Der junge Aurel erkannte früh, dass er mit dem Aufspüren von Sammleruhren für seine neuen Bekannten Geld machen konnte. Viel Geld, wie er fand: 100 oder 120 Schweizer Franken auf einmal. „Ich hätte vier oder fünf ganze Nachmittage Rasen mähen müssen, um so viel zu verdienen.“ Während seine Freunde ganz normalen Freizeitbeschäftigungen nachgingen, fuhr Bacs mit dem Zug – er war noch zu jung für den Führerschein – nach Deutschland, Italien, Österreich und Frankreich, um Uhren zu kaufen. Die Eltern ließen ihn gewähren: „Ich glaube, ihnen war es lieber, wenn ihr Junge mit dem Zug nach München oder Stuttgart fuhr, als wenn er in Bars herumgehangen und Blödsinn gemacht hätte.“ Aber es ging nicht nur um Geld. „Als Teenager suchst du Anerkennung, egal ob sie vom Lehrer, von den Eltern oder von einem Mädchen kommt. Und wenn ein Sammler zu mir sagte, er habe diese oder jene wunderschöne Uhr noch nie gesehen, dann war ich glücklich.“
Während Bacs Wirtschaft und Recht an der Universität von Sankt Gallen studierte, setzte er seine Uhrenstreifzüge fort. 1995 fehlte ihm noch ein Jahr bis zum Abschluss, als ein Freund ihn auf eine Anzeige aufmerksam machte, in der das Auktionshaus Sotheby’s einen Spezialisten für seine Uhrenabteilung suchte. Bacs bewarb sich, und wider Erwarten wollte Sotheby’s ihn kennen lernen. Zum ersten Gespräch empfing ihn überraschenderweise der Chefbuchhalter. Bacs erinnert sich: „Ich nehme an, sie haben den armen Kerl geschickt, damit er erst einmal herausfindet, ob das Ganze ein Scherz ist. Denn normalerweise bewirbt man sich nicht mit 22 Jahren als Experte in einem Auktionshaus.“ Nachdem die Frage nach der Ernsthaftigkeit geklärt war und sich der junge Bewerber in weiteren Gesprächen tatsächlich als Kenner alter Uhren entpuppte, bot Sotheby’s ihm den Job an. Bacs brach sein Studium ab – wissend, dass er es jederzeit wiederaufnehmen konnte. Doch dazu sollte es nicht mehr kommen. „Alle Auktionshäuser zusammengenommen hatten damals höchstens ein Dutzend Uhrenexperten. Es gab weniger solcher Fachleute als aktive Formel-1-Fahrer oder NASA-Astronauten. Es war ein Privileg, einen solchen Job zu bekommen.“ Privileg hin oder her: Schon nach einem Monat hätte Bacs beinahe gekündigt. „Ich hasste es. Wie ich es hasste! Eben noch sorgloser Student mit geringer Neigung zu einer regelmäßigen Rasur, war ich nun in einer Branche gelandet, in der ein einreihiger Anzug als legere Freitagskleidung betrachtet wurde. Das war ein echter Kulturschock.“ Doch nach reichlich Zuspruch von einem guten Freund entschied er sich, die Sache auszukämpfen, und schon nach kurzer Zeit wurde er warm mit seinem neuen Umfeld. Belebende Konkurrenz Unter anderem gefiel ihm der Konkurrenzkampf: Die großen Auktionshäuser Antiquorum, Christie’s und Sotheby’s bemühten sich um wachsende Präsenz im noch jungen, aber rasant wachsenden Sammleruhrenmarkt. Und so blieb Bacs nicht nur ein oder zwei Jahre, wie er es geplant hatte, sondern fünf. In dieser Zeit übernahm der sprachgewandte Uhrenexperte zusätzlich die Aufgabe eines Auktionators. Er verließ Sotheby’s auf dem Höhepunkt seiner damaligen Karriere: In seiner letzten Auktion im Mai 2000 sprengte er gleich mit zwei Uhren, beide von Patek Philippe, die Millionen-Franken- Grenze. „Am Auktionspult den Preis ‚eine Million Franken‘ auszusprechen, ist schon ein tolles Gefühl – erst recht für einen 28-Jährigen.“ Doch solche Glücksmomente waren zu selten. Bacs wollte sich auf die absoluten Spitzenuhren konzentrieren – Stücke mit überwiegend sechsstelligen Preisen. Und so traf er sich kurz nach seiner Kündigung mit Sotheby’s ehemaligem Europa-Geschäftsführer und Chefauktionator Simon de Pury, der zwischenzeitlich den Zürcher Kunsthandel de Pury & Luxembourg Art mitbegründet hatte. De Pury bot Bacs eine Stelle an, die dieser ideal fand. Er sollte Käufer und Verkäufer von Top-Uhren zusammenbringen. Doch schon nach wenigen Monaten fand er sich erneut im Auktionsgeschehen wieder: De Pury & Luxembourg Art hatte mit dem in Schieflage geratenen Auktionshaus Phillips, das damals zur Luxusgruppe LVMH (Moët Hennessy Louis Vuitton) gehörte, zum neuen Unternehmen Phillips, de Pury & Luxembourg fusioniert. Nun wurden alle Experten informiert, dass sie fortan Auktionen organisieren und leiten müssten. Bacs war ganz und gar nicht erfreut. Aber weil de Pury ihm versicherte, dass die Dinge hier anders laufen würden als bei Sotheby’s, blieb er. Und das sollte sich bezahlt machen: In seiner ersten Auktion, im November 2001, erzielte Bacs den bis dato höchsten Preis, der jemals für eine Armbanduhr bezahlt worden war. Bei diesem Bestseller, der für gut drei Millionen Schweizer Franken zugeschlagen wurde, handelte es sich um eine gelbgoldene Patek Philippe Referenz 1591 mit ewigem Kalender und Mondphase. „Ich war gerade 30 Jahre alt geworden und hatte soeben die wertvollste Armbanduhr aller Zeiten verkauft. Ich fühlte mich unglaublich!“2003 verließ Bacs das Unternehmen und heuerte beim Auktionshaus Christie’s als Mitgeschäftsführer der internationalen Uhrenabteilung an, die er heute allein leitet. Seit seinem Amtsantritt haben die Umsätze ungekannte Höhen erreicht: 2004 übertraf das Gesamtergebnis dasjenige des direkten Konkurrenten Sotheby’s, und drei Jahre später stellte Christie’s sogar den 1974 gegründeten Marktführer Antiquorum mit Hauptsitz in Genf in den Schatten. Hierbei spielte allerdings auch der Umsturz im Antiquorum-Management im Jahr 2007 eine Rolle: Nachdem die asiatischen Gesellschafter den Firmengründer und Auktionator Osvaldo Patrizzi aus dem Unternehmen gedrängt hatten, waren die Verkäufe merklich zurückgegangen. Nichtsdestotrotz ist es Bacs zu verdanken, dass die Uhrenauktionen von Christie’s immer erfolgreicher wurden. Die Jahreserlöse betrugen 13,5 Millionen Euro im Jahr 2002 – dem Jahr vor seinem Eintritt ins Unternehmen – und steigerten sich innerhalb von zwei Jahren auf 35 Millionen. Weitere zwei Jahre später, 2006, waren es bereits 43 Millionen. >> Meilensteine der Auktionsgeschichte und Interview mit Aurel Bacs Meilensteine der AuktionsgeschichteAuch und gerade in der Folge der Finanzkrise feierte das Unternehmen bemerkenswerte Erfolge, vor allem durch das Wachstum des asiatischen, besonders des chinesischen Marktes. Doch Asien ist nicht alles: „Die Europäer sind zurück, und sie haben viel Geld mitgebracht“, stellt Bacs fest. Zu seinen größten Erfolgen gehört der Verkauf der bis heute teuersten Uhr, die je bei Christie’s über den Tresen ging: Im Mai 2010 erreichte er in Genf mit einer goldenen Patek Philippe Referenz 1527 mit ewigem Kalender, Mondphase und Chronograph einen Zuschlag von sagenhaften 6.259.000 Schweizer Franken. Weitere Sensationen bot die Mai-Auktion im Folgejahr: Neben einem gigantischen Gesamterlös von mehr als 23 Millionen Franken konnte Bacs den weltweit höchsten Zuschlag für eine Rolex für sich verbuchen; ein stählerner „Antimagnetique“-Schleppzeigerchronograph aus dem Jahr 1942 brachte mehr als eine Million Franken. Ein zusätzlicher Meilenstein der Auktionsgeschichte war der Verkauf des teuersten einfachen Chronographen in derselben Veranstaltung. Die Weißgolduhr von Patek Philippe kletterte unter Bacs’ Regie auf 3.235.000 Franken.
„Jede Auktion ist wie die Teilnahme an den Olympischen Spielen“, sagt Bacs. „Du arbeitest im Vorfeld wie verrückt und dann, innerhalb weniger Sekunden, hast du entweder gewonnen oder verloren. Vom Pult aus siehst du 150 bis 200 Menschen, du hast etwa 200 Telefonbieter und noch mehr Online-Teilnehmer. Ich will nicht sagen, dass sie gegen dich sind, aber sie wollen so wenig wie möglich zahlen, während du einen möglichst hohen Preis erzielen willst. Du bist nervös, darfst es aber in keinem Fall zeigen. Wenn du Angst hast, sehen sie es.“ Der Job des Auktionators wird manchmal mit dem eines Schauspielers verglichen, aber für Bacs hinkt der Vergleich. Denn Filme folgen einem Drehbuch, während der Auktionator niemals im Voraus die Handlung kennt. „Wird die erste Uhr der Auktion 4.000 oder 8.000 Franken bringen, oder bleibt sie gar unverkauft? Wer wird versuchen, eine weitere Erhöhung zu verhindern? Wer wird ‚Langsamer!‘ rufen? Eine Uhr, von der du dir 200.000 Franken erwartet hast, bringt nur 150.000 Franken, und du bist enttäuscht – oder umgekehrt, dann schwebst du auf Wolke sieben. Aber du kannst nicht sagen: ‚Meine Damen und Herren, ich schwebe auf Wolke sieben‘ oder ‚Was fällt Ihnen ein, nicht mitzubieten?‘ Und das Publikum muss aufmerksam bleiben – du musst es unterhalten, ohne es abzulenken. Du musst witzig sein, aber kein Clown. Und du kannst einen Gag niemals vorbereiten.‘‘ Alles in allem sieht Bacs das Auktionsgeschäft als knallharte Branche. Vor allem der gnadenlos vollgestopfte Terminkalender baut mächtig Druck auf. Nicht nur einmal hat Bacs deshalb in Betracht gezogen, den Beruf zu wechseln. Aber die Beschäftigung mit den schönsten Uhren der Welt ist einfach zu verlockend. „Ich kam vor 17 Jahren in die Branche und bin immer noch hier. Es macht süchtig. Und ich liebe es.“ Interview mit Aurel Bacs - Was bringt die Zukunft, Herr Bacs? Welche jungen Uhrenmarken könnten Ihrer Meinung nach im Wert steigen? Nun, was macht eine Luxusuhr zum Sammlerstück? Wichtig sind eine aufwendige Konstruktion, Handbearbeitung und hohe Qualität. Ich glaube an das, was ich gerne als DNA bezeichne: Eine Uhr soll nicht sämtliche Designtrends von der Genfer und der Basler Messe vereinen, sondern eine eigene Identität haben. Man muss dem Zeitmesser ansehen, wer ihn geschaffen hat: ein Designer oder ein Uhrmacher.