Die Chronomaster Sport von Zenith leitet eine neue Ära der Kurzzeitmessung ein. Ihr El Primero 3600 präzisiert die Anzeige der Zehntelsekunde, deren Messung das einzigartige Chronographenkaliber seit über 50 Jahren bietet. Wir testen, wie genau der Chronograph die Sekundenbruchteile festhält.
Eigentlich sollte das neue El Primero bereits vor zwei Jahren, zu seinem 50. Geburtstag lanciert werden. Damals erschien es allerdings "nur" in limitierter Auflage von 50 Exemplaren in einer Chronomaster 2 El Primero, und zwar zusammen mit einer El Primero A386 Revival und einer Defy El Primero 21 in der Jubiläums-Trilogie '50 Jahre El Primero'. Mit dem Serienmodell der Chronomaster Sport geht nach nochmaliger Optimierung nun auch das El Primero 3600 in die industrielle Fertigung und stellt sich zum Auftakt der 2021er-Zenith-Kollektion in vier verschieden Modellen vor. Die Chronomaster Sport hat ihren Auftritt mit matt-schwarzem oder matt-weißem Zifferblatt, am schwarzen oder blauen Kautschukband mit Cordura-Effekt oder am Edelstahlband, jeweils mit Sicherheitsfaltschließen versehen. Um gleich bei letzterer zu bleiben: Innerhalb der Schließe besteht beim Edelstahlband die Möglichkeit, dieses über fünf Fixierungspunkte um etwa einen Zentimeter zu variieren. Zudem lässt es sich über verschraubte Glieder im Bereich der Schließe komfortabel verlängern oder kürzen. Leider vermisst man am anderen Ende die heute bereits weit verbreiteten Schiebestifte in den Bandstegen, die zu einem komfortablen Bandwechsel beitragen würden. Am reichlich 40 Millimeter großen und bis zehn Bar druckfesten Gehäuse dockt das Edelstahlband mit festen Anschlussstücken an und bildet die derzeit angesagte "integrierte" Gehäuse-Band-Konstruktion. Dadurch kommt das größtenteils auf Hochglanz polierte Gehäuse von sechs nach zwölf Uhr gemessen auf 46,02 Millimeter Länge, während es, über die Lünette gemessen, unter den vom Hersteller angegeben 41 Millimetern bleibt. Wie auch immer, mit ihren moderaten Maßen und dem geschmeidigen Edelstahlband sitzt die Chronomaster Sport ganz charmant am Handgelenk.
Die Zehntelsekunden sind in die Lünette eingraviert
Oben auf dem Gehäuse sitzt bei allen Modellen eine schwarze, polierte Keramiklünette, in die modellprägend eine Zehntelsekundenskalierung eingraviert ist. Modellprägend sind auch die drei Counter in Blau, Hell- und Dunkelgrau auf dem Zifferblatt. Sie zitieren die A386 aus dem Jahr 1969, jenes Modell, das mit als erstes vom El Primero angetrieben wurde. Konventionell kommt die permanente Sekunde auf dem hellgrauen Hilfszifferblatt bei neun Uhr zur Anzeige – wie schon beim ganz ursprünglichen El Primero 400 aus dem Jahr 1969.
Das neue El Primero 3600 verfügt nun allerdings über den lang ersehnten Sekundenstopp. In diesem Zusammenhang wurden auch die Kronenpositionen verändert, die nun der weit verbreiteten Reihenfolge von Handaufzug, Datumsschnellschaltung und Zeigerstellung folgen. Das gerändelte Bedienteil mit dem Zenith-Stern "auf dem Kopf" lässt sich ganz gut mithilfe des Fingernagels in die einzelnen Positionen ziehen, wobei sich bei der zur Zeigerstellung uhrwerkseitig eine kleine Feder an den Unruhreif legt, um diesen anzuhalten. Die Datumsschnellschaltung erfolgt durch Drehen der Krone im Uhrzeigersinn in ihrer mittleren Position. Beim Datum selbst fällt auf, dass sich dessen Position nochmals verändert hat: Wurde es bei der Chronomaster 2 El Primero in der Jubiläumsedition bei sechs Uhr angezeigt, befindet es sich jetzt – wie beim klassischen El Primero 400 – wieder zwischen vier und fünf Uhr. Bei laufender Uhr wechselt es augenblicklich und ziemlich genau um Mitternacht.
Zuverlässige Kurzzeitmessung bis zu einer Stunde
Signifikant sind die Unterschiede bei den beiden weiteren Countern. Die Stoppsekunden werden beim El Primero 3600 nämlich nicht aus der Mitte, sondern auf dem dunkelblauen Hilfszifferblatt bei drei Uhr angezeigt. Das heißt, der Zeiger umrundet – wie die kleine Sekunde gegenüber – einmal in der Minute das kleine Blatt. Auf dem dunkelgrauen Counter bei sechs Uhr werden die Chronographen-Minuten festgehalten – nicht 30, wie bei den meisten Stoppern, sondern 60. Somit erfolgt die Wahrnehmung der gestoppten Minuten ganz intuitiv, weil die Bewegung des Chronographenzeigers der eines normalen Minutenzeigers gleicht – eine Umdrehung in der Stunde. Wie bei der "normalen" Minutenanzeige vollführt auch der Chronographen- Minutenzähler eine permanente Bewegung und wird nicht, wie bei zahlreichen anderen Chronographen, zur vollen Stoppminute eine Position weiter geschaltet. Da es keinen Stundenzähler gibt, sind zuverlässige Messungen mit der Chronomaster Sport nur innerhalb einer Stunde möglich.
Völlig neu ist die Konfigurierung des Chronographenzeigers aus der Mitte. Er umrundet einmal in zehn Sekunden das Zifferblatt. Dadurch kommt die Zehntelsekunde wesentlich genauer – allerdings nicht am Zifferblattrand, sondern auf der glänzend-schwarzen Keramiklünette – zur Anzeige. Aber auch die Sekunde ist besser wahrnehmbar, wenn man beim Ablesen gestoppter Zeitintervalle gegenüber herkömmlichen Chronographen etwas umdenkt und kombiniert: Die Minuten werden bei sechs Uhr abgelesen, das scheint klar, die Sekunden bei drei Uhr. Da die Anzeige allerdings recht klein ist, kann – beziehungsweise sollte man sogar – zum Ablesen der gestoppten Sekunden auch die Zehntelsekundenskalierung auf der Keramiklünette zu Hilfe nehmen – nämlich, indem man diese als ein Zeitintervall von zehn Sekunden, zum Beispiel zwischen 20 und 30 Stoppsekunden versteht. In welchem Zehnerintervall man sich gerade befindet, ist auf dem Stoppsekunden-Counter bei drei Uhr auf einen schnellen Blick zu erkennen. Mithilfe der Zehnerskalierung auf der Lünette lassen sich dann die einzelnen Sekunden präzisieren, beispielsweise 04 für 24 Sekunden. Je nachdem, wo der zentrale Stoppsekundenzeiger genau anhält, liest man anschließend noch die Zehntelsekunden ab. Die Präzision der Zehntelsekundenlünette ist über jeden Zweifel erhaben und kann zum Beispiel auch klären, ob der Stoppsekundenzeiger erst nach 24,1 Sekunden oder doch schon nach 23,9 Sekunden zum Stehen gekommen ist. Pfennigfuchser oder Erbsenzähler möchte man meinen. Aber genau für diese Menschen, für die bedeutende Momente Sekundenbruchteile dauern, ist die Chronomaster Sport gemacht – so zumindest die Philosophie von Zenith. Möglich wird diese penible Anzeige durch eine innovative Weiterentwicklung des mit 36.000 Halbschwingungen in der Stunde arbeitenden einzigartigen El Primero zum Kaliber 3600. Der wesentliche Unterschied des El Primero 3600, das in seinen Grundfesten dem El Primero 400 vollkommen gleicht, besteht darin, dass auf der Achse des Sekundenrades nun kein zweites Sekundenrad mehr die Verbindung zum Chronographen-Zentrumsrad und damit dem Stoppsekundenzeiger in der Mitte herstellt. Stattdessen baut eine patentierte Kupplung über zwei Räder eine direkte Verbindung zwischen dem Hemmungsrad und dem Chronographen-Zentrumsrad auf. Die Übersetzungen der horizontalen Räderkupplung im El Primero 3600 sind dabei so gewählt, dass der Sekundenzeiger aus der Mitte exakt 100 Schritte in zehn Sekunden macht und sich in dieser Zeit um 360 Grad dreht, also genau einmal das Zifferblatt umrundet.
Die Konstruktion ist mit einem Foudroyante-Mechanismus vergleichbar, bei dem sich der Zeiger schrittweise im Takt der Unruhfrequenz einmal pro Sekunde um 360 Grad dreht und auf diese Weise die Sekundenbruchteile darstellt.
Spezielle Zehntelsekunden verlangt dem Werk viel Kraft ab
Für den Mechanismus im El Primero 3600 und dessen Energiemanagement mussten alle Räder und Wellen, ja selbst die einzelnen Zahnformen vollkommen, neu berechnet werden.
Welche Kraft der schnelle Zeiger dem Uhrwerk abverlangt, zeigen allein die Amplituden, die von durchschnittlich 277 Grad bei Vollaufzug im Normalbetrieb auf 232 Grad im Chronographenbetrieb fallen. Das Uhrwerk selbst wird dabei auch ein bisschen langsamer, während es ansonsten recht ausgewogen mit etwa zwei, drei Sekunden im Plus am Tag läuft. Die überarbeiteten Räder und Zahnprofile tragen auch zur erhöhten Gangautonomie von 50 auf 60 Stunden bei.
Das alles wurde nur durch computergestützte, inhouse-entwickelte Algorithmen möglich – Verfahren, wie sie vor mehr als 50 Jahren, als das ursprüngliche El Primero 400 entwickelt wurde, undenkbar waren.Der Stern im Zenit(h) auch beim El Primero 3600Ganz konventionell hält Zenith aber an der horizontalen Räderkupplung und der klassischen Schaltradsteuerung fest, die durch zwei Retro-Drücker im Pumpenstil an der rechten Gehäuseflanke ausgelöst wird. Wie man es von einer Schaltradsteuerung gewöhnt ist, sind die Druckpunkte sicher und gleichmäßig, wobei das Starten des Chronographen nach etwas mehr Nachdruck verlangt. Auch wenn die dünne Zehntelsekunden-Nadel über das Zifferblatt flitzt, bleibt die Zeitanzeige über große, balkenförmige Zeiger und kräftige, facettierte Indizes dominant. Erst recht bei Dunkelheit, wenn die Hauptzeiger und die zur Zifferblattmitte weisenden Facetten der Stundenappliken in kräftigem Grün erstrahlen. Die Enden der Chronographenzeiger sind rot markiert, leuchten aber bei Dunkelheit nicht. Gleiches gilt für die Kleine Sekunde. Die feine Sekundenmarkierung am Zifferblattrand ist hier für das Ablesen der Stoppfunktion nicht relevant, markiert aber Geschichte und Präzision des El Primero, wobei der zentrale Stoppsekundenzeiger auch an dieser Stelle auf die Zehntelsekunden- Bruchteile verweist. Beinahe unscheinbar nimmt sich das steile silberne Zifferblattrehaut aus, auf dem ebenfalls mit hundert feinen Linien die Zehntelsekunden vermerkt sind.
Den schönen Chronographen-Mechanismus kann man durch einen mit vier Schrauben fixierten Saphirglasboden bestaunen. Vor allem das Ein- und Ausschwenken der horizontalen Kupplung und die Vorgänge am gebläuten Schaltrad sind ein Augenschmaus. Schlechter zu erkennen sind dagegen die Hemmungsteile aus Silizium. Und scheinbar über alles erhaben und ganz symbolisch dreht sich über dem El-Primero-Universum ein skelettierter Rotor mit dem Zenith-Stern. MaRi