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Die Platine: Fundament des Uhrwerks

Sie ist das Fundament, auf dem das Uhrwerk ruht: die Platine. Gemeinsam mit den Brücken und Kloben sorgt sie dafür, dass zusammenhält, was sich dreht, tickt und schwingt.
Kaliber 2910 von Audemars Piguet
©

Audemars Piguet

Die Montage des Uhrwerks beginnt mit der Platine

Anfang und Ende des Uhrwerks, Basis und Abschluss: Die vordere und die hintere Platine umfassen das Werk einer Uhr. Sie sind mehr als bloße Platten – sie sind wie Landkarten, die den Aufbau des Uhrwerks vorgeben. Ihre komplizierte Struktur entsteht durch Drehen, Fräsen, Bohren und Gewindeschneiden. Mit exakt angebrachten Bohrungen gewähren sie später allen Wellen (Uhrmachersprache für Achsen) des Räderwerks sowie Brücken und Kloben dauerhaften und sicheren Halt. Eingepresste Steinlager dienen zur Aufnahme von Zapfen, Ausdrehungen lassen Zahnrädern Platz, verstiftete oder verschraubte Pfeiler fixieren die vordere und die hintere Platine und halten sie auf Abstand.

Vacheron-Constantin-Kaliber 1440 Unterzifferblattansicht

Mit Perlage verzierte Platine: das Vacheron-Constantin-Kaliber 1440 unter dem Zifferblatt

© Vacheron Constantin

Die Grundplatine ist – obwohl sie das Zifferblatt trägt – aus Sicht des Uhrmachers der untere Teil der Uhr, auf dem alle Komponenten und Mechanismen des Werks aufgebaut werden. Die Montage des Uhrwerks beginnt stets mit der Platine. Sie hat die volle Uhrwerkform und besteht in der Regel aus Messing, manchmal - bei A. Lange & Söhne immer - auch aus Neusilber. Dieses Ausgangsmaterial wird meist vernickelt, versilbert, vergoldet oder rhodiniert. Auch Brücken und Kloben bestehen meist aus diesen beiden Werkstoffen.

A. Lange & Söhne: Manufakturkaliber L121.1

Glashütter Spezialität: die Dreiviertelplatine, hier beim Manufakturkaliber L121.1 von A. Lange & Söhne

© A. Lange & Söhne

Was man von außen sieht: Die obere Platine

Während die untere Platine die volle Uhrwerkform hat, ist die obere mit Ausschnitten für Unruh und Hemmung versehen. Zum Teil kann sie auch durch einzelne Brücken oder Kloben ersetzt werden. Diese sind die Kollegen der Platine: Sie dienen als Lagerträger für die Räderwellen des Uhrwerks. Denn bewegliche Teile wie die Triebe der Räder und die Unruhwelle müssen beidseitig gelagert werden. Die Brücken liegen an beiden Enden auf der Grundplatine auf, sind dort mit Stellstiften und Schrauben fixiert und spannen sich – brückenartig – über Platine und Räder. An ihrer Unterseite sind sie ausgefräst und tragen die Lagersteine zur Aufnahme der oberen Zapfen der Räder. Klassischerweise gibt es vier Brücken: für das Federhaus, das Räderwerk, den Anker und die Unruh (sie ist oft als Unruhkloben ausgeführt, der nur mit einer Seite auf der Grundplatine aufliegt). Allerdings gibt es zu dem beschriebenen Aufbau viele Varianten. So können die erstgenannten drei Brücken beispielsweise durch eine sogenannte Dreiviertelplatine ersetzt werden.

Zeichnung einer Dreiviertelplatine bei Glashütte Original

Zeichnung einer Dreiviertelplatine bei Glashütte Original

© Glashütte Original

Fixiert werden Brücken und Kloben mit Passstiften auf der Grundplatine. Diese sorgen dafür, dass die beiden erstgenannten nach dem Zerlegen eines Uhrwerks beim Zusammenbau wieder genauso auf der Grundplatine sitzen wie vorher. Passstifte sind an der Unterseite eines Klobens oder einer Brücke angebracht und passen genau in die entsprechenden Bohrungen der Platine. Um das zu bewerkstelligen, bedarf die Herstellung aller Teile äußerster Präzision.

Löcher sind gebohrt, Aussparungen gefräst. Noch ist der Rohling vom Haltering umgeben.
Vor der Vollendung: Löcher sind gebohrt, Aussparungen gefräst; noch ist der Rohling vom Haltering umgeben © Glashütte Original

Die Werkplatte ist der wichtigste Teil des Uhrwerks

Bei Glashütte Original entstehen die Platinen ähnlich wie oben beschrieben. Ausgangsmaterial für Platinen sind schlichte Messingbänder, aus denen Ronden ausgestanzt werden. Diese haben einen größeren Durchmesser als die fertige Werkplatte – der Überstand dient als Haltering, damit der Rohling während der weiteren Bearbeitung fixiert werden kann. Denn nun beginnt ein umfangreiches Programm für das Messingplättchen: Zunächst wird es zwischen Schleifscheiben auf Maß geschliffen – diesen Arbeitsgang nennt man auch "läppen". Ziel ist es, die gewünschte Stärke auf 5 Tausendstelmillimeter zu erreichen sowie absolute Parallelität und Planheit zu schaffen. Vor und nach dem Schleifen wird der Rohling geglüht, damit sich die Spannung abbaut, die durch die Bearbeitung entstanden ist. Außerdem werden die Teile nach jedem Arbeitsschritt – dies gilt auch für die folgenden – im Ultraschallbad penibel gereinigt. Qualitätskontrollen und Prüfung auf korrekte Maße finden ebenfalls ständig statt.

CNC-Fertigung: Der Rohling erhält Fräskonturen und Bohrungen
CNC-Fertigung: Der Rohling erhält Fräskonturen und Bohrungen; das Öl dient zur Kühlung und Schmierung © Glashütte Original
Nach dem Läppen folgt der entscheidende Arbeitsschritt: Jeweils 20 Rohlinge werden in einer Platte in eine CNC-Maschine eingelegt. Zunächst werden auf einer Seite die Fräskonturen und Bohrungen hergestellt, die später zur Aufnahme von Stiften, Lagersteinen oder Rädern dienen. Ist die erste Seite fertig, werden die Platten abgenommen, gründlich geprüft und vermessen. Dann erst werden sie wieder in die Maschine eingelegt, damit die zweite Seite bearbeitet werden kann.
Platine von Glashütte Original in Bearbeitung

Platine von Glashütte Original in Bearbeitung

© Glashütte Original
Dabei muss immer wieder das Werkzeug gewechselt werden – eine aufwändige Bearbeitungsprozedur. Insgesamt rund fünf Stunden dauert es immerhin, bis auch eine hochmoderne CNC-Maschine die 20 Platinen bearbeitet hat. Nun benötigt die Werkplatte den Haltering nicht mehr: Der Überstand des Rohlings wird abgedreht und die Platine auf den korrekten Durchmesser gebracht.
Kontrollieren: Das Höhenspiel und die Bohrungen der Werkplatine werden akribisch vermessen.

Kontrollieren: Das Höhenspiel und die Bohrungen der Werkplatine werden akribisch vermessen.

© Glashütte Original
Danach gelangt sie auf den Tisch eines Handwerkers: Das Teil wird von Hand unter der Lupe entgratet, das heißt, dass der dünne, scharfe Rand, der bei der Formgebung entsteht, durch Abschleifen beseitigt wird. Zudem werden Späne entfernt, es wird gestrahlt beziehungsweise bremoriert. Diese Technik entspricht dem Sandstrahlen, allerdings wird dabei ein feines Bronzepulver mit Pressluft auf die Platine geblasen. Das Ergebnis: eine glatte, samtige Oberfläche.
Bremorieren: Wie beim Sandstrahlen wird ein feines Bronzepulver mit Pressluft auf die Platine geblasen.
Bremorieren: Wie beim Sandstrahlen wird ein feines Bronzepulver mit Pressluft auf die Platine geblasen © Glashütte Original
So verschönt und perfektioniert beginnt die Montage: Von Hand werden die Lagersteine aus synthetischem Rubin in die vorgebohrten Löcher gelegt und mit Hilfe einer Maschine eingepresst, auch mit den später benötigten Pfeilern und Stiften wird so verfahren. Ab jetzt geht es nur noch um die Optik der Platine: Mit Hilfe einer von Hand geführten Maschine werden Zierschliffe aufgebracht. Bei vielen hochwertigen Kalibern wird die Werkplatte mit einem runden Muster, der Perlage, verziert. Es ist häufig auf der Zifferblattseite der Werkplatine zu finden, ebenso auf dem Ankerkloben sowie unter dem Unruhkloben auf der Räderwerkseite.
Perlieren: Das Muster entsteht, indem die Platine von Hand gedreht und der Polierstift erneut angesetzt wird.
Perlieren: Das Muster entsteht, indem die Platine von Hand gedreht und der Polierstift erneut angesetzt wird © Glashütte Original
Die Dreiviertelplatine und der Unruhkloben tragen den Glashütter Bandschliff, der äußerlich weitgehend den Genfer Streifen entspricht. Auf die Dekoration folgt die Vollendung im galvanischen Bad: Die Teile werden zunächst vernickelt und schließlich rhodiniert. Diese Rhodiumschicht hat nicht nur die optische Verschönerung im Sinn, sondern schützt auch das Messing. Da die aufgebrachten Schichten mit nur einigen Tausendstel Millimetern hauchdünn sind, bleiben die aufwändigen Zierschliffe sichtbar. Jetzt sind Platine, Brücken und Kloben bereit für den Weg zum Uhrmacher: Unter seinen kundigen Händen wird das Halt gebende Trio mit Zahnrädern, Unruh, Federhaus und all den anderen Teilen komplettiert, damit das Uhrwerk seine Arbeit aufnehmen kann.
IWC Kaliber 52615
Die Platine des IWC Kalibers 52615 ist perliert © IWC
IWC Manufakturkaliber Glashütte Original Wissen Schweizer Uhren Glashütte Uhren A. Lange & Söhne Archiv

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