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Die Kaufhold-Radiomir Referenz 3646 / Typ D

© ©2011 Brad Trent
Sehr wenige von den ohnehin nur in geringen Stückzahlen produzierten Kampfschwimmer-Uhren von Panerai sind bis heute erhalten geblieben. Einige dieser Uhren sind erst nach Jahrzehnten wieder aufgetaucht und geben nach fast 70 Jahren Auskunft über ihren einstigen Verwendungszweck. Von diesen wenigen Exemplaren sind es wiederum nur eine kleine Anzahl von Uhren, deren Geschichte heute zurück bis zum Zeitpunkt ihrer Verwendung vollständig dokumentiert werden kann. Historisch belegbare Tatsachen über die Umstände und Begebenheiten aus der Zeit des 2. Weltkrieges im Zusammenspiel mit Zeitzeugenberichten der wenigen heute noch lebenden Veteranen, dokumentieren diese seltenen Uhren in beeindruckender Weise. Heute stellen wir eine weitere Panerai-Uhr mit Geschichte vor: Die Kaufhold-Radiomir (Referenz 3646 / Typ D) Die Kaufhold-Radiomir mit der Gehäusenummer 260630 gehört wie auch die bereits vorgestellte Pape-Radiomir (Gehäusenummer 260530), Köneke-Radiomir (Gehäusenummer 260554) sowie die Kiefer-Radiomir (Gehäusenummer 260560) zu den 60 heute bekannten Uhren des Typs D, dessen Nummernkreis sich von 260408 bis 260838 erstreckt. Ein markantes äußerliches Merkmal dieser Uhr ist das unbeschriftete, „anonyme“ Sandwich-Zifferblatt ohne den sonst üblichen Schriftzug „Radiomir Panerai“ – das Haupterkennungsmerkmal einer „Kampfschwimmer-Panerai“. Das Gehäuse wurde in den zurückliegenden Jahrzehnten erfreulicher Weise nicht aufpoliert und hat dadurch viel Patina erhalten. Das kommt durch die matte und von feinsten Kratzern übersäte Oberfläche des Gehäuses zum Vorschein und kann als „natürliche Alterung“ bezeichnet werden. Ein weiteres Indiz für das häufige Tragen der Uhr ist die Ersatzkrone von Rolex, mit der ein Uhrmacher die ursprüngliche Zwiebelkrone ersetzt hat. War das Gewinde im Inneren der Krone durch häufiges Aufziehen abgenutzt, gab es nach dem 2. Weltkrieg kaum eine Chance, eine Original-Krone als Ersatzteil zu erhalten. Oft wurde in solchen Fällen auch gleichzeitig der Tubus erneuert. Der Hals an der Seite des kissenförmigen Radiomir-Gehäuses, in dem sich der Tubus für die verschraubbare Krone befindet, wurde dabei jedoch nicht beschädigt oder gar entfernt, wie dies in einzelnen Fällen bei anderen Uhren der Referenz 3646 geschehen ist.
Panerai-Uhren, die von den Angehörigen der „Einsatzgruppe Keller“ im 2. Weltkrieg getragen wurden, sind auf dem Gehäuseboden mit den Initialen des jeweiligen Kampf­schwimmers sowie der Jahreszahl 1945 graviert. Die auffälligen, mit einem umgebauten Rasierapparat angefertigten Gravuren, wurden im Mai 1945 während der Kriegs­gefangen­schaft angefertigt (siehe Artikel „Die Köneke-Radiomir“). Auch die Uhren der Kampfschwimmer, die anderen Einsatzgruppen zugeteilt waren und ebenfalls auf der Insel Sylt interniert waren, wurden mit Gravuren versehen (siehe Artikel „Die Lehmann-Radiomir“). Durch das häufige Tragen der Uhr über viele Jahre hinweg wurde die Gravur mit der Zeit immer schwächer lesbar und war kaum noch erkennbar. Zu einem späteren Zeitpunkt ließ Hanns-Martin Kaufhold die Gravur erneuern – diesmal jedoch mit einem Stichel, dem typischen Werkzeug eines Graveurs. Textlich war die neue Gravur mit der ursprünglichen Version absolut identisch, jedoch fertigte der Graveur die Inschrift und die Initialen „HK“ mit einer anderen, moderneren Schriftart im Zentrum des Gehäusebodens an. 
(Foto: Brad Trent) © ©2011 Brad Trent
Zu den Erkennungsmerkmalen des bei Uhren der Referenz 3646 verwendeten Rolex-Werk-Typs 1 zählt neben 17 Rubinen die nicht vorhandene Incabloc-Stoßsicherung. Ein Unruh­kloben mit der französisch-englisch ausgeführten Skala A-R und F-S ist ein weiteres Erkennungsmerkmal des Werk-Typs 1, welches auch die Panerai-Uhr von Hanns-Martin Kaufhold besitzt. 
(Foto: Brad Trent) © ©2011 Brad Trent
Die Geschichte der Panerai-Uhr führt zurück in das Jahr 1944 Die hier vorgestellte Panerai-Uhr (Buch „History2“ / Kapitel VII) wurde im 2. Weltkrieg von Hanns-Martin Kaufhold getragen. Als Freiwilliger begann er Ende 1942 eine Laufbahn als Offiziersanwärter, die er am 15. April 1944 als Fähnrich zur See abschloss. In Stralsund stationiert, meldete er sich kurz darauf bei den Kleinkampfverbänden beim „Lehrkommando 700“. Als talentierter Schwimmer brachte Kaufhold die notwendigen Voraussetzungen eines zukünftigen Meereskämpfers mit. Die erste Phase seiner Ausbildung fand in Bad Tölz und im Norditalien gelegenen Valdagno statt. Von dort wurde Hanns-Martin Kaufhold am 23. August 1944 als angehender Kampfschwimmer zur Freitaucherausbildungsstätte auf die Insel San Giorgio in Alga (in der Lagune von Venedig) versetzt. Alle zuvor genannten Stationen seiner Ausbildung konnten mit heute noch vorhandene Feldpostbriefe seiner damaligen Freundin zeitlich präzise datiert und dank der Feldpostnummern (teilweise an Schein-Adressen in Wien, Hamburg und Berlin gesendet) verfolgt werden.
(Foto: Familie Kaufhold) © PR
Die militärische Lage in Norditalien veranlasste die Kampfschwimmer im November 1944, ihre Ausbildungsbasis in der Lagune von Venedig zu verlassen und auf der Insel Sylt fortzusetzen. Dort befand sich in einem ehemaligen Fliegerhorst ein Hallenbad, in dem fortan das intensive Training absolviert wurde. Nach Abschluss seiner Ausbildung erhielt Kaufhold seine Panerai-Uhr, die ihn schon wenig später bei Einsätzen an der Ostfront begleitete. Nachdem Kaufhold bereits am 1. Februar 1945 den „Sägefisch“, das auf Stoff gestickte Bewährungszeichen der Kampfschwimmer, verliehen bekam, wurde er am 25. Februar 1945 Mitglied der neu gebildeten „Kampfschwimmergruppe Ost“ unter Leitung von Leutnant Alfred Keller. Diese Spezialeinheit bestand aus 16 Freiwilligen, die von März bis Anfang Mai 1945 in Flüssen und an den Küstengebieten der Ostfront gegen die Nachschubbrücken der Sowjets mehrere Einsätze durchführten. Zu den zahlreichen Dokumenten, die nach 70 Jahren die Stationen seiner Zeit als Kampfschwimmer der „Einsatzgruppe Keller“ belegen, gehört ein äußerst seltener und ausführlicher Gefechtsbericht, den Hanns-Martin Kaufhold handschriftlich am 3. April 1945 verfasst hat. Das Ende des 2. Weltkrieges erlebte Kaufhold mit seinen Kameraden der „Einsatzgruppe Keller“ auf der Insel Sylt, wo er in britische Kriegsgefangenschaft ging. Er gehörte zu den wenigen Inhaftierten, die ihre Panerai-Uhren nicht wie in den meisten Fällen an ihre Bewacher aushändigen mussten. Die ehemaligen Kampfschwimmer wurden bereits in den Monaten Juni und Juli 1945 nach nur kurzer Gefangenschaft wieder entlassen. Hanns-Martin Kaufhold behielt seine Panerai-Uhr für viele Jahrzehnte als Erinnerungsstück. Durch die Unterstützung der Familie des 1987 verstorbenen Veteranen konnte die interessante Geschichte dieser historischen Panerai-Uhr und ihrem Erstbesitzer umfangreich recherchiert und ausführlich dokumentiert werden.
(Foto: Archiv Ehlers & Wiegmann) © PR
Weitere Informationen über die Kaufhold-Radiomir sind im Buch „History2“ (Kapitel VII) von Ralf Ehlers und Volker Wiegmann ausführlich beschrieben. Hardcover, 26 x 26 cm, 480 Seiten Inhalt, mehr als 290 Fotos und technische Illustrationen, darunter auch die hier beschriebenen Originaldokumente und seltenen Fotos der „Einsatzgruppe Keller“. Das Buch ist dreisprachig (in Deutsch, Italienisch und Englisch) verfasst und zum Preis von 189,- Euro exklusiv auf www.vintagepanerai.com erhältlich. Text: Volker Wiegmann

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