Ein Uhrmacher beugt sich über einen alten Holztisch, an dem schon sein Großvater Räder poliert und Unruhn ausgewuchtet hat. In dem kleinen Raum herrscht konzentrierte Stille, der Uhrmacher ist ganz in die Welt versunken, die sich ihm durch seine Lupe eröffnet. So oder ähnlich sehen die Bilder aus, die viele Uhrenmarken mit dem Begriff „Manufaktur“ transportieren wollen, klingt er doch so schön nach knarrenden Holzdielen, sorgfältiger Handarbeit und kleinen Stückzahlen.
Die Realität in der Uhrenindustrie ist eine andere: Zulieferer stellen in großen Maschinenhallen vollautomatisiert Unmengen von Werk- und Gehäusekomponenten her, die dann bei den jeweiligen Marken in großen Ateliers zu Uhren zusammengesetzt werden. Heute produziert kaum noch eine Marke ihre Uhrenkomponenten selbst. Doch es gibt Ausnahmen. Dass eine davon ausgerechnet in der Junghans-Stadt Schramberg ihren Sitz hat, ist umso ungewöhnlicher.
Wie die Uhrenmarke Lehmann Schramberg im Schwarzwald entstand
2011 gründete Markus Lehmann dort die Uhrenmarke Lehmann Schramberg. Zuvor arbeitete der gelernte Werkzeugmacher und Elektrotechniker von 1992 bis 1998 in der Schweizer Uhrenindustrie für Hersteller wie IWC oder Ronda, für die er Maschinen oder Teile zur Produktion von Werkkomponenten konstruierte. „Ich war in der Uhrenindustrie immer damit beschäftigt, Dinge herzustellen, die es auf dem Markt zu dieser Zeit noch nicht gab“, beschreibt Lehmann seine Tätigkeit in der Schweiz.
1998 kehrte er in seine Heimatstadt Schramberg im Schwarzwald zurück und übernahm die von seinem Vater gegründete Feinmechanikwerkstatt Lehmann Präzision in Hardt bei Schramberg. Seitdem baut die Firma hochpräzise Dreh- und Fräsmaschinen sowie Teile für solche Anlagen, mit denen sie neben Uhrenfirmen etwa auch die Optikindustrie, die Medizintechnik oder die Luft- und Raumfahrt beliefert. Nach Lehmanns Rückkehr in seine Heimat boten ihm einige Uhrenmarken an, wieder für sie in der Schweiz zu arbeiten. Lehmann lehnte jedoch ab.
Zum einen aus persönlicher Verbundenheit mit der Firma seines Vaters. Zum anderen wuchs dadurch in ihm der Wunsch, eigene Uhren zu bauen – Lehmann Präzisionsuhren. Lehmann hatte sich schon immer für mechanische Uhren begeistert; ursprünglich wollte er sogar eine Uhrmacherlehre absolvieren. Allerdings entließ Junghans in dieser Zeit zahlreiche Mitarbeiter, sodass ihm eine Ausbildung zum Werkzeugmacher und Elektrotechniker aussichtsreicher erschien. Was blieb, war sein Interesse am feinmechanischen Innenleben von Zeitmessern. 2009 nahmen Lehmanns Pläne dann Gestalt an: Nach seinen bereits konkreten Vorstellungen entwarf er mit einem kleinen Team, bestehend aus einem Designer und mehreren Konstrukteuren, den Prototypen seiner ersten eigenen Uhr. „Dabei wollte ich ein typisch deutsches Design, schlicht und zeitlos. Die Uhr sollte mir einfach auf Dauer gefallen.“ Die positiven Reaktionen von Vertriebspartnern in Fernost bestärkten ihn darin, im nächsten Schritt eine eigene Uhrenmarke zu gründen.
Alle Uhren lässt Lehmann Schramberg bei Wempe in Glashütte als Chronometer zertifizieren. Seinen Betrieb für Präzisionsmaschinen hat der gebürtige Schwarzwälder nicht aufgegeben. Er ist Inhaber beider Unternehmen. „Die eine Firma führe ich mehr mit dem Herzen, die andere eher mit dem Verstand“, bringt er das Verhältnis der Unternehmen auf den Punkt. Natürlich ist die Gründung einer Uhrenmarke aus persönlicher Begeisterung nicht ungewöhnlich. Was Lehmann Schramberg jedoch so besonders macht, ist die enorme Fertigungstiefe: Die Marke stellt in Hardt Gehäuse, Zeiger, Appliken, Brücken, Platinen sowie Teile der Armbandschließen mit selbst gebauten Maschinen her. Lediglich das Räderwerk, die Hemmung sowie das Armband und Teile der Schließe werden zugekauft. Obwohl Lehmann Präzision feinmechanische Anlagen für zahlreiche große Uhrenmarken und Zulieferer baut, produziert sie Uhrenteile nur für den eigenen Bedarf. In der Produktion in Hardt arbeiten 100 Mitarbeiter, während für die Finissage und die Montage der Uhren fünf Uhrmacher auf Gut Berneck zuständig sind.
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2011: Die Anfänge der Uhrenmarke Lehmann Schramberg
Über den Dächern Schrambergs, auf Gut Berneck, präsentierte sich Lehmann Schramberg im Oktober 2011 der Öffentlichkeit, um die Kollektion Intemporal vorzustellen. Die Linie Intemporal setzt sich aus vier Modellen zusammen, die optisch auf Lehmanns erster Uhr von 2009 basieren. Dazu gehören je eine Uhr mit Fenster beziehungsweise Zeigerdatum, eine Uhr mit zifferblattseitiger Gangreserveanzeige sowie ein Tourbillon. Diese Grundmodelle wurden inzwischen durch Zifferblatt- und Armbandvarianten ergänzt. Zudem wuchs die Intemporal-Familie Anfang 2014 um eine neue Gehäusegröße sowie eine Gangreserveanzeige am unteren Gehäuserand. Im Inneren der schlicht gestalteten Zeitmesser ticken Automatikwerke auf Basis des Eta 2892.
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Das Markenzeichen der Uhren von Lehmann Schramberg
Um sich auch optisch von anderen Marken abzuheben, verziert Lehmann Schramberg die Brücken der Intemporal-Kaliber mit einer speziellen Mikrogravur. Diese kann nach Aussage Markus Lehmanns nur von einer selbst entwickelten Ultrapräzisionsmaschine mit luftgelagerter Hochfrequenzspindel realisiert werden. Nachträglich erhalten die Brücken in der hauseigenen Galvanikanlage eine Bicolor-Verzierung. Damit die Rotoren nicht die aufwendig bearbeiteten Teile verdecken, entwickelte Lehmann eine Schwungmasse aus Saphirglas.
Allerdings hatte der Schweizer Uhrmacher Vianney Halter die gleiche Idee samt Patent schon vor ihm gehabt, wie die Prüfung eines Rechtsanwalts ergab. Kurzum fuhr Lehmann in die Schweiz, wo er sich freundschaftlich mit Halter einigen konnte. So dreht der transparente Rotor heute in fast allen Intemporal-Modellen seine Runden, lediglich die Intemporal Fensterdatum Basic wird von einem skelettierten Metallrotor aufgezogen.
Neben den Mikrogravuren, dem Saphirglasrotor und einem klaren, geradlinigen Design legt die Schwarzwälder Marke Lehmann Schramberg vor allem auf ihr Kronensystem großen Wert. „Mich hat bei Uhren immer die Krone am Handrücken gestört, deshalb wollte ich sie bei meiner Uhr verschwinden lassen“, so Markus Lehmann. Zusammen mit dem befreundeten Schweizer Uhrenkonstrukteur Andreas Strehler dachte er sich eine Federkonstruktion aus, bei der die Krone ganz leicht mit dem Fingernagel gezogen werden kann. Nach dem Aufziehen des Federhauses oder dem Justieren der Anzeigen verschwindet die Krone auf Fingerdruck wieder in der Gehäuseflanke.
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