bei dem sich der Träger nicht um die einzelnen Kalendereinstellungen kümmern muss. Dafür möchte er ein autonomes mechanisches System konstruieren. Dieses soll dafür sorgen, dass die mitternächtliche Schaltbewegung des 24-Stunden-Rades mit allen Kalenderanzeigen verbunden ist, so dass diese augenblicklich und gemeinsam weiterschalten. Aber wie soll die kleine Bewegung der Datumsschaltklinke auf dem Grundwerk auf die Anzeigen von Tag, Datum, Monat und Jahr übertragen werden?
Die Uhr weist eine weitere Besonderheit auf: Während Ewige Kalender von anderen Herstellern nach längerem Stillstehen mithilfe von Stiften und Korrekturdrückern mühsam angepasst werden müssen, lässt sich die Uhr von Kurt Klaus ganz praktisch über die Krone tageweise vorwärtsschalten, da alle Indikationen synchronisiert sind.
Mehrere Jahre arbeitet Klaus an dem neuen Mechanismus, stellt Berechnungen mit Hilfe der Logarithmustabelle an, zeichnet mit dem Zirkel auf dem Zeichentisch, realisiert seinen Entwurf an der Werkbank, wo er Zahnräder selbst herstellt und die Zähne schneidet. In der letzten Nacht vor der Präsentation auf der Messe in Basel im April 1985 arbeitet Kurt Klaus durch. Erst am frühen Morgen ist er fertig, fährt mit dem Auto nach Basel und kommt eine halbe Stunde vor Messebeginn mit einem kleinen Köfferchen auf den IWC-Stand. Darin drei Prototypen der ersten Da Vinci mit Ewigem Kalender, eingeschalt in stilvolle Goldgehäuse. Die Uhr erntet Staunen, Bewunderung und weckt Begehren: Die Kunden bestellen eifrig, im August 1985 werden die ersten Exemplare geliefert, Ende des Jahres sind bereits 500 Stück vollendet.
1988 ist es so weit: Der Konstrukteur bekommt einen Computer – ein »riesiges, unförmiges Ding.« Nach einer Woche Schulung beginnt die Arbeit damit, »und von da an habe ich nie mehr einen Zeichenstift in die Hand genommen«, so Klaus. Noch ist das Zeichnen am Computer nur zweidimensional und relativ schlicht, doch von Jahr zu Jahr entwickelt sich die Technik weiter und Klaus begleitet diese Fortschritte begeistert. Die Umstellung der Produktion ebenfalls auf Computer eröffnet ihm neue Möglichkeiten: »Ich konnte Teile zeichnen, so wie es mir gefallen hat – und eine CNC-Drahterodiermaschine konnte sie dann genauso herstellen, wie ich es wollte. Diese Entwicklungszeit war ein tolles Abenteuer.«
Neu ist nicht nur die Konstruktion dieses Uhrwerks, neu ist auch die Denkweise von Kurt Klaus, mit der er diesen Entwurf realisiert. Ihm geht es nicht nur um die Schaffung einer anspruchsvollen Komplikation – schon während der Entwicklungszeit berücksichtigt er die spätere Herstellung. »Das war ein ganz neuer Denkansatz«, sagt Kurt Klaus. »Früher hatten Konstrukteure völlig losgelöst von der Produktion gearbeitet. Ich bin jedoch in erster Linie Uhrmacher und Albert Pellaton hatte mir beigebracht, dass eine Uhr einfach, robust und qualitativ hochwertig sein muss.« Zu seinem Talent, komplexe Mechanismen entwickeln zu können und dabei auch die Serienfertigung zu bedenken, gesellt sich bei Kurt Klaus eine weitere Eigenschaft: Er ist Neuem gegenüber extrem aufgeschlossen und begeistert sich für moderne Technik. Ende der 1980er- Jahre hört Klaus zum ersten Mal von CAD – den computergestützten Zeichenprogrammen. »Das hat mich sehr interessiert und ich wollte unbedingt so etwas haben«, erzählt Klaus.
Dieses Abenteuer endet noch lange nicht, als Klaus 1999 in den Ruhestand tritt: Trotzdem bleibt er an neuen Konstruktionen beteiligt, zieht sich erst nach und nach wirklich aus der Entwicklungsarbeit zurück. Erst jetzt werden neue Uhren präsentiert, an denen Klaus gar nicht mehr mitgearbeitet hat. Statt dessen avanciert der charmante Herr mit dem verschmitzten Lächeln und dem von vielen Jahren am Werktisch gebeugten Rücken zum begehrten Botschafter von IWC auf der ganzen Welt. Georges Kern, CEO der Marke, weiß, was er an Kurt Klaus hat und sagt über ihn: »Er hat nicht nur mit exzellentem Fachwissen den Lauf der Firmengeschichte beflügelt, sondern der IWC auch mit außerordentlicher Initiative, großer Schaffenslust und ausgeprägtem Erfindergeist weltweites Renommee eingetragen. Kurt Klaus hat nie großes Aufheben um seine Person gemacht. Trotzdem wird er auf der ganzen Welt mit großem Respekt und mit viel Wärme empfangen, wenn er als unser Botschafter Uhrenfreunde für unsere Zeitmesser begeistert. Er ist eine wichtige Identifikationsfigur unserer Firma.«