Patek Philippe ist immer für eine Überraschung gut. Zunächst trennt sich die Manufaktur von der Genfer Punze und erhebt für die hoch entwickelten Uhrwerke mit dem Patek-Philippe-Siegel einen eigenen Qualitätsstandard. Und dann wird das neue, komplizierte Kaliber CH 29-535 PS auch noch zuerst in einen Damen-Chronographen eingebaut.
Mit dem Kaliber CH 29-535 PS beginnt eine neue Ära in der Chronographen-Geschichte von Patek Philippe. Es ist das Ergebnis aus fünf Jahren Entwicklungsarbeit, mit dem die Manufaktur nun ein Handaufzugs-Chronographenwerk besitzt, das komplett in den eigenen Ateliers entwickelt und gefertigt wird. Über kurz oder lang löst es das Kaliber CH 27-70 ab, welches auf jenem Nouvelle-Lemania-Werk basiert, das unter Liebhabern als das schönste traditionelle Chronographenwerk gilt. In Technik und Ausführung darf sich das CH 29-535 PS jedoch als würdiger Nachfolger sehen. Es handelt sich um eine Schaltradkonstruktion mit horizontaler Kupplung, die ganz in der Tradition klassischer Uhrmacherei steht. Andererseits zeichnet sich das Uhrwerk durch sechs patentierte oder zum Patent angemeldete Innovationen aus, die alle der Steigerung von Zuverlässigkeit, Funktionalität und Leistungsfähigkeit des Chronographen dienen. Das Kaliber CH 29-535 PS erweitert die Patek-Philippe-Werkpalette auf mehr als 20 Basiskaliber, die in über 45 Ausführungen gefertigt werden.
Feinste Technik auf kleinstem Raum
Seine komplexe Mechanik ist auf denkbar kleinem Raum untergebracht. Das Kaliber misst nur 5,35 Millimeter in der Höhe bei einem Durchmesser von 29,6 Millimetern. Die Stoppsekunde wird aus der Mitte angezeigt, die kleine Sekunde bei neun Uhr, und ein augenblicklich springender 30-Minuten-Zähler befindet sich bei drei Uhr. Die große, vierarmige Gyromax-Unruh schwingt mit 28.800 Halbschwingungen in der Stunde. Das Federhaus hält eine Gangautonomie von 65 Stunden vor; läuft der Chronograph mit, sind es noch über 58 Stunden. Das Uhrwerk verfügt über einen Sekundenstopp.
Wie bereits angedeutet, wird das Kaliber CH 29-535 PS komplett nach den Qualitätskriterien des Patek-Philippe-Siegels gefertigt. Das heißt, es präsentiert sich als Meisterwerk der Ästhetik und handwerklichen Kunstfertigkeit. Den Beweis dafür treten die eleganten Formteile und die Brücken "a l’ancienne" an, die sorgfältig angliert, poliert und mit Genfer Streifen versehen sind. Die Kupplungswippe ist in klassischer S-Form gehalten. Die raffinierte Ausführung und Anordnungen der Chronographenbrücken dienen einer effizienten Kraftübertragung vom Federhaus bis zum Regelorgan und damit einem stabilen und präzisen Gang. Zu den sechs patentierten Weiterentwicklungen zählen die Räder des Chronographenmechanismus mit ihrem optimierten Zahnprofil.
Dieses wurde 2005 im extraflachen Doppelchronographenwerk CH R 27-525 PS erstmals vorgestellt. Es schließt das Risiko eines Zeigersprungs beim Starten des Chronographen aus und unterdrückt das Vibrieren des Chronographenzeigers. Die optimierte Energieübertragung erhöht zudem den Wirkungsgrad des Chronographen und reduziert die Reibung und damit die Abnutzung im Uhrwerk.
Über ein großes exzentrisches Hütchen auf dem Schaltrad und die Spitze der Kupplungswippe (anstelle des üblichen Exzenters in der Nähe des Kupplungsrades) wird die Feineinstellung der Eingriffstiefe des Kupplungsrades in das Chronographen-Zentrumsrad verbessert. Die Synchronisierung von Kupplungshebel und Stopphebel wird üblicherweise über das Schaltrad vorgenommen.
Beim Kaliber CH 29-535 PS ist dieser Zwischenschritt eliminiert und die Kupplungswippe mit einem zusätzlichen „Finger“ ausgestattet, der die beiden Hebel direkt miteinander synchronisiert. Diese Lösung vereinfacht die Feinregulierung der Steuerbefehle und erhöht ihre Präzision, weil man nur noch an einer Stelle – anstatt wie bisher an zweien – eingreifen muss. Zudem wird das „Ausschlagen“ des Chronographenzeigers beim Starten und Stoppen des Chronographen unterdrückt.
Um ein schlagartiges Blockieren beim Nullstellen und das dadurch ausgelöste Vibrieren des Chronographen-Zeigers zu verringern, ist die Minutenzählernocke mit einem Schlitz versehen. Die Herzhebel zum Nullstellen des Chronographen sind mit einem System zur Selbstjustierung ausgestattet, das ein mechanisches Nachbearbeiten des Minutenherzhebels überflüssig macht und dadurch die Zuverlässigkeit erhöht.
Schließlich sind die beiden Herzhebel voneinander unabhängig auf derselben Achse zwischen Rubinen gelagert. Jeder Herzhebel wird mithilfe seiner eigenen Feder an das jeweilige Nullstellherz gedrückt. Dieses System garantiert die präzise Ausrichtung der Herzhebel und verbessert zugleich deren Lagerung.
Das Kaliber CH 29-535 PS ist in ein kissenförmiges Gehäuse aus 18 Karat Roségold eingeschalt, das von den Patek-Philippe-Artdéco-Uhren aus den 1930er-Jahren inspiriert ist. Rund um das Zifferblatt sind auf außergewöhnliche Weise 136 Brillanten unter dem Saphirglas arrangiert. Die Zifferblätter gibt es mit guillochiertem Flammen-Dekor in opalsilberfarbener und schwarzer Ausführung. Deren Hilfszifferblätter für die kleine Sekunde und den 30-Minuten-Zähler sind leicht versetzt, etwas unterhalb der mittleren Zeigerachse angeordnet. Zudem setzen ihre asymmetrisch gestalteten Schienenskalen auffallende Akzente. Zu haben ist der Damen-Chronograph für 82.333 Euro.
Die Zifferblätter entstehen übrigens beim Unternehmen Fluckiger, welches das UHREN-MAGAZIN besuchen durfte. Die Fluckiger S.A., deren handwerkliche Traditionen bis in das Jahr 1860 zurückreichen, ist seit 2004 ein Unternehmen von Patek Philippe. 95 Prozent der Patek-Philippe-Zifferblätter entstehen in dieser Fabrik, auch das des Ladies First Chronographen.
Das Unternehmen beherrscht zahlreiche außergewöhnliche Techniken in der traditionellen Zifferblattfertigung, aber auch ebenso innovative Prozesse, wie zum Beispiel die einer hochmodernen Galvanik. Auf diese Weise schreibt Fluckiger die Philosophie der Genfer Edelmanufaktur in den Uhrengesichtern fort. Erwähnt seien der Umgang mit Farben, das Aufbringen von Lacken und Drucken, das Handapplizieren von Indexen – für Patek Philippe ausschließlich in Gold – oder das Guillochieren, ein Handwerk, in dem seit reichlich einem Jahr bei Fluckiger wieder ausgebildet wird. All diese Techniken kann man auf den Zifferblättern der Ladies First Chronographen wiedererkennen.
Außergewöhnliche Zifferblätter und Gehäuse
70 Mitarbeiter zählt das Unternehmen – ausgemachte Spezialisten, aber auch angelernte Kräfte, keine Designer. Die Entwürfe kommen vom Hersteller, die technische Beratung erteilt Fluckiger. Monate vergehen von der Idee bis zum Prototyp und vom Prototyp bis zum Serienprodukt. Soweit man vom Serienprodukt sprechen kann, denn viele Zifferblätter darf man auf Grund des hohen Anteils an traditionell handwerklichen Schritten durchaus als Unikate ansehen.
Über den Zifferblättern der Ladies First Chronographen kreisen blattförmige Stunden- und Minutenzeiger aus Roségold mit Leuchtbeschichtung, der zentrale Flèche-Chronographenzeiger und die feinen Stabzeiger des Chronographen-Minutenzählers sowie der kleinen Sekunde. Die überlangen, von Hand applizierten römischen Ziffern Sechs und Zwölf sowie sechs Stabindexe vervollkommnen das Bild. Auf der Rückseite kann man durch den Saphirglasboden das neue Kaliber CH 29–535 PS bewundern. Ladies First – das Ensemble aus 269 Einzelteilen – bleibt nur kurze Zeit den Frauen vorbehalten. Nach der Lancierung der Damenuhr im November 2009 wurde bereits im März 2010 das Kaliber CH 29-535 in einer Herrenarmbanduhr präsentiert. Damit wurde ein lang ersehnter Wunsch vieler Sammler und Liebhaber endlich Wirklichkeit – ein Patek-Philippe-Chronograph mit eigenem Manufakturkaliber. mari