Bei schönstem Herbstwetter waren wir vom 11. bis zum 13. Oktober 2022 bei der Chronos Leserreise in Genf und Umgebung unterwegs, um 6 höchst verschiedene Marken zu erleben. Unsere 14-köpfige Gruppe bestand aus männlichen und weiblichen Uhrenfans aus Deutschland, Österreich und der Schweiz, von denen einige schon ein oder mehrere Male an Leserreisen teilgenommen hatten; für andere war es die Premiere.
Zum Start fuhren wir am Dienstagmorgen mit unserem Bus vom Hotel in Prangins am Genfer See ins Vallée de Joux zu Jaeger-LeCoultre. Niemand, der das Hauptgebäude durch die moderne Schleuse betritt, würde auf die Idee kommen, dass hier einst das Bauernhaus stand, in dem Antoine LeCoultre 1833 seinen Betrieb gründete. Nach vielfältigen Erweiterungen im 19., 20. und 21. Jahrhundert beherbergt die Manufaktur heute über 1250 Mitarbeiter. Unser Tourguide Jean-Sébastien Genot führt uns nach einer einleitenden Videopräsentation durch die wichtigsten Stationen der Manufaktur, darunter die Abteilungen Métiers rares (hier geht es um Gravieren, Guillochieren, Steinesetzen und Emaillieren), Atmos (die Tischuhr, die von Unterschieden in der Raumtemperatur angetrieben wird) und Haute Horlogerie. Hier präsentiert man uns verschiedene große Komplikationen, die Funktionen wie ewigen Kalender, Minutenrepetition oder das berühmte Gyrotourbillon beinhalten. Zum Schluss können wir in einer Vielzahl von aktuellen Modellen schwelgen, die wir uns ans Handgelenk legen und nach Herzenslust fotografieren können.
Nach einem gemeinsamen Mittagessen mit Roman Mayer von Jaeger-LeCoultre Wien geht es wieder Richtung Genfer See ins Örtchen Gland. Das Kontrastprogramm zur altehrwürdigen Manufaktur heißt Kross Studio: ein Startup, das Marco Tedeschi zusammen mit seiner Frau Stéphanie und drei Mitstreitern 2020 gegründet hat. Tedeschi leitete nach über 10 Jahren bei Hublot von 2018 bis 2020 die kleine Marke RJ Watches, die unter anderem hochwertige Uhren mit populäre Figuren wie Pikachu oder Spiderman zusammenbrachte. Nach dem Konkurs von RJ 2020 nahm Tedeschi viele Ideen sowie das Patent an einem von ihm entwickelten Zentraltourbillon mit zu Kross. Die Marke sieht sich nicht als Uhrenmarke, sondern als Designstudio, das neben Uhren auch andere Sammlerstücke sowie Uhrenetuis entwirft. Als Lizenzparter von Lucasfilm und Warner Brothers hat Kross unter anderem eine Tischuhr in Form eines Batmobils kreiert. Das Objekt, das uns den Atem verschlägt, ist jedoch der Kyber Crystal Container: eine 1,20 Meter lange und 120 kg schwere Box, die den Kyberkristallcontainern aus den Star-Wars-Filmen nachgebaut ist. Wie im Film wird im Innern etwas ganz Kostbares aufbewahrt: das Death Star Tourbillon, das vom Todesstern aus Star Wars inspiriert ist.
Noch geflasht von diesen beiden gegensätzlichen Erfahrungen, besteigen wir am Mittwochmorgen den Bus nach Genf, wo wir die in den späten Neunzigern gebaute Manufaktur von Roger Dubuis besuchen. Nach der Begrüßung durch CEO Nicola Andreatta schauen wir uns die Produktion an. Die Vielzahl von CNC- und anderen Maschinen, mit denen alle wichtigen Werkteile gefräst, entgratet, gewaschen und immer wieder kontrolliert werden, steht im Kontrast zu einem hohen Maß an Handarbeit beim Polieren und Finissieren, das wir in den nächsten Räumen erleben. Besonders stolz ist die Marke auf den Einsatz vieler verschiedener Materialien, zu denen sogar eine spezielle Kobaltlegierung für besondere Gehäuse gehört. Nach einem Gang durch die Uhrmacherei wird der Rundgang schließlich gekrönt von der Touch & Feel Session, in der wir die Uhren hautnah erleben dürfen.
Am Nachmittag geht es hinaus aus Genf, ins Nachbarstädtchen Nyon. Die schon von der Autobahn aus sichtbare Manufaktur von Hublot besteht seit Jahren aus dem Stammhaus und einem zweiten Gebäude, doch selbst diese Platzverdopplung reicht für die stetig anwachsende und mittlerweile über 80.000 Uhren pro jahr betragende Produktion bald nicht mehr aus. 2025 soll das dritte Manufakturgebäude eingeweiht werden. Im zweiten sehen wir derweil die Produktion vieler verschiedener Werk- und Gehäuseteile, deren Vorzüge uns Jean-Pierre Kohler mit unnachahmlicher Verve erklärt. Kohler war früher mit seiner eigenen Gehäusefabrik selbst Lieferant von Hublot, bevor an die Marke verkaufte und bis zu seinem Ruhestand noch jahrelang in ihren Diensten war. Kohler gibt uns spannende Insights und sagt uns unter anderem, wie man gute von schlechten Messingarten unterscheidet, wie das kratzfeste Magic Gold (eine Legierung aus Gold und Keramik) entstand und wie Hublot knallig bunte Keramikfarben generiert. Auch hier ist der krönende Abschluss der Raum mit den Uhren, die nur einen Teil der unglaublichen Modellvielfalt abbilden können. Doch die, die da sind, ziehen uns schnell in ihren Bann, von den Classic Fusions und Big Bangs aus der regulären Kollektion über die Golfuhr bis hin zu Künstlereditionen wie der Big Bang Sang Bleu II oder der Orlinski in strahlend blauer Keramik.
Der letzte Tag ist der jungen Manufaktur von Frederique Constant gewidmet, die im Genfer Industrievorort ihren Platz gegenüber Piaget und unweit anderer Top-Luxushersteller wie Patek Philippe, Rolex, Vacheron Constantin oder Harry Winston gefunden hat. Die Marke wurde 1988 vom niederländischen Ehepaar Peter und Aletta Stas gegründet und im Laufe der Jahre zur Manufaktur ausgebaut. Obwohl die Marke und ihre Schwestermarken Alpina und Ateliers de Monaco inzwischen zum Konzern des japanischen Giganten Citizen gehören, weht noch immer der Geist des Gründerehepaars durch die Manufaktur. Zentrum unserer Tour ist das apart konzipierte Museum: Es zeigt die Geschichte der Marke mit den Kernkompetenzen, zu denen günstige Manufakturuhren wie ein ewiger Kalender für gut 8.500 Euro ebenso gehören wie die Vielfalt der Technik - von Mechanik über Quarz bis hin zu Hybridwerken (smart und mechanisch) und dem neuen Monolithic-Kaliber. Auch die Historie der 1883 gegründeten Sportuhrenmarke Alpina kommt im Museum ausführlich zur Sprache. Den Uhrmacherbereich im ersten Stock können wir leider nicht betreten, dafür haben wir zum Abschluss ausreichend Zeit, uns in aller Ruhe die Uhren aus der aktuellen Kollektion inklusive einiger Neuheiten anzuschauen und sie ans Handgelenk zu legen.