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Glashütte Original: Uhrenlinie neu gestaltet

Überarbeitet: der Panograph von Glashütte Original
© René Gaens Fotografie
Shootingstar mit Holzwerkzeug: Seit neun Jahren schwingt Aurel Bacs den Hammer für die Uhrenabteilung von Christie’s. Seinetwegen ist das Auktionshaus heute Weltmarktführer im Sammleruhrensektor. Als Aurel Bacs begann, mit alten Uhren zu handeln, war er gerade 14 Jahre alt und besuchte das Gymnasium in seiner Heimatstadt Zürich. Begehrte historische Zeitmesser für die wachsende Gemeinde der Vintage-Fans aufzutreiben, erschien ihm schon damals als eine gewinnbringende Tätigkeit. Heute ist Bacs 40 und leitet die Uhrensparte von Christie’s. Das weltbekannte Auktionshaus mit Stammsitz in London ist Marktführer im Bereich Sammleruhren. 2011 erreichte der Gesamtumsatz der sechs Uhrenauktionen in Genf, Hongkong und New York eine Summe von umgerechnet 89,5 Millionen Euro. Dieses sensationelle Ergebnis schlägt den bisherigen Rekordumsatz aus dem Vorjahr noch einmal um gut 20 Millionen Euro. Aber wie hat es der ehemalige Stammgast der Zürcher Pfandleihen auf den Gipfel des Uhren-Olymps geschafft? Und welche Aussichten auf den Uhrenmarkt hat er von dort oben? Frühe Leidenschaft Als Aurel Bacs ungefähr zehn Jahre alt war, nahm sein uhrenbegeisterter Vater ihn erstmals mit auf die Suche nach neuen Stücken für seine Sammlung. Das war Anfang der Achtziger, und die Quarzrevolution hatte mechanische Armbanduhren zu Sammlerstücken gemacht. „An Sonntagnachmittagen hat er uns in die Stadt gezerrt, und wir mussten mit ihm die Schaufenster absuchen“, erinnert sich Bacs. Die Leidenschaft des Vaters wurde immer stärker, und nach einigen Jahren in Sammlerkreisen hatte sich der Sohn ebenfalls mit dem Uhrenvirus infiziert. „Es war in diesem Alter, in dem man sich nicht mehr für Spielzeug interessiert, aber auch noch nicht erwachsen ist. Ich traf Händler, Wiederverkäufer, Sammler, Uhrmacher, Restauratoren – und fand die Begegnungen faszinierend.“

Der junge Aurel erkannte früh, dass er mit dem Aufspüren von Sammleruhren für seine neuen Bekannten Geld machen konnte. Viel Geld, wie er fand: 100 oder 120 Schweizer Franken auf einmal. „Ich hätte vier oder fünf ganze Nachmittage Rasen mähen müssen, um so viel zu verdienen.“ Während seine Freunde ganz normalen Freizeitbeschäftigungen nachgingen, fuhr Bacs mit dem Zug – er war noch zu jung für den Führerschein – nach Deutschland, Italien, Österreich und Frankreich, um Uhren zu kaufen. Die Eltern ließen ihn gewähren: „Ich glaube, ihnen war es lieber, wenn ihr Junge mit dem Zug nach München oder Stuttgart fuhr, als wenn er in Bars herumgehangen und Blödsinn gemacht hätte.“ Aber es ging nicht nur um Geld. „Als Teenager suchst du Anerkennung, egal ob sie vom Lehrer, von den Eltern oder von einem Mädchen kommt. Und wenn ein Sammler zu mir sagte, er habe diese oder jene wunderschöne Uhr noch nie gesehen, dann war ich glücklich.“

Während Bacs Wirtschaft und Recht an der Universität von Sankt Gallen studierte, setzte er seine Uhrenstreifzüge fort. 1995 fehlte ihm noch ein Jahr bis zum Abschluss, als ein Freund ihn auf eine Anzeige aufmerksam machte, in der das Auktionshaus Sotheby’s einen Spezialisten für seine Uhrenabteilung suchte. Bacs bewarb sich, und wider Erwarten wollte Sotheby’s ihn kennen lernen. Zum ersten Gespräch empfing ihn überraschenderweise der Chefbuchhalter. Bacs erinnert sich: „Ich nehme an, sie haben den armen Kerl geschickt, damit er erst einmal herausfindet, ob das Ganze ein Scherz ist. Denn normalerweise bewirbt man sich nicht mit 22 Jahren als Experte in einem Auktionshaus.“ Nachdem die Frage nach der Ernsthaftigkeit geklärt war und sich der junge Bewerber in weiteren Gesprächen tatsächlich als Kenner alter Uhren entpuppte, bot Sotheby’s ihm den Job an. Bacs brach sein Studium ab – wissend, dass er es jederzeit wiederaufnehmen konnte. Doch dazu sollte es nicht mehr kommen. „Alle Auktionshäuser zusammengenommen hatten damals höchstens ein Dutzend Uhrenexperten. Es gab weniger solcher Fachleute als aktive Formel-1-Fahrer oder NASA-Astronauten. Es war ein Privileg, einen solchen Job zu bekommen.“ Privileg hin oder her: Schon nach einem Monat hätte Bacs beinahe gekündigt. „Ich hasste es. Wie ich es hasste! Eben noch sorgloser Student mit geringer Neigung zu einer regelmäßigen Rasur, war ich nun in einer Branche gelandet, in der ein einreihiger Anzug als legere Freitagskleidung betrachtet wurde. Das war ein echter Kulturschock.“ Doch nach reichlich Zuspruch von einem guten Freund entschied er sich, die Sache auszukämpfen, und schon nach kurzer Zeit wurde er warm mit seinem neuen Umfeld. Belebende Konkurrenz Unter anderem gefiel ihm der Konkurrenzkampf: Die großen Auktionshäuser Antiquorum, Christie’s und Sotheby’s bemühten sich um wachsende Präsenz im noch jungen, aber rasant wachsenden Sammleruhrenmarkt. Und so blieb Bacs nicht nur ein oder zwei Jahre, wie er es geplant hatte, sondern fünf. In dieser Zeit übernahm der sprachgewandte Uhrenexperte zusätzlich die Aufgabe eines Auktionators. Er verließ Sotheby’s auf dem Höhepunkt seiner damaligen Karriere: In seiner letzten Auktion im Mai 2000 sprengte er gleich mit zwei Uhren, beide von Patek Philippe, die Millionen-Franken- Grenze. „Am Auktionspult den Preis ‚eine Million Franken‘ auszusprechen, ist schon ein tolles Gefühl – erst recht für einen 28-Jährigen.“ Doch solche Glücksmomente waren zu selten. Bacs wollte sich auf die absoluten Spitzenuhren konzentrieren – Stücke mit überwiegend sechsstelligen Preisen. Und so traf er sich kurz nach seiner Kündigung mit Sotheby’s ehemaligem Europa-Geschäftsführer und Chefauktionator Simon de Pury, der zwischenzeitlich den Zürcher Kunsthandel de Pury & Luxembourg Art mitbegründet hatte. De Pury bot Bacs eine Stelle an, die dieser ideal fand. Er sollte Käufer und Verkäufer von Top-Uhren zusammenbringen. Doch schon nach wenigen Monaten fand er sich erneut im Auktionsgeschehen wieder: De Pury & Luxembourg Art hatte mit dem in Schieflage geratenen Auktionshaus Phillips, das damals zur Luxusgruppe LVMH (Moët Hennessy Louis Vuitton) gehörte, zum neuen Unternehmen Phillips, de Pury & Luxembourg fusioniert. Nun wurden alle Experten informiert, dass sie fortan Auktionen organisieren und leiten müssten. Bacs war ganz und gar nicht erfreut. Aber weil de Pury ihm versicherte, dass die Dinge hier anders laufen würden als bei Sotheby’s, blieb er. Und das sollte sich bezahlt machen: In seiner ersten Auktion, im November 2001, erzielte Bacs den bis dato höchsten Preis, der jemals für eine Armbanduhr bezahlt worden war. Bei diesem Bestseller, der für gut drei Millionen Schweizer Franken zugeschlagen wurde, handelte es sich um eine gelbgoldene Patek Philippe Referenz 1591 mit ewigem Kalender und Mondphase. „Ich war gerade 30 Jahre alt geworden und hatte soeben die wertvollste Armbanduhr aller Zeiten verkauft. Ich fühlte mich unglaublich!“2003 verließ Bacs das Unternehmen und heuerte beim Auktionshaus Christie’s als Mitgeschäftsführer der internationalen Uhrenabteilung an, die er heute allein leitet. Seit seinem Amtsantritt haben die Umsätze ungekannte Höhen erreicht: 2004 übertraf das Gesamtergebnis dasjenige des direkten Konkurrenten Sotheby’s, und drei Jahre später stellte Christie’s sogar den 1974 gegründeten Marktführer Antiquorum mit Hauptsitz in Genf in den Schatten. Hierbei spielte allerdings auch der Umsturz im Antiquorum-Management im Jahr 2007 eine Rolle: Nachdem die asiatischen Gesellschafter den Firmengründer und Auktionator Osvaldo Patrizzi aus dem Unternehmen gedrängt hatten, waren die Verkäufe merklich zurückgegangen. Nichtsdestotrotz ist es Bacs zu verdanken, dass die Uhrenauktionen von Christie’s immer erfolgreicher wurden. Die Jahreserlöse betrugen 13,5 Millionen Euro im Jahr 2002 – dem Jahr vor seinem Eintritt ins Unternehmen – und steigerten sich innerhalb von zwei Jahren auf 35 Millionen. Weitere zwei Jahre später, 2006, waren es bereits 43 Millionen. >> Meilensteine der Auktionsgeschichte und Interview mit Aurel Bacs Meilensteine der Auktionsgeschichte

Auch und gerade in der Folge der Finanzkrise feierte das Unternehmen bemerkenswerte Erfolge, vor allem durch das Wachstum des asiatischen, besonders des chinesischen Marktes. Doch Asien ist nicht alles: „Die Europäer sind zurück, und sie haben viel Geld mitgebracht“, stellt Bacs fest. Zu seinen größten Erfolgen gehört der Verkauf der bis heute teuersten Uhr, die je bei Christie’s über den Tresen ging: Im Mai 2010 erreichte er in Genf mit einer goldenen Patek Philippe Referenz 1527 mit ewigem Kalender, Mondphase und Chronograph einen Zuschlag von sagenhaften 6.259.000 Schweizer Franken. Weitere Sensationen bot die Mai-Auktion im Folgejahr: Neben einem gigantischen Gesamterlös von mehr als 23 Millionen Franken konnte Bacs den weltweit höchsten Zuschlag für eine Rolex für sich verbuchen; ein stählerner „Antimagnetique“-Schleppzeigerchronograph aus dem Jahr 1942 brachte mehr als eine Million Franken. Ein zusätzlicher Meilenstein der Auktionsgeschichte war der Verkauf des teuersten einfachen Chronographen in derselben Veranstaltung. Die Weißgolduhr von Patek Philippe kletterte unter Bacs’ Regie auf 3.235.000 Franken.

„Jede Auktion ist wie die Teilnahme an den Olympischen Spielen“, sagt Bacs. „Du arbeitest im Vorfeld wie verrückt und dann, innerhalb weniger Sekunden, hast du entweder gewonnen oder verloren. Vom Pult aus siehst du 150 bis 200 Menschen, du hast etwa 200 Telefonbieter und noch mehr Online-Teilnehmer. Ich will nicht sagen, dass sie gegen dich sind, aber sie wollen so wenig wie möglich zahlen, während du einen möglichst hohen Preis erzielen willst. Du bist nervös, darfst es aber in keinem Fall zeigen. Wenn du Angst hast, sehen sie es.“ Der Job des Auktionators wird manchmal mit dem eines Schauspielers verglichen, aber für Bacs hinkt der Vergleich. Denn Filme folgen einem Drehbuch, während der Auktionator niemals im Voraus die Handlung kennt. „Wird die erste Uhr der Auktion 4.000 oder 8.000 Franken bringen, oder bleibt sie gar unverkauft? Wer wird versuchen, eine weitere Erhöhung zu verhindern? Wer wird ‚Langsamer!‘ rufen? Eine Uhr, von der du dir 200.000 Franken erwartet hast, bringt nur 150.000 Franken, und du bist enttäuscht – oder umgekehrt, dann schwebst du auf Wolke sieben. Aber du kannst nicht sagen: ‚Meine Damen und Herren, ich schwebe auf Wolke sieben‘ oder ‚Was fällt Ihnen ein, nicht mitzubieten?‘ Und das Publikum muss aufmerksam bleiben – du musst es unterhalten, ohne es abzulenken. Du musst witzig sein, aber kein Clown. Und du kannst einen Gag niemals vorbereiten.‘‘ Alles in allem sieht Bacs das Auktionsgeschäft als knallharte Branche. Vor allem der gnadenlos vollgestopfte Terminkalender baut mächtig Druck auf. Nicht nur einmal hat Bacs deshalb in Betracht gezogen, den Beruf zu wechseln. Aber die Beschäftigung mit den schönsten Uhren der Welt ist einfach zu verlockend. „Ich kam vor 17 Jahren in die Branche und bin immer noch hier. Es macht süchtig. Und ich liebe es.“ Interview mit Aurel Bacs - Was bringt die Zukunft, Herr Bacs? Welche jungen Uhrenmarken könnten Ihrer Meinung nach im Wert steigen? Nun, was macht eine Luxusuhr zum Sammlerstück? Wichtig sind eine aufwendige Konstruktion, Handbearbeitung und hohe Qualität. Ich glaube an das, was ich gerne als DNA bezeichne: Eine Uhr soll nicht sämtliche Designtrends von der Genfer und der Basler Messe vereinen, sondern eine eigene Identität haben. Man muss dem Zeitmesser ansehen, wer ihn geschaffen hat: ein Designer oder ein Uhrmacher.
Auch die Innovation spielt eine große Rolle. Ich denke zum Beispiel an F.P. Journe und Greubel Forsey. Ich persönlich mag den deutschen Mix aus technischem Know-how, Sturheit und Fantasie, für den A. Lange & Söhne steht. Ich mag die Verrücktheit und die Ingenieurkunst von Richard Mille. Ich mag die absolut experimentelle Herangehensweise von Urwerk. Die Liste ist lang. Erst gestern habe ich mich in Laurent Ferriers Tourbillon verliebt. Diese Uhrenmarken decken das gesamte Spektrum von der traditionellen Uhrmacherei bis zu den ausgeflipptesten Neuentwicklungen ab. Aber jede von ihnen hat ihre eigene Identität. Man erkennt sie wieder. Sie würden niemals Richard Mille mit Patek Philippe verwechseln, oder F.P. Journe mit A. Lange & Söhne. Es gibt so viel langweilige Massenware da draußen, bei der man erst den Namensschriftzug suchen muss, um die Uhrenmarke herauszufinden. Sammler wollen Persönlichkeit und Wiedererkennbarkeit, ohne Abstriche bei Qualität, Handwerkskunst, Feinbearbeitung und Funktionalität zu machen. Natürlich gehören auch Patek Philippe und Rolex zu meinen Favoriten. Ich glaube nach wie vor an die ganz Großen. Wird Patek Philippe für immer an der Spitze der Uhrenauktionen stehen? Es gibt kein „immer“. Aber Patek Philippe baut makellose Uhren und hat einen makellosen Ruf. Das Unternehmen hat in seiner langen Geschichte keine Skandale erlebt, kommuniziert unglaublich geschickt und produziert die richtigen Stückzahlen, um exklusiv zu bleiben, ohne zur Nischenmarke zu werden. Es gibt einige andere Uhrenmarken, die in mehreren dieser Aspekte auf Augenhöhe mit Patek sind. So ist der Name Rolex bekannter als Patek Philippe, aber die Uhrenmarke produziert weitaus mehr Uhren. Wie exklusiv kann eine Rolex jemals sein? Es gibt Uhrenmarken, die ebenso gute Uhren bauen wie Patek, aber diese hatten vielleicht Skandale oder Ausrutscher in ihrer Geschichte. Die Leute vergessen so etwas nicht so leicht. Patek bietet eine einzigartige Kombination aus positiven Eigenschaften; manche davon sind das Verdienst des derzeitigen Managements, andere gehen auf frühere Generationen zurück. Vor 150 Jahren wurden schlaue Dinge getan, die den heutigen Ruf der Marke mitbegründet haben. Die Preise bei Patek sind übrigens nur im Auktionssektor höher als bei anderen Uhrenmarken: Auf der Baselworld findet man bestimmt 20 Marken, die Uhren zu Millionenpreisen anbieten. Jeder kann teure Uhren bauen: entweder mithilfe von hochkomplizierten Werken oder durch den Besatz mit ein paar Baguette-Diamanten. Aber Sammleruhren jenseits der Million sind immer noch die Domäne von Patek Philippe. Wie wird sich die steigende Nachfrage der chinesischen Sammler auf die Auktionsbranche auswirken? Die Chinesen werden in diesen Uhrenmarkt einschlagen wie ein Lastwagen, der ein Fahrrad rammt: Der Lastwagenfahrer bemerkt nicht einmal, dass er das Fahrrad überrollt hat. Wann wird das sein? Und in welchem Stadium befinden wir uns im Moment? Zurzeit haben die Chinesen einen klar erkennbaren Einfluss auf den Markt, aber sie dominieren ihn noch nicht. Sie sind gute Konkurrenten, eine tragende Säule der Branche. Nach dem Zweiten Weltkrieg brauchten die Amerikaner 15, 20 Jahre, bis sie den Kunstmarkt dominierten. Die Chinesen werden auf dem Uhrenmarkt viel schneller so weit sein, vielleicht in fünf Jahren. Dann werden sie die Preise der Sammleruhren bestimmen. Das sind keine guten Nachrichten für uns, oder? Nun, das ist die Frage. Wenn es bedeutet, dass sich die Preise verdoppeln, können sich die europäischen Sammler zunächst einmal freuen, weil ihre Uhren nun doppelt so viel wert sind und die Zeit für einen gewinnbringenden Verkauf gekommen ist. Ich glaube, das Ganze ist eine Prüfung für den Markt: Wie viele wohlbehütete Uhren kommen ans Licht, wenn die Preise steigen? Wer kommt in Versuchung, und wer nicht? Spannend.
Text und Interview: Norma Buchanan
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