Die Indikation der Mondphase ist eine besonders charmante Uhrenanzeige, gibt sie doch das einzigartige Auf und Ab, das der Mond jede Nacht auf das Neue am Himmel inszeniert, im Kleinformat wieder. Der Mond ist der natürliche Satellit der Erde und gleichzeitig auch der uns nächste Himmelskörper. Für Astronomen und Sternengucker ist er das wohl lohnenswerteste Beobachtungsobjekt, denn selbst mit bloßem Auge lässt er sich gut erkennen. Abhängig von seiner Stellung in Bezug zur Erde wird das von der Sonne beschienene Nachtgestirn in einer sich täglich ändernden Gestalt vorstellig, vom opulenten Rund des Vollmondes bis hin zur grazilen Sichel des Neumondes. Hat es nach circa 29,5 Tagen all seine Phasen durchlaufen, beginnt das Schauspiel von vorne, wobei uns der Mond immer dieselbe Seite zeigt, egal, von wo aus auf der Erde wir ihn betrachten. Dabei der Trabant einen immensen Einfluss auf die Erde aus: Er beeinflusst die Gezeiten und sorgt für das kontinuierliche Zusammenspiel von Ebbe und Flut. Entsprechend der täglichen Verschiebung des Mondaufgangs um circa 50 Minuten, setzen auch Ebbe und Flut tagein, tagaus um etwa 50 Minuten später ein.
Jahrtausendelang haben die Menschen die Landwirtschaft nach den Mondzyklen ausgerichtet. Angesichts der mythischen Bedeutung für die Erdbewohner ist es wenig erstaunlich, dass die Komplikation der Mondphase über eine lange Tradition in der Uhrmacherei verfügt. Bereits in den Metropolen der frühen Neuzeit wie Prag, Straßburg oder Ulm stellen prachtvolle Monumentaluhren neben anderen astronomischen Indikationen wie Sonnenauf- und -untergang, Mond- und Sonnenfinsternisse auch die steten Bewegungen des Erdtrabanten dar. Ab dem frühen 16. Jahrhundert geben die ersten Wanduhren seinen Stand wieder. Mit der Einführung der Taschenuhr hält die Indikation in verkleinerter Größe Einzug in die ersten tragbaren Gehäuse. In den 1920er-Jahren setzt dieselbe Anzeige ihr faszinierendes Schauspiel noch stärker miniaturisiert auf den Zifferblättern der in Mode kommenden Armbanduhren in Szene.
Zur Hochphase der Quarzuhren in den 1970er-Jahren wird es still um die mechanische Uhr und damit auch um diese astronomische Komplikation. Erst in den Achtzigern, als die sogenannte Quarzkrise langsam zu Ende geht und die mechanische Uhr eine langsame Renaissance erlebt, verhilft Blancpain mit dem Kaliber 6395 der alten astronomischen Komplikation zu einem neuen, glanzvollen Auftritt. Dessen Vollkalendarium mit Anzeige des Wochentags, Monats und Datums stilisiert den Vollmond der Anzeige erstmals liebevoll als lächelndes Gesicht. Die Uhr ist ein solcher Erfolg, dass nicht nur Blancpain die Indikation weiterführt, sondern auch viele andere Hersteller sie in ihr Programm integrieren.
Astronomisch gesehen ist die Anzeige der Mondphase eigentlich eine simple Sache: Eine Lunation, also die Zeitspanne von Neumond zu Neumond, beträgt 29 Tage, 12 Stunden, 44 Minuten und 2,9 Sekunden, zusammen 29,53058 Tage – die Ziffern hinter dem Komma könnte man noch eine Weil ergänzen. Der Einfachheit halber basiert deswegen die klassische Mondphasenanzeige auf einem Zyklus von 29,5 Tagen. Multipliziert mit zwei ergibt das 59 Tage, dem entspricht die Anzahl der Zähne an der Mondscheibe, die sich einmal in knapp zwei Monaten um die eigene Achse dreht und mit zwei gleichen Abbildungen des Mondes bedruckt ist. Die Abrundung summiert sich jedoch mit der Zeit zu einer deutlichen Abweichung vom realen Mondalter, wird dieses je Zyklus doch um gut 44 Minuten verkürzt dargestellt. Diese einfachste Art der Anzeige verlangt nach gut zweieinhalb Jahren nach einer Korrektur, die der Träger meist durch einen im Gehäuse verborgenen Drücker erledigen kann.
Es geht freilich präziser. Einige Mondphasen-Mechanismen sind so präzise berechnet, dass sie erst in ferner Zukunft vom tatsächlichen Mondalter abweichen. Ein Beispiel dafür ist die Lange 1 Mondphase von A. Lange & Söhne: Erst nach 122,6 Jahren weicht sie um einen Tag von der Umlaufzeit des echten Mondes ab, das bedeutet eine Präzision von 99,998 Prozent.
Noch genauer nimmt es die Portugieser Perpetual Calendar von IWC: Erst in 577,5 Jahren summiert sich ein Restfehler von 12 Sekunden pro Mondperiode auf einen Tag Abweichung. Dabei verfügt der Kalender nicht nur über diese extrem realistische Angabe, sondern er ist auch eines jener seltenen Beispiele, das die Mondphasen beider Hemisphären, also entsprechend der Ansicht auf der südlichen und nördlichen Halbkugel, wiedergibt. Ein demgemäß ausgeklügelter Mechanismus realisiert die Anzeige: Nicht die Mondscheibe selbst bewegt sich, sondern eine als Globus gravierte Kulissenscheibe mit zwei kreisrunden Aussparungen vor einem silberfarbenen Hintergrund, der auf einer horizontalen Ebene zwei blaue Kreisflächen trägt. Auf diese Weise wird der aktuelle Stand des Mondes der südlichen Hemisphäre spiegelbildlich zu dem der nördlichen Hemisphäre angezeigt.
Den Gipfel der Präzision hat IWC 2024 erreicht: Der Portugieser Eternal Calendar besitzt nicht nur einen säkularen Kalender, der im Gegensatz zum "normalen" ewigen Kalender berücksichtigt, dass die Jahre 2100, 2200 und 2300 keine Schaltjahre sind. Sondern er hat darüber hinaus eine Mondphase, die erst nach sage und schreibe 45 Millionen (!) Jahren um einen Tag falsch geht – ein Rekord, der wohl nicht mehr überboten wird, was auch wenig Sinn ergeben würde. Inzwischen hat es die Uhr sogar ins Guinness-Buch der Rekorde gebracht.
Genauigkeit und Kreativität sind keine Grenzen gesetzt
Die 2024 vorgestellte neueste Version der Duomètre à Quantième Lunaire von Jaeger-LeCoultre indiziert ebenfalls die Mondphasen beider Hemisphären. Allerdings beschreitet sie einen anderen Weg. In einem Fenster bei zehn Uhr stellt ein Mondsymbol den Stand des Erdtrabanten auf der nördlichen Hemisphäre dar, ein Zeiger den auf der südlichen sowie das Mondalter.
Die gebräuchlichste Darstellung des Nachtgestirns besteht aus einer Scheibe mit zwei Monden. Ein Schaltfinger dreht die Scheibe alle 24 Stunden um einen Zahn weiter, und das Mondsymbol – meist mit einer Entourage von Sternkonstellationen am Nachthimmel – erscheint in der gewünschten Form in einem Ausschnitt auf dem Zifferblatt bei vier, sechs, neun oder zwölf Uhr. Bei manchen Modellen hat das Fenster eine Sichelform.
Eine ganz eigene Art der Darstellung ist die dreidimensionale Mondphase. Besonders beeindruckend gerät sie bei Großuhren. Zum Beispiel beim Opus Moon Tourbillon von Erwin Sattler, wo sie das optische Gegengewicht zum darüber platzierten Minutentourbillon bildet, das sich in einem gleichgroßen Zifferblattausschnitt zeigt.
Arnold & Son wiederum setzt seine 3D-Mondphase prominent unter das dezentrale Zifferblatt für Stunden und Minuten. Bei der Luna Magna lässt die Mondkugel die Dicke des hauseigenen Handaufzugskalibers A&S1021 mit 90 Stunden Gangreserve von eigentlich 4,75 auf 12 Millimeter anwachsen! Bei der auf 38 Stück limitierten Luna Magna Rose Gold besteht die eine Hälfte der Kugel aus blau PVD-beschichtetem Meteoritengestein, die andere aus mit Superluminova-beschichtetemCacholong-Opal.
Text: Rüdiger Bucher, Sabine Zwettler