Tim Stracke ist Chef von Chrono24, dem Online-Marktplatz für Luxusuhren. Für schöne Uhren hatte der Wirtschaftsingenieur seit jeher ein Faible. Privat trägt er bevorzugt Zeitmesser von Rolex, Omega und Jaeger-LeCoultre. Zu besonderen Anlässen legt er auch schon mal seine Royal Oak ans Handgelenk.
Mitte der 2000er-Jahre verbrachte Tim Stracke oft Stunden um Stunden auf dem Sofa und suchte im Internet nach Uhren. Der Endzwanziger hatte an der TH Karlsruhe Wirtschaftsingenieurwesen studiert, in den Vereinigten Staaten einen MBA draufgesattelt, bei der Boston Consulting Group als Berater gearbeitet und 2001 einen Technologiedienstleister für Online-Preisvergleiche gegründet, den er 2006 an eine Tochter der Bertelsmann AG verkaufte. Bei der Suche im Netz kam ihm der Gedanke, eine Online-Verkaufsplattform für Uhren aufzubauen.2010 war es soweit. Gemeinsam mit seinen Geschäftspartnern Dirk Schwartz und Michael Krkoska übernahm er die Online Plattform Chrono24. Damals war die Uhrenbranche noch skeptisch, ob Menschen ein exklusives Produkt wie mechanische Uhren überhaupt im Internet kaufen würden. Tim Stracke war sich seiner Sache sicher. "Ich glaube, das hat insbesondere zwei Gründe: dass ich mich vorher intensiv mit Internet-Marktplätzen beschäftigt hatte und dass ich schon immer eine Leidenschaft für schöne Uhren hatte."
Mehr als zehn Jahr später ist aus Chrono24 ein globaler Marktplatz für gebrauchte und auch für neue Luxusuhren geworden. Weit über 100.000 Uhrenliebhaber vertrauen Chrono24 jedes Jahr ihr Geld an. An jeder Transaktion verdient die Plattform durch eine Gebühr, die der Verkäufer entrichtet. 2019 wird das Unternehmen laut eigener Aussage mit einem Transaktionsvolumen von 1,5 Milliarden Euro abschließen. Jeder dritte Uhren-Enthusiast nutzt das Portal, das es ermöglicht, Preise zu vergleichen, Modelle aus erster und zweiter Hand einen Tick günstiger zu erwerben und sich einen Überblick über den globalen Uhrenmarkt zu verschaffen. Aber auch rare Modelle, die auf dem Sekundärmarkt mehr kosten als den Listenpreis, werden auf der OnlinePlattform nachgefragt. Tim Stracke ist überzeugt: "Die Menschen suchen auf unserer Plattform mindestens so sehr nach Exklusivem wie nach dem Günstigen. Warum ist die schwarze Rolex Daytona in Stahl so gefragt? Das ist eine schicke Uhr. Alle wollen sie haben, das macht sie noch begehrenswerter. Wir haben 2015/16 Jahre erlebt, als zu viele Luxusuhren auf dem Markt waren. Die Nachfrage ging zurück, obwohl die Preise günstig waren – das Angebot war nicht mehr exklusiv genug. Jetzt geht die Nachfrage durch die Decke, obwohl auch die Preise durch die Decke gehen." Der Chrono24-Chef sieht seine Plattform als Spiegel des Marktes, der das Verhältnis von Angebot und Nachfrage realistisch abbilde. Das hätten auch die Uhrenmarken erkannt. "Inzwischen sprechen sie mit uns auf Augenhöhe", sagt Stracke. Während er anfangs "oft nicht mal Termine bekam", reist er heute regelmäßig zu Gesprächen mit Herstellern in die Schweiz oder diese kommen nach Karlsruhe.
Seine erste Uhr war eine Swatch, die zweite eine IWC Mark XII Doch auch bei Chrono24 hat man dazugelernt, vor allem beim Thema Vertrauensbildung. Wer heute über Chrono24 eine Uhr kauft, überweist den Kaufbetrag auf ein Treuhandkonto. Erst wenn der Käufer die Ware erhalten und nicht reklamiert hat, wird der Betrag dem Verkäufer überwiesen. Die Verkaufsmitarbeiter erhalten keine Boni. "Wir wollen sie nicht dazu animieren, so viele Händler wie möglich, sondern die richtigen und seriösen Händler auf unsere Plattform zu holen", betont Stracke. Dass darunter der ein oder andere offizielle Konzessionär ist, der über Chrono24 Lagerbestände abbaut, ist ein offenes Geheimnis und ein Kritikpunkt der Uhrenmarken. Kommentieren möchte Tim Stracke das nicht. Für Uhren interessierte sich Tim Stracke seit seiner Jugend. Mit 16 kaufte er sich seine erste mechanische Uhr, die Swatch Automatic Red Ahead. Ihn begeisterte der Glasboden, durch den man das Automatikwerk sehen konnte. Zum Diplom schenkten ihm die Eltern eine IWC Fliegeruhr Mark XII. "Ich habe seit jeher ein Faible für die Fliegerei", gesteht er. "Ein Traum von mir ist es, den Flugschein zu machen. Bisher fehlt mir dazu jedoch die Zeit", sagt er.
Zu seiner Hochzeit machte sich Tim Stracke mit einer Jaeger-LeCoultre Memovox Reveil mit Weckermechanik selbst ein Geschenk. Zum 40. Geburtstag schenkte ihm seine Frau gemeinsam mit Familie und Freunden eine Rolex Milgauss. Die Uhr mit dem Sekundenzeiger in Form eines Blitzes ist mit einem Magnetschirm versehen und hält Magnetfeldern bis zu 1000 Gauß stand. Stracke imponiert die technische Spitzenleistung, aber er genießt es auch, dass die Milgauss nur von Kennern sofort als Rolex-Uhr erkannt wird. Er brauchte lange, bis er sich zwischen dem Modell mit schwarzem Zifferblatt und dem mit dem grünen Saphirglas entschieden hatte. Am Ende fiel seine Wahl auf die weniger auffällige Version in Schwarz mit orangefarbenen Indizes. Zu seinen Lieblingsuhren gehört eine Jaeger-LeCoultre Memovox International, eine Weltzeituhr, bei der die Orte von einem Innenring des Zifferblatts ablesbar sind. "Das Thema Zeitzonen beschäftigt mich beinah täglich. Ich muss viele internationale Telefongespräche führen. Dann ist es gut, auf einen Blick zu sehen, wie viel Uhr es in Hongkong oder Tokio ist, damit ich meine Gesprächspartner nicht aus Versehen aus dem Schlaf hole." Regelmäßig trägt er seine Audemars Piguet Royal Oak in Edelstahl. "Ich musste mich an das Design erst gewöhnen. Wie so oft bei ikonischem Design stellte sich die Begeisterung langfristig ein. Jetzt ist die Royal Oak die Uhr, die ich zu besonderen Anlässen am liebsten trage." Während des Gesprächs hat er eine Omega Speedmaster Speedy Tuesday II am Handgelenk.
Den mechanischen Uhren sagt Tim Stracke eine goldene Zukunft voraus. Es sei genug Platz für alle, für das Juweliergeschäft in der Innenstadt, den markeneigenen Verkauf, ob im E-Commerce oder stationär, und den Online-Handel. Das größte Wachstumspotential räumt er dem Gebrauchtuhrenmarkt ein, insbesondere in China und Amerika. Ihm ist bewusst, dass Menschen heute mechanische Luxusuhren mehr als früher spekulativ kaufen. "Viele haben nicht mehr das Ansinnen, ihre Uhren dauerhaft zu besitzen und sie an ihre Kinder weiterzugeben. Ich bin da eine Ausnahme. Ich bin eher einer, der sammelt. Bei meinen Kindern überlege ich bereits, wer welche Uhr mal erben wird. Uhren gehören doch zu den ganz wenigen Dingen, die in hundert Jahren noch Bestand haben werden. hc