Zarter Glanz für starke Uhren: Perlmutt zaubert sanften Schimmer auf Zifferblätter. Um diese Schönheit hinter ein Uhrglas zu bannen, bedarf es besonderer Kenntnisse im Umgang mit dem vielseitigen Naturmaterial. Früher nannte man Perlmutt „Perlmutter", im Englischen sagt man „mother of Pearl". Dies macht die Verwandtschaft von Perle und Perlmutt sprachlich deutlich. Denn eine Perle ist nichts anderes als rund um eine Kugel abgelagertes Perlmutt.
Aber von Anfang an: Perlen und Perlmutt sind das Produkt von Weichtieren, vor allem von Muscheln. Diese wachsen durch die Epithelzellen, die für den Bau und das Wachstum der Schalen zuständig sind. Diese Epithelzellen befinden sich im so genannten Mantel, der von innen her an der Schale anliegt und den Weichkörper der Muschel umgibt. Die Muschelschale wächst an ihrem Rand – dank dort befindlicher Zellen, die Conchyn ausscheiden. Ihnen folgen nach innen Zellen, die grobkristallinen Aragonit bilden. In den älteren Teilen der Muschel sitzen reife Epithelzellen, die feinste Aragonitkristalle in dünnen Schichten abscheiden. Daraus ergibt sich der typische Aufbau von Muschelschalen, mit einer hornigen Außenseite, einem zentralen Schalenkörper und einer glatten, schimmernden Innenfläche aus Perlmutt. Den Epithelzellen verdanken übrigens auch die Zucht- oder Kulturperlen ihr Dasein. Denn in der Perlenzucht wird eine gedrechselte Kugel aus Muschelschale zusammen mit einem Stück Mantelgewebe in eine Perlenauster eingesetzt. Dort produzieren die Epithelzellen weiterhin Perlmutt und überziehen den Kern damit, bis eine Perle entstanden ist. Denn sowohl Perlmutt als auch die Perle bestehen aus feinsten parallelen Aragonitlagen. Diese legen sich bei der Perle wie die Schalen einer Zwiebel um einen Mittelpunkt.
Perlmutt lässt Zifferblätter in verschiedenen Farben schimmern
Das Geheimnis um die Schönheit und das Farbspiel von Perlmutt und Perlen liegt übrigens in ihrem Aufbau verborgen. Dabei erweisen sich die Aragonitlagen als wahre Kunstwerke der Natur. Jede der hauchdünnen Lagen besteht, wie bei einem Mosaik, aus unzähligen flachen Aragonitkristallen. Die Kristalle sind untereinander durch eine hornartige organische Substanz, das Conchyn, verkittet. Im Querschnitt erscheint eine Vergrößerung wie eine Ziegelmauer aus flachen Aragonitkristallen mit Conchyn als Mörtel. Diese geordnete Verknüpfung der Kristalle bewirkt das schimmernde Farbspiel von Perlmutt. Von dieser Schönheit ist der Mensch schon früh angetan und nutzt die Muschelschale als Kultobjekt, Schmuck, Dekoration oder – in Polynesien sowie in indianischen Kulturen – sogar als Zahlungsmittel. Seit dem 17. Jahrhundert wird Perlmutt auch im Instrumentenbau verwendet. Die Klangkörper und Griffbretter von Gitarren, Streich- und anderen Saiteninstrumenten werden nicht nur mit dem schimmernden Material verziert, Perlmutt dient auch der Verbesserung des Klanges und unterstützt eine schnellere Grifftechnik. Ebenfalls bis heute üblich ist die Sitte, Kaviar mit einem Perlmuttlöffel zu servieren. Denn Perlmutt fühlt sich sehr glatt an, ist geschmacksneutral und lässt sich gut reinigen.
Allerdings ist Perlmutt sehr kratzempfindlich, da Aragonit nur eine sehr geringe Härte besitzt. Bei der Verarbeitung zu Uhrenzifferblättern sei also stets höchste Sorgfalt geboten, heißt es bei der Firma Mérusa. Das Unternehmen in Biel besteht seit 1915 und ist auf hochwertige, luxuriöse Zifferblätter für renommierte Uhrenmarken im obersten Preissegment spezialisiert. Welche Marken dies jedoch sind, wird nicht verraten – Mérusa gibt sich bedeckt, wenn es um die illustre Kundschaft geht. Bis heute in Familienbesitz – Inhaber und Geschäftsführer Christian Nydegger ist der Urenkel der Gründer –, beschäftigt Mérusa fast 100 Mitarbeiter, darunter Goldschmiede, Diamantfasser, Graveure, Polierer, Maschineningenieure, Drucker und Maler, die für bis zu 60 verschiedene Arbeitsschritte zuständig sind, die bei der Herstellung von Zifferblättern nötig werden. Jeder einzelne dieser Arbeitsschritte erfolgt im eigenen Haus – vom Stanzen der Rohlinge bis hin zum Diamantpavé oder der Guillochage.
Diese Uhren besitzen Zifferblätter aus Perlmutt:
Bekannt ist Mérusa auch für den virtuosen Umgang seiner Mitarbeiter mit Perlmutt. Dieses Perlmutt wird in Form von Scheiben oder Platten verschiedener Dicke angeliefert. Mérusa kauft das Rohmaterial direkt von Perlfarmen in Asien und auf den ozeanischen Inseln im Pazifik. Dort ist das Perlmutt quasi ein Nebenprodukt – eigentlich sind diese Perlfarmen auf die Zucht von Perlen fokussiert. Die Perlmuttstücke, die Mérusa kauft, besitzen verschiedene Farben. Denn Perlen und Perlmutt gibt es in vielen Nuancen: Die Tahitiperle ist typischerweise dunkel bis schwarz, Südseeperlen sind weiß bis gold- oder roséfarben und chinesische Süßwasserperlen kommen in einer Vielfalt an hellen Farben vor. Dementsprechend ist auch Perlmutt getönt. Zudem lässt sich das Material einfärben und behält dabei seinen typischen Schimmer, sodass heute Perlen und Perlmutt in allen erdenklichen Farben erhältlich sind.
Das Rohmaterial wird bei Mérusa in Form geschnitten und auf die erforderliche Stärke von 0,10 bis 0,25 Millimeter gebracht. Ein Perlmuttzifferblatt kann deshalb so dünn sein, weil es später auf einer Metall- oder Goldscheibe ruht. Das Plättchen wird auf diese Scheibe geklebt, und nach dem Trocknen wird das Duo gemeinsam auf den erforderlichen Durchmesser gebracht. Danach ist das Zifferblatt bereit zur Weiterverarbeitung: Sind die Zählerlöcher und das Mittelloch gebohrt, die Rückseitenausdrehungen vorgenommen sowie die Werkzentrierstifte aufgelötet und der Außendurchmesser gefräst, geht es an die Gestaltung der Oberfläche. Zahlreiche Fachleute nehmen jedes Zifferblatt Dutzende Male in die Hand, um einzelne Arbeitsschritte vorzunehmen und anschließend aufmerksam zu kontrollieren.