Uhren mit Stoppfunktion sind tickende Bestseller, verbinden sie doch Präzision mit Performance. Modelle mit Ein-Drücker-Steuerung gehen auf die Ursprünge dieser Gattung zurück und geben deren historischen Charme wieder.
In Kombination mit anderen Komplikationen oder einfach als klassischer Stopper am Handgelenk – Chronographen sind ob ihrer Fähigkeit, kurze Zeitspannen zu messen, die wohl populärste Spezies in der Welt der mechanischen Uhr. Es gibt kaum eine Uhrenmarke, die sie nicht im Programm hat, und wohl kaum eine andere Gattung bietet eine ähnlich große Auswahl. Verschiedene Spielarten und Komplikationen wie Rattrapante und Flyback bedienen dabei jeden Geschmack.
Um Kurzzeiten zu messen, gilt es zunächst, die Präzision der Uhren im Allgemeinen zu verbessern. Erst in der Mitte des 18. Jahrhunderts erscheint der Sekundenzeiger – rund hundert Jahre nach dem Minutenzeiger. Die uhrmacherische Herausforderung liegt nun darin, ein komplexes Kupplungssystem zu entwickeln, das den Zeiger zu Beginn eines Ereignisses in Gang setzt und ihn am Ende stoppt, ohne dabei das Werk anzuhalten oder gar zu beschädigen. Eine schwierige Aufgabenstellung, die der Pariser Nicolas Rieussec (1781–1866) erstmals im Jahr 1821 meistert. Passenderweise nennt der königliche Hofuhrmacher seine Erfindung "Chronograph". Der Terminus ist aus dem Griechischen entlehnt und bedeutet schlicht "Zeitschreiber". Sein neues Messinstrument nimmt die Bezeichnung durchaus wörtlich, indiziert es doch die gemessene Zeitspanne durch auf das Zifferblatt aufgesetzte Tintentropfen. Nach jeder neuen Zeitmessung bedarf die Emailfläche freilich einer gründlichen Reinigung. Erstmals zum Einsatz kommt das Instrument bei den populären Pferderennen auf dem Champs de Mars, sind doch Wettspiele aller Art zu jener Zeit beliebt. Davon macht auch die Pariser Bevölkerung keine Ausnahme.
Doch der Präzision kommt auch in anderen, durchaus ehrenwerten Bereichen eine immer größere Bedeutung zu: den verschiedenen Feldern der Wissenschaft. Gleich zwei Experten setzen sich deswegen vor der "Académie Royale des Science" für eine Patentierung ein: der Uhrmacher Antoine-Louis Breguet (1776–1858) und Gaspard de Prony (1755–1839), seines Zeichens Mathematiker, Ingenieur und Mitglied in der Längenkommission. Der Chronograph halte "die Dauer verschiedener aufeinanderfolgender Ereignisse fest, ohne den Beobachter dazu zu verpflichten, seine Augen auf das Zifferblatt zu bannen oder sich auf ein akustisches Signal oder das Schwingen eines Pendels konzentrieren zu müssen", schreiben die Fürsprecher der neuen Technik an die Wissenschaftsakademie. Ein Instrument mit diesen Eigenschaften stelle sicherlich eine wertvolle Hilfe für Ärzte, Ingenieure und andere Wissenschaftler dar, die auf eine exakte Zeitnahme angewiesen sind. Am 9. März 1822 erhält Rieussec also ein Patent auf seine Erfindung. Dieses spornt auch den Einfallsreichtum seiner Kollegen an: Frederick Louis Fatton (1747–1823) stellt in London einen Chronographen im verkleinerten Taschenuhrenformat vor, während Breguet und Abraham-Louis Perrelet (1729–1826) Mechanismen entwickeln, aus deren Zeigern, anstatt aus einer Feder, die Tinte tropft. Rieussec selbst perfektioniert seine Apparatur, indem er sie mit einem zusätzlichen Zifferblatt zur Messung der Minuten ausstattet.
Die Folgen des Tintenflecks
Was mit einem Tintenklecks beginnt, nimmt eine rasante Entwicklung. 1844 erfindet der Uhrmacher Adolphe Nicole im Vallée de Joux das erste Nullstellungssystem der Zeiger. Um gleichzeitig mehrere Zeitspannen zu messen, entwickelt sein österreichischer Kollege Joseph Thaddäus Winnerl (1799–1866) einen ersten Einhol-Mechanismus mit zwei Chronographenzeigern und einer Kupplungsvorrichtung mit Doppelzeigerzangen. Diese halten den zweiten Sekundenzeiger, auch Trotteuse genannt, fest und lassen ihn bei erneuter Betätigung des Drückers wieder los, damit er den ersten Sekundenzeiger blitzschnell einholen kann. Mit der Emanzipation der Armbanduhr findet die Komplikation am Anfang des 20. Jahrhunderts auch an das Handgelenk. Doch egal ob in der Tasche oder am Arm, alle Konstruktionen haben einen Nachteil: Der Drücker für die Bedienung der Chronographenfunktionen befindet sich in der Krone. Ein erneutes Starten nach einer Messung ist nicht möglich. Zuerst muss die Nullstellung erfolgen. Gaston Breitling gelingt es um 1915 erstmals, die Funktionen deutlich voneinander zu trennen: Er kreiert einen von der Krone unabhängigen Drücker für die Steuerung des Chronographen, der bei zwei Uhr am Gehäuse platziert ist. Dieser technische Kniff eröffnet neue Möglichkeiten: Erstmals lassen sich nun bei Sportwettkämpfen oder wissenschaftlichen Untersuchungen mehrere Zeitmessungen aneinanderreihen und addieren, ohne Umweg über die Nullstellung.
In den 1930er-Jahren entwickelt Gastons Sohn und Nachfolger Willy das Konzept noch einmal weiter und fügt einen dritten Drücker hinzu. Bei dieser 1934 patentierten Konstruktion ist für die bis 1915 in die Krone eingebaute Nullstellsteuerung ebenfalls ein Drücker bei zwei Uhr zuständig, während der Sekundenzeiger durch einen bei vier Uhr platzierten Drücker in Gang gesetzt wird. Die klare Trennung der Funktionen hat auch einen optischen Vorteil, verleihen die beiden symmetrisch neben der Krone angeordneten Drücker dem Chronographen doch ein ausgewogenes Erscheinungsbild, das sich bis heute hält. Eine wichtige Weiterentwicklung ist auch eine Konstruktion von Marcel Dépraz (1874–1946) von 1940. Sein Mechanismus stellt sicher, dass die Nullstellung des Chronographen nur nach dem Anhalten erfolgen kann.
Zurück zu den Wurzeln
Im Gegensatz zu Rieussecs buchstäblichem "Zeitschreiber" müsste man bei modernen Chronographen eigentlich von "Chronoskopen" sprechen. Schließlich schreiben sie nichts auf, sondern stellen die gestoppten Zeitabstände in der Regel lediglich durch ihre Zeiger dar. Eine Ausnahme macht hiervon die Nicolas Rieussec gewidmete Chronographen-Linie von Montblanc, die in Reminiszenz an die geniale Erfindung des Parisers zwei rotierende Scheiben mit den Totalisatoren für die Stoppsekunde und -minute kreisen lässt.