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Wie entstehen Gravuren auf Uhrwerk und Gehäuse?

Feines Ornament-Muster auf den Brücken des Kalibers 2906
© PR
Wohl kein anderes Kunsthandwerk aus der Welt der Haute Horlogerie ist so eng mit unserem Alltag verbunden: Gravuren begegnen uns nicht nur auf edlen Uhrgehäusen und in aufwendigen Manufakturwerken, sondern auch im ganz normalen Leben.
Beeindruckende Leichtigkeit: Graveure sind wie Künstler, die Bilder auf Papier und in Metall zeichnen © PR
Es ist ein uraltes Handwerk: Schon vor über tausend Jahren wissen die Goldschmiede des alten Ägyptens oder des klassischen Griechenlands aus Metall wahre Kunstwerke zu fertigen. Mit spitzem Gerät ritzen sie Muster und Motive ein und üben damit die Kunst des Gravierens oder Eingrabens aus – die Oberflächenverzierung mit spanabhebenden Werkzeugen. Deren Ursprünge liegen noch weiter zurück: Bereits 7.000 Jahre vor Christus werden so genannte Gravierungen auf Tierknochen ausgeführt. Ihren Höhepunkt erreicht diese Fertigkeit jedoch erst im 15. und 16. Jahrhundert in Europa, wo die Reichen und Mächtigen kunstvoll gravierte Rüstungen und Waffen schätzen. Denn nahezu jeder Gegenstand kann graviert werden, wenn sein Material – bevorzugt Metall – dies zulässt: Nicht nur Uhren und Schmuck werden so verziert, der Graveur bringt auch Inschriften auf Metall auf und kann Kupferstiche fertigen.

Gravuren können heute auch maschinell aufgebracht werden

Allerdings hat die Moderne Hilfsmittel gefunden, die seine Kunstfertigkeit imitieren: Dekorationen können durch eine kleine Fräse maschinell graviert, mithilfe von Computer, Laser oder CNC-Technik aufgebracht, geprägt oder galvanisch aufgetragen werden. Dennoch ist der Charme von handgravierten Mustern unnachahmlich – zu erkennen an ihrer Einzigartigkeit und manchmal auch an den winzigen, kaum zu erkennenden Unregelmäßigkeiten, die wahre Handarbeit begleiten. Dieses uralte Handwerk ist bis heute aktuell – auch wenn es mit fast den gleichen Techniken und Geräten ausgeübt wird wie vor tausend Jahren. Die Werkzeuge muten nostalgisch an: Spitz-, Flach-, Boll-, Oval- und Fadenstichel, wie die am häufigsten verwendeten Stichelarten heißen, liegen in verschiedenen Stärken und Größen in verwirrender Vielfalt auf dem Werktisch des Graveurs bereit. Daneben finden sich Meißel, Hämmer, Feilen und Stechbeitel.
Aufwendige Gravur: Bei Audemars Piguet erhält der skelettierte Rotor des Kalibers 2120 mit einem Stichel eine kunstvolle Verzierung © PR
Die Stichel – meist mit einem kugelförmigen Griff aus Holz versehen – werden individuell vom Graveur an dessen Hand angepasst und auf entsprechende Länge gekürzt; außerdem müssen die Schnittkanten des Arbeitsgeräts regelmäßig nachgeschliffen werden. Ebenso wichtig wie das Werkzeug ist die Befestigung der Arbeitsstücke: Zu gravierende Gegenstände müssen ruhig und flach gehalten werden und in der Ebene frei drehbar sein. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, sie zu fixieren: Man kann sie auf eine Holzklobe oder in eine Gravierkugel einspannen, die auf einem Lederring in die gewünschte Richtung gedreht werden kann. Oder man kittet die Stücke auf eine flache Holzunterlage beziehungsweise Kittkugel auf. Nur große Stücke kann man auch in der Hand halten.

In der Haute Horlogerie werden nur kleine Werkteile veredelt

In der Haute Horlogerie begegnet man solch großen Objekten jedoch nicht: Hier sind meist kleine und zierliche Werkteile durch die Hand des Graveurs zu veredeln. Bei A. Lange & Söhne etwa ist bei jeder Uhr der Unruhkloben mit handgravierten Ornamenten dekoriert, während die Graveure bei Jaeger-LeCoultre für die Verzierung des Gehäuses zuständig sind. Bei Chopard setzt man auf eine spezielle Gravur namens "Fleurisanne". Typisch für diese aus Fleurier stammende besondere Art der Gravur sind die reliefartigen Motive: Der Graveur gestaltet und graviert die Motive nicht wie üblich "flach", sondern betont sie zusätzlich, indem er Material abträgt, um die Linien des Musters deutlicher hervortreten zu lassen.
Kunstvoll verziert: Auch die Gehäusedeckel ausgewählter Modelle erhalten bei Audemars Piguet eine handschriftlich anmutende Gravur © PR
Auch in kleinen unabhängigen Werkstätten haben sich Handwerker ganz der alten Kunst des Gravierens verschrieben. In Deutschland lernt ein Graveur seine Kunst in einer dreijährigen Ausbildung und erlernt dabei neben der Fertigung von Werkzeugen vor allem die Relief- sowie die Flachgraviertechnik. Nach einer ein bis zwei Jahre dauernden Weiterbildung – an einer einjährigen Vollzeitschule oder über einen längeren Zeitraum in Abendkursen – kann der ausgebildete Graveur zur Meisterprüfung antreten. In der Schweiz dauert die Ausbildung zum Graveur vier Jahre. Wichtig sind nicht nur handwerkliches, sondern auch zeichnerisches Talent, Genauigkeit, eine ruhige Hand und Vorstellungsvermögen. Denn die Motive, die diese erfahrenen Handwerker in Metall bannen, sind oft umfangreich, kompliziert zu gravieren und wunderschön anzusehen: Geometrische Muster werden mithilfe eines Abstandsmessers aufgebracht, florale Muster freihändig mit dem Stichel eingeritzt.
Bei figürlichen Motiven werden die Umrisse zunächst mit einem Stift oder einer Stahlnadel aufgezeichnet, bevor der Handwerker mit der eigentlichen Gravur beginnt. Das einzige Zugeständnis an die heutige Zeit ist dabei das Mikroskop, durch welches er während des Gravierens schaut. Span für Span wird dann das Material mit dem Stichel abgetragen – eine Arbeit, die akribische Sorgfalt erfordert und nervenaufreibend sein kann. Denn ein winziges Abgleiten mit der Hand kann das ganze Stück ruinieren. Indem der Druck der Handfläche auf den Stichel und der Winkel des Stahlkeils zum bearbeitenden Material verändert wird, erzielt der Graveur den gewünschten Effekt. Was für den Laien beängstigend schwierig wirkt, macht bei den Meistern ihres Faches einen fast spielerischen Eindruck: Wie ein Füllhalter über Papier lassen sie den Stichel über das Metall gleiten und kreieren damit neue Welten.

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