Wirklich geschmeidig geht das Wort nicht über die Lippen: Zirkonoxidkeramik. Aber dieser Werkstoff hat es in sich. In der Technik, im Engineering und in der Rehabilitationsmedizin ist er beinahe unentbehrlich. Wer sich mit dem Basismaterial befasst, muss in den Archiven bis ins Jahr 1789 stöbern. Da entdeckte ein Mann namens Martin Klaproth das Zirkonium. Im Rahmen umfangreicher Mineralanalysen erforschte der deutsche Chemiker die Hintergründe des chemischen Elements, welches den Metallen zuzuordnen ist. Wer Zirkonium verarbeiten möchte, muss jedoch eine chemische Umwandlung vornehmen. Bekanntlich handelt es sich bei Keramiken um gebrannte Materialien. Der Vorgang des Brennens bringt die Sauerstoffaufnahme mit sich, die aus Zirkonium das Zirkoniumdioxid macht. Und genau das verwendet die Industrie als Ausgangsstoff für unterschiedlichste Zirkon-Produkte.
Frühen Nutzungsmöglichkeiten begegnet man gegen Ende des 19. Jahrhunderts. Der Glühkörper der 1897 von Walther Nernst erfundenen Nernstlampe bestand aus eben jenem Zirkoniumdioxid. Das Aufspüren des mehr als beachtlichen Potenzials der auf diesem Material basierenden Hightech-Keramik nahm anschließend beträchtliche Zeit in Anspruch. Uhrenfabrikanten lernten Vorteile wie antiallergische Eigenschaften, ein geringes Gewicht sowie Kratz- und Verschleißfestigkeit sogar erst in den 1980er Jahren kennen.
Zu den anerkannten Keramik-Pionieren gehören zweifellos Rado. Letztere Uhrenmarke sorgte 1986 mit der DiaStar Integral für Aufsehen. Aber dieser Zeitmesser besaß anfangs nur ein Armband aus kratzfesten Keramik-Komponenten. Erst drei Jahre später gelang die Fertigung von Gehäuse und Krone. Das Produkt hieß DiaStar Ceramica.
Im Herbst 1986 lancierte die Schaffhauser IWC ihre schwarze Da Vinci mit Keramikgehäuse. Hierzu haben die Produktentwickler mit erfahrenen Firmen zusammengearbeitet: Aufwendiger als die Herstellung des keramischen Gehäuserings gestaltete sich anschließend das Montieren der verschiedenen „Armaturen“, zu denen auch die beweglichen Bandanstöße gehörten.
Mit der Herstellung von Hochleistungskeramik verknüpfen sich wichtige Kriterien: die Reinheit des jeweiligen Pulvers und seine Korngröße. Gebräuchlich sind Körner von circa einem Tausendstelmillimeter, was in etwa einem Fünftel der Dicke eines menschlichen Haares entspricht. Die anschließende Verarbeitung erfolgte zu Beginn allein mit Hilfe von Pressverfahren und anschließendem Sintern oder per CIM.
Sintern meint das Verdichten und Zusammenhaften der winzigen Teile bei hohen Temperaturen, heutzutage jenseits von 1.400 Grad Celsius. Vereinfacht kann der Vorgang mit dem Backen eines Kuchens verglichen werden. Hinter dem Buchstabenkürzel CIM verbirgt sich Ceramics Injection Molding zur Fabrikation komplexerer und insbesondere auch präziserer Formen. In diesem Fall wird Keramikpulver zuerst homogenisiert, dann zu Granulat vorbereitet und anschließend mit Hilfe eines Spritzgussverfahrens in Form gebracht. Am Sintern führt freilich auch hier kein Weg vorbei. Fertige Keramikprodukte erhalten zum Schluss ihren seidigen Glanz durch das Polieren mit Diamantstaub. Spätestens jetzt werden größere Poren oder kleinste Fehler gnadenlos sichtbar.
Für die Uhrenindustrie sind leichte, kratzfeste Schalen mit antiallergischen Eigenschaffen nicht das einzige keramische Anwendungsgebiet. Daneben lassen sich winzige Kugeln zur Lagerung beispielsweise der Selbstaufzugsrotoren formen. Circa. 1.500 Vickers Härte und andere günstige Materialeigenschaften machen eine Schmierung dieser hoch belasteten Lager entbehrlich. Die Manufaktur Frédérique Constant experimentiert derzeit auch an einem Monoblock-Anker mit integrierter Welle samt den dünnen Zapfen - alles aus Keramik. Wenn das klappt, gehört Öl auch hier der Vergangenheit an.
Das Hightech-Material Keramik hält in der Tat einiges aus. Unsanfte Berührungen mit scharfen Gegenständen nehmen Keramikschalen ebenso gelassen hin wie den schabenden Kontakt beispielsweise mit der Türklinke. Natürlich gibt es auch die berühmte Kehrseite der Medaille. Der Werkstoff ist spröde. Stürze auf harte Flächen mag er gar nicht. Bedeuten sie doch leicht den Exitus der eigentlich dauerhaft schönen Gehäuse. Im Gegensatz zu normalen, gut dehnbaren Metallgehäusen, die einen Riss auffangen, bricht Keramik ohne jede Vorwarnung. Nicht zuletzt deshalb war Vorsicht immer schon die Mutter der Porzellankiste. glb