Die Kollektion von Ulysse Nardin besteht aus den Linien Freak, Marine, Diver und Blast. Im Frühjahr 2024 haben Sie den neuen Freak S Nomad vorgestellt. Wie wollen Sie das Portfolio weiterentwickeln?
Ich sehe aktuell mehrere Themen. Erstens: Wenn immer es geht, versuchen wir, eine Uhr kleiner zu machen. Nicht auf Teufel komm raus, aber so weit, dass es Sinn ergibt. Ein Freak hat da seine Grenzen, er würde mit 36 oder 37 Millimetern Durchmesser nicht mehr gut aussehen, und das würde irgendwann auch technisch nicht mehr funktionieren. Soweit es geht, versuchen wir, unter Beibehaltung des gleichen Werks das Gehäuse um einige Millimeter kleiner zu machen. Wenn das nicht geht, es sich aber um ein strategisches Produkt handelt, entwickeln wir ein kleineres und flacheres Werk.
Dieses Bemühen passt zu unserer zweiten Strategie: Wir wollen mehr Uhren an Frauen verkaufen. Dabei spielt nicht nur die reine Größe eine Rolle, sondern auch die Ergonomie – die Uhren müssen perfekt auch an schmalere Handgelenke passen – und nicht zuletzt Details wie Armbänder: Manche unserer Modelle wie die Diver 44 würden einer Frau gut stehen, aber wir bieten derzeit keine passenden Bänder an. Solche Dinge möchte ich ändern.
Was planen Sie für den Freak?
Der Freak bildet unsere wichtigste Linie, sie besteht mittlerweile aus dem Freak One, dem Freak S und dem Freak X. Und jetzt frage ich Sie: Was glauben Sie ist die zweitwichtigste Linie nach dem Freak?
Die Marine?
Genau. Daher wird sie unsere nächste Priorität sein. Darüber hinaus will ich an der Message arbeiten, dass Ulysse Nardin viel mehr ist als nur eine disruptive Marke. Wir haben von Anfang an Komplikationsuhren gebaut. In den ersten 30 Jahren nach der Gründung 1846 waren das unter anderem Taschenuhren mit Repetitionsmechanismen oder Schleppzeigerchronographen. In unserem Museum findet sich eine Uhr aus der Frühzeit, die auf der einen Seite zehn verschiedene Funktionen bietet – und auf der anderen einen ewigen Kalender. In den Jahrzehnten danach haben wir uns bei Marinechronometern einen Namen gemacht.
Nach der Quarzkrise in den 1970er Jahren übernahm Rolf Schnyder die Firma, die damals nur noch zwei Mitarbeiter hatte, und machte sie zu dem, was sie heute ist. Die Partnerschaft mit Ludwig Oechslin brachte uns astronomische Armbanduhren wie das Astrolabium Galileo Galilei, das Planetarium Copernicus und das Tellurium Johannes Kepler sowie den ewigen Kalender, den man nur über die Krone verstellen konnte. Und schließlich haben wir innovative Materialien in die Uhrmacherei eingeführt: Wir waren die ersten, die eine Hemmung aus Silizium gebaut haben. Diese herausragende Geschichte möchte ich künftiger stärker herausarbeiten. Sie bildet auch den Hintergrund für die Bedeutung der Marine-Kollektion.
Was ist mit den beiden anderen Linien, Diver und Blast?
Bei der Blast geht es nicht nur um das expressive Design. Sie dient künftig vor allem als Plattform für unsere Komplikationsuhren. Die werden wir nicht in den Freak integrieren, und die Marine wird mehr unsere klassische Linie mit einem zeitgemäßen Design sein. Die Diver schließlich ist unsere Sportuhr. Ich will sie weg von einer reinen Taucheruhr und mehr in Richtung einer Sportuhr entwickeln. Eine Diver muss leicht, komfortabel, zuverlässig und gut ablesbar sein. Ein Kautschukband passt perfekt zu ihr, zudem gibt es die Verbindung mit dem Wasser.
Sammeln Sie selbst auch Uhren?
Seit ich 15 war. Aber nicht nur ich. Viele, die zu unserem Sales Team gehören, tun das. Ich selbst kaufe mir immer wieder Uhren, die mir gefallen, auch von anderen Marken.
Können Sie Beispiele nennen?
Vor etwa zehn Jahren habe ich mir die Patek Philippe Referenz 5960 gekauft, diesen wunderschönen Jahreskalender Chronograph in Stahl. Das war meine Traumuhr gewesen, und als ich einmal in Hongkong war, hatte ich die Gelegenheit, sie zu bekommen. Außerdem besitze ich verschiedene Uhren von Audemars Piguet, Rolex und anderen Marken, auch welche im Einstiegsbereich für 1000, 2000 Franken. Dort findet man übrigens viel Kreatives.
Sammeln Sie auch Ihre eigene Marke?
Als ich vor sieben Jahren zu Ulysse Nardin stieß, hätte ich jede beliebige Uhr der Marke tragen können, aber die meisten gefielen mir nicht. Heute ist das ganz anders. Ich freue mich, wenn wir Uhren entwickeln, hinter denen ich, hinter denen wir voll stehen können. Die erste Ulysse Nardin, die ich mir selbst gekauft habe, war eine Diver 44 aus Titan mit blauem Zifferblatt. Das ist eine Taucheruhr, aber ich mag sie vor allem, weil es eine richtige Sportuhr ist, geeignet für alle Aktivitäten und jeden erdenklichen Sport. Ich trage sie beim Schwimmen, beim Joggen, beim Tennis, im Fitnessstudio. Die zweite ist mein Freak X in Roségold. Das ist meine Alltagsuhr. Ich trage ihn an einem Alligatorband mit Klettverschluss.