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Vintage Panerai: Die Lehmann-Radiomir Referenz 3646 / Typ C

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Kompromisslose Funktionalität, mechanische Präzision und ein unvergleichliches Design faszinieren seit Jahren die Sammler der frühen Taucheruhren von Panerai, die für ihre Benutzer ein wichtiges Instrument während ihren Einsätzen waren. Die genaue Uhrzeit, eine perfekte Ablesbarkeit in der Dunkelheit und die einwandfreie Funktion unter Wasser waren die von der Marine geforderten Eigenschaften, welche die Uhren aus Florenz zuverlässig erfüllten. Nachfolgend stellen wir eine dieser historischen Panerai-Uhren vor: Die Lehmann-Radiomir (Referenz 3646 / Typ C) Die Lehmann-Radiomir gehört zu einer Gruppe von nur 46 heute noch existierenden Uhren des Typs C. Der Nummernkreis dieser Uhren erstreckt sich von 1010091 bis 1010374 und bildet damit die zweitgrößte Gruppe innerhalb der Referenz 3646, deren Herstellung und Auslieferung an die Marine sich nach heutigen Erkenntnissen von Mitte 1942 bis April 1943 erstreckt hat.
Im kissenförmigen Gehäuse mit 47 Millimetern Durchmesser zeigt sich je nach Zusammensetzung der Radiomir-Leuchtmasse und unterschiedlicher Alterung eine rote Färbung der Ziffern und Balken-Indexe. Foto: Jörg Wischmann © ©wischmann.de
In Panerai-Uhren des Typs C wurde das mit Genfer Streifen dekorierte Rolex-Uhrwerk 618 / Typ 1 (Kaliber 618 Cortébert mit 16 Linien) verbaut, welches die gleichen Gravuren auf Federhaus- und Zentralbrücke aufweist, wie bei Panerai-Uhren des Typs A, B und D. Das Uhrwerk hat eine monometallische Schraubenunruh und 17 Rubine. Für die Wasserdichtheit sorgen eine verschraubte, zwiebelförmige Krone sowie zwei Dichtungsringe aus Blei, die zwischen Lünette und Boden das Gehäuse abdichen. Der Werkhaltering aus Messing besitzt ein Außengewinde, auf welches Lünette und Gehäuseboden gegeneinander aufgeschraubt werden und die Uhr somit hermetisch abdichten. Bei den Panerai-Uhren der Neuzeit steht der Name „Radiomir“ für die Gehäuseform der Uhr. Ursprünglich verbarg sich hinter diesem Begriff aber der eigentliche Name der Leuchtmasse: eine Mischung aus phosphoreszierendem Zinksulfid und Radiumbromid. Verschleißteile wie Zeiger, Aufzugskrone und die verchromte Messingschließe befinden sich bei der Lehmann-Radiomir noch im Originalzustand. Das Uhrwerk wurde im Jahr 2007 vollständig restauriert.
Von Top-Athleten zu Kampfschwimmern
Verwaltungsmaat Werner Bullin trägt während seiner Ausbildungszeit die hier vorgestellte Panerai-Uhr. Foto: Archiv Ehlers & Wiegmann © PR
Die vorgestellte Panerai-Uhr (Buch „History1“, Kapitel I) wurde Ende Mai 1944 dem Deutschen Kampfschwimmer Werner Bullin während seiner Ausbildung in der Lagune von Venedig übergeben. Bullin gehörte 1943 der „Wettkampfgruppe Schwimmen“ an, einer Gruppe von etwa 20 Top-Athleten, die täglich trainierten und bis dato noch keine Kriegshandlungen durchgeführt hatten. Unter ihnen waren Schwimmer, die vor und nach dem 2. Weltkrieg Podiumsplätze bei Olympischen Spielen und Weltrekorde errungen haben. Im Dezember 1943 absolvierte Bullin einen Lehrgang in Heiligenhafen, wo er und weitere Elite-Schwimmer in Italien für die Ausbildung zu Kampfschwimmern vorbereitet wurden. Eine Panerai-Uhr und ein Panerai-Kompass mit Leuchtzifferblättern waren dabei äußerst wichtige Bestandteile ihrer Ausrüstung: Während der Ausbildung in Valdagno schwammen die zukünftigen Kampfschwimmer täglich mehrere Stunden, lernten den Umgang mit dem Sauerstoff-Tauchgerät, arbeiteten mit dem Belloni-Anzug und brachten Übungssprengladungen an einer improvisierten Schiffswand an. Auch Leichtathletik- und Nahkampfübungen standen auf dem Ausbildungsplan. Ende Mai des Jahres 1944 wurden die Schwimmer auf die verlassene Insel San Giorgio in Alga, direkt in der Lagune von Venedig, verlegt. Eine weitere, äußerst schwierige Übung waren die ebenfalls zur Meeresausbildung gehörenden Unterwassermärsche. Auch hier kamen die Instrumente von Panerai zum Einsatz und ermöglichten die Orientierung unter Wasser. Im Belloni-Anzug, mit Bleischuhen, Bleigewichten sowie dem großen Atemgerät begaben sich die Kampfschwimmer auf den Meeresgrund, um vorher versenkte Gegenstände zu suchen und zurück an die Oberfläche zu bringen. Diese kräftezehrende Übungen brachten die Kampfschwimmer bis an ihre Leistungsgrenze und auch darüber hinaus. Meisterschwimmer Werner Bullin verunglückte bei einem der zuvor erläuterten Unterwassermärsche tödlich. Da die Ausrüstung der Kampfschwimmer wertvoll war und es im Krieg keinen Platz für „Sentimentalitäten“ gab, wurde die Uhr des Verunglückten an Heinz Günter Lehmann weitergegeben. Lehmann, der ebenfalls der „Wettkampfgruppe Schwimmen“ angehörte, kam erst drei Monate später als frisch beförderter Fähnrich nach Italien zur Ausbildung. Lehmann trug ab diesem Zeitpunkt, während seiner Ausbildung und seiner späteren Kampfschwimmerzeit, die Panerai-Uhr von Werner Bullin.
Sommer 1944: Heinz Günter Lehmann in Uniform. Seine Initialen (GL) befinden sich auf dem Gehäuseboden der Uhr. Foto: Archiv Ehlers & Wiegmann © PR
Lehmann erlernte unter Ausbilder Alfred von Wurzian unterschiedliche Angriffsmethoden gegen Schiffsziele. Seine Spur verliert sich nachdem er seine Ausbildung in der Lagune von Venedig beendet hat. Gegen Kriegsende im Mai 1945 kam Lehmann wie die meisten Kampfschwimmer in List auf der Insel Sylt in englische Kriegsgefangenschaft. Dort wurde er von seinen Kameraden der „Einsatzgruppe Keller“ (die ebenfalls als Kriegsgefangene auf Sylt interniert waren) dazu inspiriert, sich eine Erinnerungsgravur in den Gehäuseboden seiner Panerai-Uhr stechen zu lassen. Unter den Kampfschwimmern der „Einsatzgruppe Keller“ befand sich ein gelernter Uhrmacher, der im Frühjahr 1945 mit Hilfe eines umgebauten Rasierapparats die Gravuren auf den Gehäuseboden der Uhren anfertigte. Diese Gravuren sind aufgrund ihrer Technik und der Handschrift des Uhrmachers nahezu fälschungssicher und geben Aufschluss über ihren Träger und oft auch über dessen Einsatzgruppe. Panerai-Uhren mit diesen Gravuren bzw. einer derart gut dokumentierten Geschichte sind heute gesuchte Sammlerstücke und erzielten auf vergangenen Auktionen bereits Höchstpreise.
Die Initialen des einstigen Trägers, die Jahreszahl 1945 sowie die Bezeichnung der Spezialeinheit „Marine-Kampf-Schwimmer“ geben eindeutige Hinweise auf Herkunft und Zeitraum ihrer Verwendung. Foto: Jörg Wischmann © ©wischmann.de
Heinz Günter Lehmann blieb auch nach dem 2. Weltkrieg ein äußerst erfolgreicher Schwimmer. Er erreichte bei den Europameisterschaften im Jahr 1950 in Wien sowie 1954 in Turin mehrere Podiumsplätze. Im Jahr 1952 war er Mannschaftsführer der deutschen Schwimmer bei den Olympischen Spielen in Helsinki. Darüber hinaus gewann Lehmann 54 Mal den Titel des Deutschen Meisters in verschiedenen Disziplinen. Dank seiner sportlichen Erfolge und seinem großen Engagement für den Schwimmsport bis ins hohe Alter wurden ihm viele Ehrungen zuteil. Er erhielt im Jahr 1950 die höchste deutsche Auszeichnung für sportliche Leistungen: das Silberne Lorbeerblatt. Weitere Informationen über die Lehmann-Radiomir und deren Vorbesitzer sind im Buch „History1“ (Kapitel I) von Ralf Ehlers und Volker Wiegmann veröffentlicht. Hardcover, 26 x 26 cm, 420 Seiten Inhalt, mehr als 250 Fotos und 30 technische Illustrationen, trilingual (Deutsch, Italienisch, Englisch) Preis 189,- EUR. www.vintagepanerai.com Text: Volker Wiegmann

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