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Im Porträt: Das Erfolgsgeheimnis von Nomos Glashütte

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Mehr als in anderen Branchen ist die Erfolgsgeschichte einer Uhrenmarke auch immer das Ergebnis eines guten Marketings. Für Nomos Glashütte trifft das in ganz besonderem Maße zu: In den Anfangsjahren, nachdem Roland Schwertner das Unternehmen 1990 gegründet hatte, sorgten die Anzeigen, die Nomos beispielsweise wöchentlich im "Spiegel" schaltete, in der Uhrenbranche für Gesprächsstoff, weil sie witzig formuliert waren und so gar nicht dem entsprachen, was man von der Luxusbranche Uhren in Bezug auf Werbung gewohnt war.
Bahnhof Glashütte: Der Hauptsitz von Nomos Glashütte liegt direkt an der Hauptstraße. © PR
Kombiniert mit dem markanten Design, das bis heute fast unverändert ist und sich an den Prinzipien des Deutschen Werkbunds orientiert, erlangten Uhren von Nomos Glashütte sehr schnell Kultstatus in bestimmten Kreisen. Zu diesen Kreisen – Journalisten, Grafiker, Architekten, eben all jene, die auch gerne unter dem Dach der "Kreativen" subsumiert werden – gehört auch Judith Borowski. Die junge Journalistin volontierte in den 1990er-Jahren in Hamburg und wusste genau, wie sie ihr erstes Redakteursgehalt anlegen wollte: in eine Tetra von Nomos. "Leider war die dann doch ein bisschen zu teuer für mich", erinnert sich Borowski, und es ist ihr fast ein bisschen unangenehm, wenn sie erzählt, wie sie dennoch an ihre Tetra gekommen ist. Sie rief einfach Roland Schwertner an und fragte, ob er ihr nicht einen Rabatt einräumen könnte. Schwertner zierte sich ein wenig, ließ sich aber darauf ein, unter einer Bedingung: Borowski müsse mit ihm ein Bier trinken gehen, wenn sie mal in Dresden vorbeikäme.
2014 stellte Nomos Glashütte die vier Tetra-Varianten namens "Berliner Mischung" vor. © PR
Es sollte noch zwei Jahren dauern, bis Borowski dieses Versprechen einlöst, aber dann beginnt die Geschichte von Nomos Glashütte als "Werbeagentur mit angeschlossener Uhrenmanufaktur", wie Fachjournalisten den Uhrenhersteller auch scherzhaft nennen. Denn zu der Zeit, als das Treffen in Dresden stattfand, war Borowski auf der Suche nach neuen Perspektiven: "Ich hatte bei der ARD viele Nachtschichten und wollte weg vom tagesaktuellen Journalismus." Sie zog vom teuren Hamburg in das damals noch erheblich günstigere Berlin und machte sich selbstständig. Nomos Glashütte war ihr erster fester Auftraggeber, zunächst nur fünf, sechs Tage im Monat, aber schon sehr bald nahm die Uhrenmanufaktur sie komplett in Beschlag. Die Agentur Berlinerblau wurde als hundertprozentiges Tochterunternehmen der Manufaktur gegründet. Borowski wurde zunächst Geschäftsführerin von Berlinerblau und 2003 Mitgesellschafterin von Nomos Glashütte.
Die Agentur Berlinerblau ist ein Tochterunternehmen von Nomos Glashütte. Dort arbeiten mehrere Dutzend kreative Köpfe. © PR

Bauch, Kopf und Herz von Nomos Glashütte finden zusammen

Zum gleichen Zeitpunkt wurde auch Uwe Ahrendt Mitgesellschafter. Der technische Vordenker und Geschäftsführer von Nomos stammt aus einer alteingesessenen Glashütter Familie, in der der Beruf Uhrmacher häufig ausgeübt wurde. Auch der 16-jährige Uwe lernte zunächst beim VEB Glashütte Werkzeugmacher. Anschließend studierte er Maschinenbau und Wirtschaftswissenschaften und ging in die Schweiz, um bei IWC in Schaffhausen erste berufliche Erfahrungen zu sammeln. In den folgenden Jahren erlebte Glashütte seine Wiedergeburt als Uhrenfabrikationsstandort, und so konnte Ahrendt in seine Heimat zurückkehren, ohne Karriereeinbußen in Kauf nehmen zu müssen: Er fing bei A. Lange & Söhne an und wurde dort Produktionsleiter. Doch auch Roland Schwertner interessierte sich für Ahrendts technischen Sachverstand, kombiniert mit wirtschaftlichem Know-how, und führte viele Gespräche mit ihm. Schließlich wechselte Ahrendt im Jahr 2000 die Straßenseite zu seinem neuen Arbeitgeber Nomos. Angestellter blieb er aber nur drei Jahre, dann übernahm er, ebenso wie Judith Borowski, die Anteile, die das Edelversandhaus Manufactum an Nomos gehalten hatte. Seither ist das Dreiergespann Schwertner − Borowski − Ahrendt nicht nur Bauch, Kopf und Herz des Unternehmens, sondern auch dessen Eigentümer, wenngleich Schwertner die Mehrheit der Anteile besitzt.
Roland Schwertner hat sich in den letzten Jahren immer stärker aus dem operativen Geschäft zurückgezogen, oder versucht dies zumindest, und widmet sich in der Landeshauptstadt anderen Dingen. Ebenso wie Judith Borowski wohnt er in der schicken Kreuzberger Gegend rund um das Paul-Lincke-Ufer. Und da auch die Agentur Berlinerblau hier ihren Sitz hat, ist der Firmengründer nach wie vor häufig im Nomos-Kontext anzutreffen.
Firmengründer von Nomos Glashütte, Roland Schwertner, agiert nur noch im Hintergrund. © PR
Die drei Gesellschafter treffen sich mindestens einmal im Monat, um über Nomos Glashütte zu sprechen, und gehen außerdem zusammen mit den jeweiligen Ehepartnern öfter mal zum Essen. Es herrscht die perfekte Harmonie. "Tatsächlich haben wir uns noch nie gestritten, obwohl wir vergangenes Jahr unser 10-Jähriges gefeiert haben", sagt Borowski. Das Geheimnis ihres Erfolgs? Sie wissen es selbst nicht so recht. Sie arbeiten auf komplett unterschiedlichen Gebieten und sind deshalb mehr oder weniger auf blindes Vertrauen angewiesen, dass der andere schon weiß, was er da tut. Per se haben Berliner und Glashütter eigentlich nicht viele Gemeinsamkeiten. Hier das hippe Leben im quicklebendigen Kreuzberg mit seinen Cafés und Bars, Galerien und Museen, dort das mehr als beschauliche Glashütte, wo es bis heute noch nicht einmal ein Restaurant gibt, zumindest keins, was diese Bezeichnung verdient.

Nomos Glashütte macht sich unabhängig von der Schweiz

Aber bei Nomos stimmt die Chemie. Und so surft das Unternehmen scheinbar locker-flockig seit über zehn Jahren auf einer Welle des Erfolgs, die niemals zu brechen scheint. Von der Uhrenmarke für Insider hat sich Nomos zu einem mittelständischen Unternehmen mit Fertigungstiefe entwickelt, das immer mehr durch neue Fertigungsmethoden auf sich aufmerksam macht. Einer der jüngsten Coups, das hauseigene Swing-System, das die Manufaktur de facto als erster Uhrenhersteller unabhängig von den Spiralenlieferungen der Swatch Group macht, hat eingeschlagen wie eine Bombe. Ahrendt ist nicht gerade der Typ, der sich öffentlich in Erfolgen sonnt, aber hier ist ihm doch anzumerken, dass er stolz darauf ist, wie gut die Entwicklung dieses Assortiments gelungen ist. "Als Nomos Glashütte damit anfing, war noch gar nicht abzusehen, dass die Swatch Group die Lieferung der Spiralen an nicht konzerneigene Unternehmen drosseln beziehungsweise einstellen wird", merkt er an. Die Weichen für das Swing-System wurden vor über zehn Jahren gestellt. Die Investionen haben sich gelohnt: "Wir stellten ja nicht ein paar 'handgeschnitzte' Spiralen für eine Sonderkollektion mit einer Handvoll Uhren her, sondern produzieren auf industriellem Niveau", sagt Ahrendt.
Die gebläute Unruhspirale kennzeichnet das neue Swing-System von Nomos Glashütte. © PR
In dem Modell Metro verbaute Nomos Glashütte erstmals die eigene Hemmungsgruppe. © PR
Den Testbericht über die Metro von Nomos Glashütte können Sie hier für 0,99 direkt herunterladen. Nomos Glashütte wächst und wächst. Umsatz und Mitarbeiterzahl haben sich in den vergangenen drei Jahren verdoppelt. Das ist Stress pur, auch wenn man wie bei Nomos eher von der lebensbejahenden Art ist. "Die viele Arbeit ging mir in den vergangenen Jahren schon auf die Knochen", räumt Judith Borowski denn auch freimütig ein. Sie lebt mit Mann und pubertierender Tochter in der Landeshauptstadt, wo der Alltag sowieso nicht immer die reinste Erholung ist. Und Erfolg will gemanagt werden. Da kann man als Kreative, die sie nun mal ist, doch ab und zu vom Gefühl des Kontrollverlusts befallen werden. Doch in solchen Momenten sind Schwertner und Ahrendt zur Stelle. Ahrendt, der studierte Wirtschaftsexperte, kann gut mit Zahlen und Tabellen umgehen und weiß, wie man die Zukunft kalkuliert. Schwertner, der Verkaufsspezialist, hat immer noch viele Ratschläge auf Lager, wie die Marke jetzt in Richtung internationaler Markt gepusht werden muss. Und so macht sich Borowski weiterhin jeden Tag fröhlich auf den kurzen Fußweg, um in ihrer Agentur Berlinerblau ihren kreativen Ideen freien Lauf zu lassen, damit Schönes und Neues daraus entsteht. Nur dass sie in der Agentur jetzt nicht mehr allein ist, sondern gleich ein paar Dutzend andere Leute mitmachen – viele von ihnen Spitzenleute in ihrem Fachgebiet. Deshalb stand es auch nie zur Debatte, die Agentur rein räumlich näher an Glashütte ranzurücken, nach Dresden beispielsweise, das ja nur eine knappe halbe Autostunde von dem kleinen Ort entfernt ist. "Unsere Texter, Grafiker, Filmer, Designer müssen Berliner Luft atmen, sonst gehen ihnen die Ideen aus", sagt Borowski. Und ihr selbst, fürchtet sie, vielleicht auch.
Chronometrie: Am Erbenhang in Glashütte werden die Uhren von Nomos montiert. © PR
Umgekehrt kann man sich einen Tüftler und alteingesessenen Glashütter wie Ahrendt nur schwer in Berlin vorstellen. Nicht umsonst haben sich die Uhrenzentren auch in der Schweiz in ziemlich abgelegenen Gebieten entwickelt, wo es keine andere Industrie gab, und auch in dem sächsischen Ort war dies der Fall. Fernab der Hektik der großen Städte hatte man in Zeiten harter Konkurrenz auch nicht mehr alle Zeit der Welt, um geduldig an Uhrwerken zu arbeiten, aber man wird auf jeden Fall weniger abgelenkt. Während es für die meisten Kreativen ein Graus wäre, in dieser idyllischen Umgebung zu wohnen, gibt es weniger Probleme, Uhrenfacharbeiter nach Glashütte zu bringen. Ahrendt langweilt sich jedenfalls keine Minute, aber er hat neben den großen Herausforderungen im Job auch eine Familie mit drei Kindern und mischt seit Jahren ein bisschen im Glashütter Stadtrat mit. In den Schulferien allerdings und auch an vielen Wochenenden geht die Familie auf Reisen – schließlich will man ja auch etwas von der Welt sehen. Die Mischung mit den hippen Berlinern, die zwei Stunden und zehn Minuten lange Brücke in die Hauptstadt, ist eines der Erfolgsgeheimnisse von Nomos.

Was Berlin mit Glashütte verbindet

"Demokratischen Luxus" nannte Judith Borowski einmal das Konzept von Nomos und meinte damit, dass sich auch Menschen Armbanduhren von Nomos leisten können, für die eine Lange oder eine Glashütte Original viel zu teuer wäre, ganz zu schweigen von den Schweizer Luxusmarken wie Patek Philippe oder Jaeger-LeCoultre. Vielleicht passt das lebendige, aber nicht sehr glamouröse Berlin einfach wie die Faust aufs Auge zu Glashütte, dem Hinterzimmer für weltweit hochgeachtete Uhrenqualität. Viel besser als es mit Hamburg oder gar München funktionieren würde. "Die anderen Glashütter Uhrenunternehmen bringen ihre Uhren über die Schweiz auf den Weltmarkt, wir über Berlin. So hat eben jeder seine Zielgruppe und das dazu passende Konzept", resümiert Ahrendt. Wobei die beiden Nomos-Gesellschafter bereitwillig einräumen, dass sie doch sehr entspannt im Schatten der Schweizer Preispolitik segeln können, und die gute Wirtschaftsentwicklung in Deutschland hat die Sache auch vereinfacht. Der Wachstumskurs wird Nomos auch in den nächsten Jahren begleiten. Die beiden Unternehmenslenker wissen aber, dass sie sich ändern müssen, um nicht aus der Puste zu kommen. "Vieles, was wir eigentlich gerne selbst gemacht haben, geht jetzt einfach nicht mehr", erklärt Borowski. Erst kürzlich haben sich die beiden selbst dabei ertappt, wie sie sich um alte Lagerbestände an Katalogen und Werbemitteln im Keller gekümmert haben. Dabei haben sie gemerkt: "Das sind so die Dinge, die wir jetzt definitiv delegieren müssen." Es gibt unangenehmere Managertypen als die, die sich nicht scheuen, auch noch mit anzupacken. Für die Zukunft muss Nomos nicht fürchten, sich selbst fremd zu werden.

Aktuelle Armbanduhren der Manufaktur

Das meistverkaufte Modell ist die Tangente. Der Zeitmesser ist sowohl mit Handaufzug als auch mit einem Automatikaufzug erhältlich. Die Automatik-Variante der Tangente gehört zur Kollektion Neomatik.
Nomos: Tangente Neomatik © PR

Die Serie Neomatik präsentiert sich in ihrer Erstauflage mit jeweils zwei Versionen der Modelle Tangente, Ludwig, Orion, Metro und Minimatik. In jeder Uhr arbeitet das von Grund auf neu entwickelte Automatikwerk DUW 3001. Jedes der fünf Modelle in der Kollektion Neomatik gibt es in zwei Varianten – mit cyan-farbenen Akzenten auf weiß versilberten Zifferblätter sowie mit orangefarbenen Details auf champagnerfarbenen Blättern. Die Gehäuse aus Edelstahl sind 35 und 36 Millimeter groß und besitzen einen Glasboden. Getragen werden die Uhren an einem Armband aus Pferdeleder- oder aus Rindsleder. Alle Modelle liegen preislich zwischen 2.520 Euro und knapp 3.000 Euro.

Nomos Glashütte: Tetra Neomatik tiefblau © Holger Wens / Fotografie

Zur Baselworld 2016 erweiterte die deutsche Uhrenmanufaktur die Neomatik-Kollektion um die Tetra Neomatik. In der quadratischen Uhr mit einem Gehäuse aus Edelstahl tickt erstmals ein Kaliber mit Automatikaufzug. Es ist, wie auch bei den anderen Modellen der Serie, das DUW 3001. Die Tetra Neomatik gibt es entweder mit einem versilberten oder einem dunkelblauen Zifferblatt. Der Zeitmesser ist in der ersten Variante für einen Preis von 2.900 Euro erhältlich, in der zweiten kostet er 80 Euro mehr.

Text von Katrin Nikolaus Fortlaufend aktualisierter Artikel, erstmals online gestellt im Juni 2015. Nomos Glashütte und Watchtime.net entwickelten zusammen ein besonderes, auf 50 Exemplare limitiertes Modell, dass Sie nur im Online-Shop von Watchtime.net erwerben können: Die Nomos Ahoi Datum mit Glashütter Chronometerzertifikat und dem neuen Nomos-eigenen Hemmungsmodul namens Swing-System.

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