Dass Tudor nur ihren Bekanntheitsstatus als kleine Schwester von Rolex genießt, ist lange her. Heute pflegt das 1946 von Hans Wilsdorf gegründete Unternehmen seinen eigenen Stil bis hin zur Entwicklung eigener Manufakturkaliber.
1926 registrierte die Uhrenfabrik Veuve de Philippe Hüther die Marke Tudor im Auftrag von Rolex-Gründer Hans Wilsdorf. Bei den ersten Uhren fand sich ein schlichter "Tudor"-Schriftzug auf dem Zifferblatt, wobei der Querstrich des T bis zum R reichte. Diese ersten Uhren wiesen noch keine Ähnlichkeit mit den Modellen von Rolex auf, meist waren sie rechteckig oder tonneauförmig. Am 6. März 1946 gründete Wilsdorf dann die Firma "Montres Tudor S.A.".
Dazu ließ er verlauten: „Ich habe mehrere Jahre lang über die Herstellung einer Armbanduhr nachgedacht, die von unseren Fachhändlern preisgünstiger verkauft werden kann als unsere Rolex, die jedoch ebenso zuverlässig ist. Jetzt habe ich beschlossen, eigens zur Fabrikation und Vermarktung einer solchen Uhr eine Firma zu gründen. Diese Firma heißt Montres Tudor S. A.“. 1952 lancierte Wilsdorf die Tudor Oyster Prince mit Selbstaufzug dank Perpetual-Rotor. Sie war bis 50 Meter wasserdicht. Zwei Jahre später folgte die erste Taucheruhr: Die Tudor Oyster Prince Submariner Referenz 7922 war zunächst bis 100 Meter wasserdicht, später folgten auch Modelle, die 200 Metern standhielten. Über 45 Jahre wurde dieses Modell weiterentwickelt. Die Tudor-Taucheruhren verwendeten bis in die 1990er-Jahre die Gehäuse, Bänder und sogar Kronen ihrer Rolex-Pendants. Ab 1969 kamen automatische Eta-Werke zum Einsatz.
Ab 2000 versuchte Tudor verstärkt, eigene Schritte zu gehen und sich auch optisch von der großen Schwester zu lösen – nicht zuletzt mit den Markenfarben Schwarz und Rot, die in deutlichem Kontrast zur grün-goldenen Rolex stehen. Nach verschiedenen Ansätzen gelang es 2010 mit der Einführung der Linie Heritage, der Marke ein wiedererkennbares Gesicht zu geben. Der Name bezog sich auf das Retro-Design der Uhren, das sich an historische Tudor-Modelle anlehnte. Vor allem die Heritage Black Bay wurde ein großer Erfolg. Seit 2015 hat Tudor auch eigene Werke im Programm. Die Topmodelle kommen mit einem offiziellen Schweizer Chronometerzeugnis der COSC, das Gangabweichungen zwischen –4 und +6 Sekunden pro Tag erlaubt. Die Hochleistungskaliber zeichnen sich weiter durch eine Gangreserve von circa 70 Stunden aus und haben eine Frequenz von 28.800 Halbschwingungen pro Stunde bzw. 4 Hz, reguliert wird der Oszillator mit variabler Trägheit mit einer Siliziumspiralfeder. Zusätzlich testet Tudor die fertigen Uhren einiger Kaliber noch einmal auf Gangwerte zwischen –2 und +4 Sekunden Abweichung. Seit 2021 arbeitet Tudor mit dem unabhängigen Eidgenössischen Institut für Metrologie (METAS) zusammen. Die Black Bay Ceramic ist das erste Tudor-Modell, das von der METAS als Master Chronometer zertifiziert wurde.
Zuletzt eröffnete Tudor 2023 die erste Fertigungsstätte in der hundertjährigen Geschichte der Firma, die vollständig Tudor gewidmet ist. Die hochmoderne Uhrenmanufaktur der Marke setzt in Le Locle, Schweiz, neue Standards.
Fakt #1 über Tudor: Die aufsehenerregenden Werbekampagnen von Hans Wilsdorf
Hans Wilsdorf präsentierte seine Tudor-Uhren in den 1950er Jahren auf eine für die damalige Zeit einzigartige Weise. Er stattete unter anderem Arbeiter, die mit Pickeln und Presslufthämmern zugange waren, mit Tudor-Uhren aus und dokumentierte deren Widerstandsfähigkeit, Zuverlässigkeit und unverändert gute Präzision in den Anzeigenmotiven.
Auch die Teilnehmer einer britischen Nordgrönland-Expedition von 1952 bis 1954 erhielten Tudor-Uhren und teilten Wilsdorf im Gegenzug Ergebnisse über deren Gangenauigkeit mit, indem sie die Uhren mit dem BBC-Radiosignal abglichen.
Fakt #2 über Tudor: Seit 1954 baut Tudor Taucheruhren
Die 1954 eingeführte Tudor Oyster Prince Submariner war Tudors erste Taucheruhr. Die Ur-Referenz 7922 war bis 100 Meter wasserdicht. 1956 gab es erste Modelle mit 200 Metern Druckfestigkeit, die an die französische Marine geliefert wurden.
Ab 1958 produzierte Tudor solche Taucheruhren in größeren Stückzahlen und verkaufte sie als Referenz 7924, und zwar bis Mitte der Achtziger. Ebenfalls 1958 wurden die U. S. Navy Seals Kunden von Tudor; weitere Seestreitkräfte aus Ländern wie Argentinien, Kanada, Italien, Israel und Südafrika folgten.
Die Zusammenarbeit mit der französischen Marineeinheit Marine Nationale hat Tudor inzwischen wieder aufgenommen: Aus ihr entstand die 2021 vorgestellte Taucheruhr Pelagos FXD mit einem Monobloc-Titangehäuse, bei dem Gehäuse und Bandanstöße ein Teil sind – sodass die Uhr nur mit einem einteiligen Taucherarmband getragen werden kann.
Fakt #3 über Tudor: Seit 1969 gibt es den Snowflake-Zeiger
1969 führte Tudor die zweite Generation seiner Taucheruhr Oyster Prince Submariner ein, mit Datum (Referenz 7021) und ohne Datum (Referenz 7016). In Stunden- und Sekundenzeiger wurde je ein auf der Spitze stehendes Quadrat integriert, um mehr Leuchtmasse platzieren zu können. Unter Sammlern wurde diese Zeigerform bald als „Snowflake“ bekannt.
Der Snowflake-Zeiger ist heute eines der typischen Merkmale, an denen man Uhren von Tudor erkennt.
Fakt #4 über Tudor: Eigene Kaliber
Bereits 2003 machte Tudor den ersten Schritt hin zur Manufaktur mit der Lancierung des Automatikkalibers T8050, das in der Damenuhr Princess Date Hydronaut seine Premiere feierte, aber letztendlich die Erwartungen von Tudor nicht erfüllte. Die Geschichte der heutigen Manufakturkaliber beginnt 2015 mit der Präsentation des ersten hauseigenen Automatikkalibers MT5621 für Herren, das in der Linie North Flag erstmals zum Einsatz kam.
2017 verkündeten Tudor und Breitling eine neue Zusammenarbeit bei den Kalibern: So rüstet Tudor nun seine Chronographen – beispielsweise den Heritage Black Bay Chrono mit Schaltrad-Automatikwerk MT5813 – mit Werken auf Breitling-Basis aus. Breitling bekommt im Gegenzug – etwa für die Superocean Héritage II – Zugriff auf das Tudor-Kaliber MT 5612. Ein Jahr später präsentierte Tudor eine kleinere Version seines Automatikwerks. Das MT5402 besitzt eine Gangdauer von 70 Stunden und ist mit einer Siliziumspiralfeder ausgestattet. Ein COSC-Chronometerzertifikat bescheinigt seine Ganggenauigkeit. Das Automatikwerk kam erstmals in der ebenfalls neuen Black Bay Fifty-Eight zum Einsatz. Diese Uhr ist eine Reminiszenz an die ersten Taucheruhren der Marke. Im Jahr 1958 lancierte die Marke die Referenz 7924, die erstmals eine Wasserdichtheit bis 200 Meter aufwies. Nicht nur die Druckfestigkeit, auch die Gehäusegröße von moderaten 39 Millimetern erinnert an das Modell aus den 1950er-Jahren. Typisch auch die Snowflake-Zeiger, die jedoch erst seit 1969 das Gesicht der Tudor-Taucheruhren prägen.
Fakt #5 über Tudor: Die Entwicklung des Markenlogos
Die ersten Tudor-Uhren zierte noch kein richtiges Logo, sondern ein einfacher „Tudor“-Schriftzug, bei dem der Querstrich des T bis zum R reichte. Bald änderte sich der Schriftzug, und um 1936 erschien erstmals die Tudor-Rose. Anfangs war sie eingebettet in einen Wappenschild, doch bald prägte sie allein mit dem Markennamen das Zifferblatt.
Ab 1969 wurde die Rose allmählich von einem neuen Wappenschild abgelöst. Rolex-Schriftzüge auf Zifferblatt und Boden verschwanden früh, doch die Aufzugskrone mit Rolex-Logo verwendete Tudor bis in die späten Neunziger.
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