Der Chronograph zählt zu den beliebtesten Komplikationen. Doch was zählt beim Kauf eines Chronographen? Die folgenden 10 Punkte sollten Sie bei der Suche nach dem richtigen Chronographen beachten.

Der richtige Chronograph Tipp #1: Was man alles tun kann
Verkäufer: „Wofür wollen Sie Ihren Chronographen benutzen?“ Kunde: „Ihn benutzen? Daran habe ich noch gar nicht gedacht.“ Dieses Gespräch ist durchaus denkbar. Dabei dient ein Chronograph nicht nur für die Zeitmessung von Rennen, sondern bietet zahlreiche weitere Nutzungsmöglichkeiten, auch für weniger sportliche Zeitgenossen: Nudeln kochen, Parkzeiten im Blick behalten, die garantierte Pizzalieferzeit überwachen und vieles mehr. Mit einem Chronographen können Sie den kürzesten Weg zur Arbeit ermitteln oder herausfinden, wie lange ein Sofortservice tatsächlich dauert. Oder versuchen Sie dies: Wenn Ihre Frau sagt, sie sei in fünf Minuten fertig, drücken Sie den Startknopf …Rechtsanwälte und andere Berufe, die nach Zeiteinheiten bezahlt werden, können die Stunden, die sie abrechnen können, messen. Oder Sie messen Sie einmal die Zeit, die Sie auf der Straße im Stau zugebracht haben, wie lange Sie TV-Werbungen ansehen müssen oder auf den Arzt warten. Dann vergeht die Zeit bestimmt viel schneller.Noch interessanter wird es, wenn Sie gar keine Zeitintervalle messen wollen. Sie können zum Beispiel bei einem Gedankenblitz den Chronographen starten; wenn Sie später feststellen, dass er läuft, werden Sie sich an diese Idee erinnern – sofern sie gut war. Andere Einsatzzwecke erfordern, dass die Uhr bestimmte Funktionen aufweist. Zum Beispiel können viele Chronographen nicht unter Wasser genutzt werden oder nur kürzere Zeiträume messen. Manche Chronographen sind so konstruiert, dass sie kontinuierlich laufen, andere nicht (mehr dazu später). Wählen Sie sorgfältig und stellen Sie sicher, dass diese Funktionen Ihren Vorstellungen entsprechen.Der richtige Chronograph Tipp #2: Augen auf!
Eine gute Ablesbarkeit der gestoppten Zeit ist nicht mehr selbstverständlich. Früher musste man sich in Ermangelung elektronischer Hilfsmittel auf seinen Kurzzeitmesser verlassen können, und Uhrenhersteller hielten diesen Anspruch in Ehren. Heute fällt die Lesbarkeit jedoch oft Modetrends zum Opfer.

Der richtige Chronograph Tipp #3: Massenware oder Manufaktur-Chronograph?
Chronographenwerke gibt es in den unterschiedlichsten Ausprägungen: selbst entwickelt oder zugeliefert, integriert oder modular. Doch für viele ist genau das entscheidend: Hauseigene Chronographenkaliber besitzen normalerweise eine integrierte Konstruktion. Manufakturwerke bieten meist eine feine, auf die Funktion ausgerichtete Veredelung, sorgfältige Regulierung und die daraus resultierende Qualität. Meist sind sie auch schön anzusehen. Die Inhouse-Produktion erlaubt den Marken einzigartige Konstruktionen und lässt ihnen die Kontrolle über jeden Schritt im Herstellungsprozess. All das erfordert natürlich Investitionen. Deshalb ist ein Manufaktur-Chronograph teuer in der Anschaffung und oftmals auch im Service. Letzterer findet meist bei der Marke selbst statt und nimmt viel Zeit in Anspruch.
Der richtige Chronograph Tipp #4: Modular oder integriert?
Puristen bevorzugen integrierte Chronographen, da diese von Grund auf zur Kurzzeitmessung konstruiert wurden. Alle Komponenten sind für den speziellen Einsatzzweck optimiert und aufeinander abgestimmt. Das kann entscheidend sein, denn die Funktionen Start, Stopp und Nullstellung müssen sich mit wenig Kraftaufwand betätigen lassen. Wer eine schöne Ansicht des Chronographen durch den sichtbaren Gehäuseboden schätzt, liegt mit einem integrierten Uhrwerk genau richtig.
Der richtige Chronograph Tipp #5: Schaltrad- oder Kulissensteuerung?
Um die Chronographen-Funktionen zu steuern, gibt es verschiedene Konstruktionen. Das traditionelle System, das von Puristen als essenziell angesehen wird, ist das Schalt- oder Säulenrad. Es wird so genannt , weil die Schlüsselkomponente wie ein Rad aussieht, das auf der Seite liegt und eine Reihe von kleinen, vertikalen Säulen hat, die von ihm aufragen. Jeder Druck des Start-Stopp-Drückers bewegt das Rad weiter, sodass die anliegenden Chronographenhebel entweder gegen eine Säule des Schaltrads gedrückt werden oder in einen Zwischenraum fallen, um die Funktionen Start und Stopp auszuführen (die Nullstellung wird nicht über das Schaltrad gesteuert). Säulenräder sind sehr traditionell, aber teuer in Herstellung, Montage und Service. Sie sehen schön aus und sorgen für einen leichtgängigen Start-Stopp-Drücker. Mit anderen Worten: Sie eignen sich perfekt für Luxus-Chronographen.

Der richtige Chronograph Tipp #6: Gut gekuppelt
Damit der Chronograph mit dem Kraftfluss des Uhrwerks verbunden ist, gibt es ebenfalls verschiedene Techniken. Das traditionelle System ist die horizontale Kupplung: Beim Betätigen des Startdrückers wird ein beweglich montiertes Rad, das mit dem Sekundenrad mitläuft, gegen das Chrono-Zentrumsrad geschoben, bis die Zähne ineinander greifen. Das Kupplungsrad verbindet nun das Sekundenrad mit dem Chrono-Zentrumsrad, sodass der Chronograph Kraft vom eigentlichen Uhrwerk erhält.Die horizontale Kupplung ist eine optisch ansprechende Lösung, weil sie dem Träger Einblick in den Kupplungsvorgang gibt. Allerdings können beim Einkuppeln Zähne des Kupplungs- und des Chrono-Zentrumsrads direkt aufeinandertreffen und schließlich mit erhöhtem Druck einrasten, sodass der Stoppsekundenzeiger beim Starten einen Sprung nach vorn macht. Außerdem können die unterschiedlichen Zahnprofile in Uhrwerk und Stoppmechanismus vorzeitigen Verschleiß der Räder begünstigen, sodass von einem durchgehenden Gebrauch des Chronographen abzuraten ist. Zu guter Letzt verbraucht der Stoppmechanismus schlichtweg viel Kraft, da durch die zwei Räderverbindungen eine hohe Reibung entsteht. Dies verändert nicht die Gangautonomie einer Uhr, vermindert aber die Unruhamplitude und damit die Ganggenauigkeit.



Der richtige Chronograph Tipp #7: Eine Frage des Tempos
Es gibt einen direkten Zusammenhang zwischen der Unruhfrequenz und den Sekundenbruchteilen, die ein Chronograph messen kann. Somit ist die Stoppgenauigkeit in den letzten Jahrzehnten, in denen die gängige Frequenz mehrmals erhöht wurde, ständig gestiegen. Die Frequenz eines Uhrwerks wird oft in Halbschwingungen pro Stunde oder A/h ausgedrückt. Dies bezieht sich auf die Geschwindigkeit der Schwingungen der Unruh. Von oben gesehen schwingt die Unruh nach links und nach rechts hin und her. Jede Schwingung nach links oder rechts entspricht einer Halbschwingung. Dabei bewegt sich der Sekundenzeiger um einen Schritt nach vorne.Die heutzutage üblichen 28.800 Halbschwingungen pro Stunde bedeuten, dass die Unruh viermal pro Sekunde hin und viermal zurück schwingt; der Stoppsekundenzeiger macht also acht Schritte, sodass der Chronograph auf die Achtelsekunde genau stoppt. Um zu berechnen, wie viele Schwingungen pro Sekunde auftreten, dividieren Sie Halbschwingungen pro Stunde durch 3.600, entsprechend der Anzahl der Sekunden in einer Stunde. Die Antwort ist acht, was bedeutet, dass das Uhrwerk die Zeit bis auf die 1/8 Sekunden messen kann. 21.600 Halbschwingungen pro Stunde bedingen eine Sechstelsekundengenauigkeit, und 18.000 Halbschwingungen eine Fünftelsekundengenauigkeit. Eine Uhr mit einer Frequenz von 36.000 A/h kann Zeitabstände auf die Zehntelsekunde genau timen.Freilich ist zu bezweifeln, dass jemand mit gestoppten Achtelsekunden mehr anfangen kann als mit Fünftel- oder Sechstelsekunden, zumal sich die Teilstriche herkömmlicher Chronographen mit bloßem Auge kaum ablesen lassen. Ausnahmen, die eher die Möglichkeiten der Mechanik demonstrieren als einen tatsächlichen Alltagsnutzen zu bieten, stellen die Hundertstel- und sogar Tausendstelsekundenchronographen von Zenith, TAG Heuer oder Montblanc dar. Für derartige Präzisionsleistungen müssen die Chronographenmechanismen von den Uhrwerken getrennt werden und mit einer deutlich höheren Frequenz agieren.
Die Zenit Defy El Primero 21 Blue kann auf die Hundertstelsekunde genau die Zeit stoppen: Das Kaliber El Primero 9004 besitzt für die Zeitanzeige und die Chronographenfunktion jeweils voneinander unabhängig laufende Zeiger- und Räderwerke mit eigenen Regulierorganen.
ZenitDer richtige Chronograph Tipp #8: Funktionale Extras
Die bekanntesten Extras unter den Chronographenfunktionen sind die Flyback-Schaltung und der Schleppzeigermechanismus. Ein Flyback-Chronograph ermöglicht das Stoppen, Nullstellen und Neustarten einer Kurzzeitmessung „aus dem Fluge“, also mit nur einem Druck (meist auf den unteren Drücker). Der Nachteil des Flybacks liegt darin, dass der Rücksetzmechanismus es erschwert, die ermittelte Zeitspanne präzise abzulesen, denn wenn Sie den Drücker wieder loslassen, stoppt der Sekundenzeiger des Chronographen nicht, sondern springt sofort auf null zurück. Wenn Sie zum Beispiel auf eine Ziellinie schauen, um zu sehen, wann Sie den Drücker betätigen müssen, können Sie nicht gleichzeitig auf die Uhr schauen, um die gemessene Zeit abzulesen. Der Flyback ist viel nützlicher, wenn keine Sekundenbruchteile gemessen werden müssen. Diese Funktion ist zum Beispiel für Hobbypiloten hilfreich, die nach einem gewissen Zeitintervall nach einem Geländepunkt Ausschau halten müssen. Wenn sie diesen Navigationspunkt überfliegen, genügt ein einziger Druck, um die nächste Flugetappe zu timen. Aber: Auch Flyback-Chronographen lassen sich auf herkömmliche Weise nutzen. Einfach die Zeitmessung wie gewohnt mit dem oberen Drücker beenden, die Zeit ablesen und mit dem unteren Drücker nullstellen.

Der richtige Chronograph Tipp #9: Stoppen ohne Datum
Es ist eine harte Tatsache, dass einige der schönsten und begehrtesten Chronographen unserer Zeit und viele klassische Vintage-Modelle keine Datumsanzeige besitzen. Prominente Beispiele sind die Rolex Daytona, Omega Speedmaster Professional, IWC Portugieser sowie Vintage-Chronographen von Rolex, Patek Philippe, Breitling und vielen anderen Herstellern. Dabei ist das Datum für viele Uhrenliebhaber die wichtigste Zusatzinformation überhaupt. Dem funktionalen Mangel steht ein ästhetischer Vorteil gegenüber: Ohne Datumsfenster lassen sich besonders ausgewogene, symmetrische Designs realisieren. Also: Entweder Sie besitzen bereits Uhren ohne Datum und empfinden dabei keinen Mangel. Oder Sie ergänzen Ihre Sammlung, die aus lauter Uhren mit Datum besteht, um einen einzigen, besonders schönen Chronographen ohne Datumsanzeige.
Der richtige Chronograph Tipp #10: Halt, es gibt noch mehr!
Vom Stoppsekundenzeiger lassen sich weitaus mehr Informationen ablesen als die Stoppzeit. Die häufigste Zusatzfunktion ist eine Tachymeterskala. Sie hilft, anhand von Entfernungen und der gestoppten Zeit Durchschnittsgeschwindigkeiten zu ermitteln: Bei einer Streckenmarkierung startet ein Autofahrer den Chronographen und stoppt ihn nach einem Kilometer. Der Sekundenzeiger zeigt nun die Durchschnittsgeschwindigkeit in Stundenkilometern an. Dasselbe funktioniert auch mit anderen Längeneinheiten wie Meilen; das Ergebnis ist dann eine Geschwindigkeitsangabe in Meilen pro Stunde. Die Skala endet normalerweise mit der 60, denn dann hat der Zeiger das Zifferblatt einmal umrundet. Es gibt aber schneckenförmige oder konzentrische Skalen – meist im Zifferblattzentrum –, die geringere Geschwindigkeiten anzeigen.Hanhart Pioneer TachyTele mit schneckenförmiger Tachymeterskala im Zifferblattzentrum © Hanhart
Die Pioneer TachyTele von Hanhart besitzt zusätzlich zur Tachymeterskala im Zifferblattzentrum noch eine Telemeterskala am Zifferblattrand. Sie hilft, Distanzen zu ermitteln: Man startet den Chronographen bei einem Blitz oder, im militärischen Einsatz, beim Aufleuchten eines Mündungsfeuers in großer Entfernung. Er wird gestoppt, wenn man den zugehörigen Donner oder Gewehrschuss hört. Der Stoppzeiger weist nun auf eine Distanz von maximal 20 Kilometern.
Atem- und Pulsfrequenz:
Der Asthmometer-Pulsometer Chronograph von Longines bietet gleich zwei medizinische Zusatzanzeigen (Longines)
Neben Tachy- und Telemeter gibt es weitere historisch überlieferte Zusatzfunktionen: Die Pulsometerskala dient der Feststellung der Pulsfrequenz, ohne dass der Uhrenträger eine volle Minute abwarten muss. Nach einer gewissen Anzahl von Pulsschlägen zeigt der Chronograph die Pulsfrequenz pro Minute an. Meist ist die Skala auf 30 Schläge geeicht, wie sich am Zifferblattrand ablesen lässt. Deutlich seltener ist die Asthmometerskala, die die Atemfrequenz schon nach wenigen Atemzügen anzeigt. Diese Funktion bietet beispielsweise der Asthmometer-Pulsometer Chronograph von Longines, dessen Skala auf fünf Atemzüge berechnet wurde. Man startet den Chronographen und stoppt ihn, wenn die angegebene Anzahl Atemzügen gezählt wurde. Der Sekundenzeiger zeigt auf die Anzahl der Atemzüge pro Minute auf der Skala.
Fortlaufend aktualisierter Artikel, ursprünglich online gestellt im Mai 2014.