Warum ein Großdatum?
Das Großdatum auf dem Zifferblatt hat verschiedene Funktionen: Zum einen dient es der besseren Ablesbarkeit, zum anderen ist ein Gestaltungselement, das das Gesicht der Uhr nachhaltig (mit)prägt. Vor den 1990er Jahren spielte es bei Armbanduhren kaum eine Rolle. Rolex fand mit seiner Datumslupe eine ganze eigene Lösung dafür, das Datum besser lesbar zu machen. Andere Lösungsversuche von Herstellern wie Solvil, Helvetia und Mimo sowie des Werkeherstellers Venus gab es schon in den 1930er und 1940er Jahren, so richtig durchsetzen wollte sich aber keine davon. Erst die im Oktober 1994 in Glashütte vorgestellte, viel beachtete Lange 1 von A. Lange & Söhne setzt das Großdatum mit gerahmtem Fenster und Mittelsteg erfolgreich in Szene – und zwar so nachhaltig, dass es in den nächsten Jahren und Jahrzehnten reihenweise Nachfolger findet.
Inspiriert von der berühmten Fünf-Minuten-Uhr der Dresdner Semperoper, gebaut vom Hofuhrmacher Johann Christian Friedrich Gutkaes im 19. Jahrhundert, arbeitet der Mechanismus mit zwei getrennten Anzeigeflächen – einer ringförmigen Einerscheibe mit den Ziffern Null bis Neun und einem darüber liegenden Zehnerkreuz mit den Ziffern Eins bis Drei plus weißem Feld. Die Einerscheibe schaltet täglich einmal weiter. Nur beim Wechsel vom 31. auf den ersten Tag eines Monats bleibt sie für 24 Stunden stehen. Das Zehnerkreuz mit den Ziffern Eins bis Drei und dem weißen Feld bewegt sich hingegen alle zehn Tage um einen Schritt weiter. Lediglich bei der Drei schaltet es spätestens nach zwei Tagen auf das freie Feld. Im Fortlauf ergibt sich so stets das richtige Datum. Diesen unregelmäßigen Schaltvorgang steuern zwei Programmräder mit einer exakt berechneten Zahnanordnung.
Die beiden Arten des Großdatums aus Glashütte
Der Höhenabstand zwischen den beiden übereinander positionierten Scheiben beträgt bei der Lange 1 nur den Bruchteil eines Millimeters. Um den minimalen Unterschied zu verdecken, aber auch als Reminiszenz an die Dresdner Fünf-Minuten-Uhr, an deren Entstehung auch der Firmengründer F. Adolph Lange mitwirkt, erscheint das Lange'sche Großdatum in einem Fenster mit einem Steg in der Mitte, die über der Nahtstelle der beiden Scheiben liegt.
Anders verhält es sich beim sogenannten Panoramadatum von Glashütte Original, das wenige Jahre nach der Lange 1 im Kaliber 39-41 der Senator Panoramadatum mit Mondphase sein Debüt gibt. Der patentierte Mechanismus wird ebenfalls über zwei Scheiben bewerkstelligt: einer kleinen, mit den Ziffern Null bis Drei bedruckten Zehner-Scheibe im Zentrum, sowie einer größeren Einerscheibe, auf der die Ziffern Null bis Neun stehen. Der konstruktive Unterschied zum Ansatz von A. Lange & Söhne ist, dass sich hier beide auf einer Ebene bewegen und konzentrisch aneinander schmiegen. Das Datumsfenster kommt so ohne Mittelsteg aus. Damit in Monaten mit 31 Tagen am 30. Tag die Zehnerscheibe nicht auf 0 gestellt wird und am 31. Tag um Mitternacht die Eins der Einerscheibe stehen bleibt, bedient sich der Mechanismus einer Stufenscheibe. Heute hat Glashütte Original eine Reihe von Werken mit Panoramadatum im Programm, die sich bezüglich des Schaltvorgangs unterscheiden. Bei einigen vollzieht sich dieser um Mitternacht über einen Zeitraum von mehreren Minuten, beim Kaliber 58 der Senator Chronometer etwa wechselt das Datum dagegen mit einem schnellen Sprung.
Unterschiedliche technische Lösungen
Doch das Großdatum ist nicht nur in Glashütte zu Hause. Seit seiner Renaissance haben viele Uhrenfirmen die Anzeige in der Extra-Größe in ihrem Sortiment. Gerade in den späten 1990er und frühen 2000er Jahren entwickelten viele Manufakturen eigene Mechanismen, darunter Audemars Piguet, Blancpain, Carl F. Bucherer, Chopard, Parmigiani oder Ulysse Nardin. Ulysse Nardin sorgte vor über 20 Jahren damit für Furore, dass der Datumswechsel in beiden Richtungen funktionierte. Technisch gesehen nutzt die Manufaktur aus Le Locle einen ähnlichen Mechanismus wie Glashütte Original, bei dem die Zehnerscheibe von der Einerscheibe umschlossen wird. Demgegenüber arbeitet Carl F. Bucherer mit zwei gleich großen Scheiben, die nebeneinander platziert sind. Die Ziffern 1, 2 und 3 sind dabei doppelt, die Null sogar vierfach aufgedruckt: So finden sich genauso zehn Ziffern auf der Zehner- wie auf der Einerscheibe. Girard-Perregaux wiederum lässt die beiden Scheiben sich überlappen, wobei die Einerscheibe transparent ist: Sie läuft oberhalb der Zehnerscheibe, sodass es auch hier einen Höhenunterschied gibt.
Eigenwillig ist die Anordnung bei Parmigiani: Hier sitzen die Zehnerziffern auf einer kleinen, mehreckigen Scheibe, wobei die Ziffer 2 – und nur sie – zweimal vorkommt. Audemars Piguet arbeitete vor 20 Jahren beim Kaliber 2869 mit Minutenrepetition, ewigem Kalender und Tourbillon mit einem oben liegenden Stern, auf den sowohl die Daten 10, 20 und 30 als auch eine 1, eine 2, eine 3 und eine Leerstelle für die Zehner aufgedruckt waren. Darunter befand sich die Einerscheibe mit den Ziffern 1 bis 9. Inzwischen nutzt Audemars Piguet beim Kaliber 4407 ein anderes Großdatum, und wieder ist es einer Komplikationsuhr vorbehalten: dem Royal Oak Concept Split-Seconds Chronograph GMT Large Date.
Das Großdatum bei Patek Philippe
Patek Philippe präsentierte 2024 ein neues Werk mit Großdatum. Beim Manufakturkaliber 240 PS CI J LU mit Automatikaufzug über Mikrorotor, das Patek Philippe für die rechteckige Cubitus neu entwickelt hat, wird das Großdatum mit einer Wochentagsanzeige und einer Mondphase kombiniert. Auch Patek Philippe hat bei der Konstruktion seines Großdatums darauf geachtet, dass beide Scheiben auf einer Ebene liegen. Die Konstruktion erinnert an die von Girard-Perregaux: Zwei Scheiben liegen nebeneinander, ohne sich zu überlappen. Die Zehnerscheibe ist mit 8 Ziffern bedruckt, die Ziffern 0 bis 3 tauchen je zweimal auf. Daher ist die Scheibe etwas kleiner als die Einerscheibe. Dieses Großdatum ist übrigens nicht das erste Großdatum von Patek Philippe: Das erste war in den ewigen Kalender integriert, der Wochentag, Datum und Monat nacheinander in einer einzigen Zeile anzeigt.
Das jüngste Großdatum
Das neueste Großdatum stellte Ende 2024 einmal mehr eine Marke aus Glashütte vor. Mühle-Glashütte hat das Automatikkaliber SW 200 von Sellita als Basis genommen, um ein komplett eigenentwickeltes Großdatumsmodul zu entwickeln und ins Basiswerk zu integrieren. Das Automatikkaliber MU9424-GD ist so gebaut, dass das Großdatum bei 6 Uhr platziert ist – anders als das erste Mühle-Großdatum von 2002, das sich die Sachsen damals vom Schweizer Spezialisten Jaquet hatten fertigen lassen. Nicht zuletzt diese beiden neuen Großdaten von 2024 zeigen, dass das Thema, um das es zwischenzeitlich etwas ruhiger geworden war, wieder stärker in den Fokus rückt.
Text: Rüdiger Bucher und Sabine Zwettler