Karbon erfreut sich in der Uhrenwelt ständig steigender Beliebtheit. Es ist leicht, kratzfest und hat eine interessante Struktur. Aber es ist auch aufwändig zu bearbeiten, deshalb beherrscht nicht jeder Hersteller diesen Werkstoff für Uhrengehäuse. Das UHREN-MAGAZIN Extra Wissen 2015 informiert über die Eigenschaften, die Herstellung und die Bearbeitung der wichtigsten Gehäusematerialien. In dieser Folge der Serie Uhrengehäuse: Karbon-Uhren.
Bereits in den 1980er-Jahren experimentierte Audemars Piguet mit Uhrenteilen aus Karbon. Um die Vorteile des Werkstoffs weiter nutzen zu können, begann die Schweizer Manufaktur 2003, ein umfangreiches Know-how aufzubauen, von der Herstellung bis zur Ausstattung, basierend auf dem in der Luftfahrt eingesetzten Schmiedeverfahren. "Das in der Luftfahrt verwendete Verfahren ist nicht für die Uhrmacherkunst geeignet, weil es für sehr große Stücke gedacht ist. Wir haben die Philosophie beibehalten, aber die Technik für das Erhitzen und Kühlen der Formen verändert", erklärt Yves Leuba, Leiter der Abteilung für geschmiedetes Karbon bei Audemars Piguet.
Pionier der Karbon-Uhren: Audemars Piguet
Das erste Karbon-Modell kam schließlich 2007 auf den Markt, die Royal Oak Offshore Alinghi Team. "Die Royal-Oak-Offshore-Alinghi Uhr in Gold wiegt etwa 461 Gramm, während das Modell aus Karbon nicht mehr als 92 Gramm wiegt", erklärt Leuba. Der Spezialist fügt hinzu, dass jede Uhr einzigartig sei, weil die Kohlenstofffasern in willkürlicher Weise in der Form verteilt werden.
Karbon wird aus Kunstharzfäden gewonnen, die einen Durchmesser von maximal zwei Millimetern aufweisen. Sie tragen winzige Karbonfasern, deren Durchmesser gerade einmal sieben Tausendstelmillimeter beträgt. Kohlenstofffasern wiegen weniger als 2,6 Gramm pro Kubikzentimeter. Faserverstärkte Kunststoffe entwickeln sich heutzutage immer mehr zu einer Schlüsseltechnologie für innovativen Leichtbau. Sie sind hoch belastbar, chemisch stabil, leicht, nachhaltig und energieeffizient. Daher wird Kohlefaser in der Luftfahrt- und Automobilbranche, aber auch im medizinischen Bereich oder beim Militär eingesetzt. Diese Eigenschaften und die schönen, individuellen Muster, die jede Uhr zum Unikat machen, haben auch Hublot von dem speziellen Werkstoff überzeugt.
Hublot fertigt Karbon-Uhren aus Kohlefaserplatten
Hublot übernahm 2011 die Firma Profusion SA in der Schweiz, die die Verarbeitung von kohlefaserverstärkten Kunststoffen beherrscht. Ihre Spezialität ist die Herstellung von Gehäuseteilen aus nur zwei Millimeter dicken Kohlefaserplatten. Derzeit produziert Profusion etwa ein Viertel aller Hublot-Gehäuse. Die Verarbeitung von Kohlefasern ist nicht ganz unproblematisch. Die Schwierigkeiten bestehen unter anderem in massivem Werkzeugverschleiß und hohem Ausschuss. Der Profusion-Gründer und Hublot-Fabrikationschef Jean-Pierre Kohler gibt an, dass nach nur zehn Teilen die Hartmetallfräser unbrauchbar seien und sich etwa 15 Prozent der Produktion nach gründlicher Qualitätskontrolle nicht für Uhrengehäuse nutzen ließen. So verwundert es also nicht, dass Uhren mit Karbonschalen einen hohen Preis besitzen. Zudem können aufgrund des kostenintensiven und schwierigen Herstellungsverfahrens nur wenige Uhrenproduzenten solche Zeitmesser anbieten.
Audemars Piguet verwendet geschmiedetes Karbon. Dieses wird hergestellt, indem die Kohlefasern in Edelstahlformen erhitzt und mit bis zu 300 Kilogramm Druck je Quadratzentimeter Fläche gepresst werden. Übrig bleibt reines Karbon. Bei Hublot wird der Kohlenstoff in verflochtene Fasern verwandelt und mit Harz ummantelt, um ihn dann zur Fertigung von Uhrengehäusen oder Bauteilen einsetzen zu können. Dieser künstlich herbeigeführte thermische Zersetzungsprozess ermöglicht die Herstellung von außerordentlich festem und leichtem Material. Ideal also für den Bau besonders langlebiger Uhren. mg
Hier geht's zum Teil 1 der Serie Uhrengehäuse: Edelstahl-Uhren.
Hier geht's zum Teil 2 der Serie Uhrengehäuse: Keramik-Uhren.
Hier geht's zum Teil 3 der Serie Uhrengehäuse: Titan-Uhren.
Dieser Beitrag stammt aus dem UHREN-MAGAZIN Extra Wissen 2015, das am 14. November 2014 erschienen ist.
Um zu wissen, wie viel eine Uhr kostet, genügt es, den Preis zu kennen. Um ihren Wert beurteilen zu können, braucht es profundes Wissen. Dieser Erkenntnis hat sich das UHREN-MAGAZIN Extra Wissen 2015 verschrieben. Die Sonderausgabe widmet sich allen Komponenten, die zur Fertigung einer Uhr hergestellt werden müssen.
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