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Wie entsteht das Design einer Uhr?

Entwurf der Senator Chronometer von Glashütte Original
© PR
Der Mensch ist ein visuelles Wesen: Ästhetik beeindruckt ihn, Schönheit zieht ihn an. Deshalb ist das Design einer neuen Uhr ein Prozess, dem viel Aufmerksamkeit zukommt. Doch wie entsteht es?
Der berühmte erste Eindruck entscheidet über Gefallen oder Nichtgefallen, sorgt für Anziehung oder Ablehnung. Bei Produkten war dies noch nie so wichtig wie heute. Christian und Michael Sieger, beide Inhaber der erfolgreichen deutschen Designschmiede Sieger Design, fassen die Bedeutung des ersten Eindrucks von einem Gegenstand in einer ihrer Publikationen folgendermaßen zusammen: "Design. Modebegriff in den Achtzigern. Wirtschaftsfaktor heute. Ohne Design läuft heute in der Wirtschaft nichts mehr. Den Kampf um Marktanteile entscheidet der Hersteller, der hohen Gebrauchswert mit visuellem Mehrwert verbindet. Design ist keine reine Geschmackssache, sondern ein professionelles Geschäft." Dementsprechend professionell wird heute auch über das Aussehen neuer Uhren und Uhrenkollektionen entschieden.

Agenturen sind das Geheimnis von frischem Uhren-Design

Große Marken oder Konzerne haben oft eigene Designabteilungen, nutzen jedoch auch die Angebote externer Designstudios, um unverbrauchte Ideen aufnehmen zu können. Diese Büros arbeiten für verschiedene Marken und entwickeln ganze Kollektionen, einzelne Modelle oder den Relaunch vorhandener Linien. Vor allem in der Schweiz gibt es einige Agenturen, die sich besonders auf Uhren spezialisiert haben; meist sind deren Inhaber oder Gründer in den Bereichen Produkt- und Industriedesign ausgebildet und haben sich dann auf das Thema Uhren verlegt. Wer für wen und wer mit wem – darüber wird jedoch geflissentlich geschwiegen. Bisweilen dürfen freie Designer gar nicht berichten, für welche Marken sie tätig sind oder waren.
Von einer Idee zur fertigen Uhr – Für dieses Modell haben sich die Designer bei Glashütte Original von ihrer Geschichte als Hersteller von Schiffschronometern inspirieren lassen. © PR
Doch woher kommen die Ideen und Inspirationen, was muss bei der Neuschöpfung einer Uhr bedacht werden? Bei Vacheron Constantin ist man darauf bedacht, den Stil des eigenen Hauses zu pflegen und dennoch zeitgemäß zu bleiben. Darüber wacht Christian Selmoni, Artistic Director, der für alle kreativen Aspekte der traditionsreichen Manufaktur zuständig ist. Er sagt, die größte Herausforderung sei, "dass wir die klassischen und traditionellen Aspekte beibehalten, ohne aber alt und verstaubt zu wirken. Daher folgt unser Uhrendesign unserem fantastischen Erbe und wir übernehmen zeitgenössische Elemente wie moderne Abmessungen und Proportionen, Materialien und Techniken."
Christian Selmoni, Artistic Director bei Vacheron Constantin, gibt die Richtung für die Gestaltung neuer Uhren vor. © PR
Selmoni hält es für wichtig, "das Erbe der Marke mit Inspirationen von heute zu verknüpfen, die man auf Reisen rund um die Welt finden kann – in Architektur, Museen, bei Veranstaltungen und in den Städten". Er fügt hinzu: "Wir leben in einer schnelllebigen Zeit, was faszinierend ist, und ich denke, Vacheron Constantin muss dem klassischen Stil verpflichtet bleiben, diesen aber fest im 21. Jahrhundert verankern. Das ist eine interessante Herausforderung für uns."

So entsteht das Design bei Vacheron Constantin

Bei Vacheron Constantin beginnt der Schaffensprozess mit den Diskussionen des Designteams. Immer wieder trifft man sich, bespricht Ideen, Entwürfe und Skizzen – bis man mit dem Ergebnis zufrieden ist. Laut Christian Selmoni kann das "sehr schnell gehen, aber auch lange dauern. In der Regel benötigen wir neun bis zwölf Monate für die Designphase eines Produkts inklusive Modell und Prototypen."
Die Detailzeichnungen zeigen, dass Gemälde von Chagall und die Pariser Oper der Inspiration dienen. © PR
Im Ergebnis – der Uhr aus der Linie "Métiers d’Art" – vereinen sich die Details zur geschlossenen Gestalt. © PR
Dieser Weg vom Entwurf zum greifbaren Prototyp hat sich im Lauf der Zeit durch die Entwicklungen der Technik deutlich verändert. Zwar beginnt auch bei Messmer Seiler Design in Basel, einem Designbüro unter Leitung von Stephan Messmer und Alexander Seiler, das Gestalten einer neuen Uhr mit Handskizzen, doch dann geht es am Computer weiter.

Wie 3-D-Technologie das Designgeschäft erleichtet

Seit über zehn Jahren steht der Designbranche mit 3-D-Software ein völlig neues Instrument zur Verfügung, das beim Entwurf neuer Produkte hilft. In der Anfangszeit der Technik habe eine gute Lösung für Soft- und Hardware rund 90.000 Schweizer Franken gekostet, berichtet Seiler. "Heute ist man mit weniger als der Hälfte dabei", sagt er und betont: "Allerdings muss man die Software beherrschen – und nicht umgekehrt." Denn nur dann entstehen eigenständige Entwürfe, die dem Kunden fotorealistisch präsentiert werden können, und als Grundlage für fertige Modelle dienen.
Messmer Seiler Design für Rado: Alle Elemente wie Gehäuse, Band, Blatt und Krone sind detailliert abgestimmt. © PR
Die Maße aus dem Entwurf fließen direkt in das Fertigungsverfahren "Rapid Prototyping" ein – eine Art 3-D-Drucker, bei dem zum Beispiel aus Kunststoffen vollautomatisch ein Modell des Entwurfs gefertigt werden kann. Nicht nur die Herstellung von Modellen ist durch neue Technologien erleichtert: "Auch der Informationsfluss zum Hersteller ist einfacher geworden", erklärt Alexander Seiler. Ist ein Design vom Auftraggeber angenommen, fließen alle elektronischen 3-D-Konstruktionsdaten direkt und ohne Informationsverlust in den Produktionsprozess ein. Eine Präzision, die früher bei zweidimensionalen Entwürfen nicht möglich war. "Heute gilt: So wie das Bild ist, so ist später auch das Produkt", beschreibt Seiler diesen Zusammenhang. Nicht nur die Technik, auch die Ansprüche an die damit gestalteten Uhren haben sich verändert, berichten Alexander Seiler und Stephan Messmer: "Früher bestand eine Uhr aus einem Werk, das ein Zuhause benötigte. Heute geht es um die Summe der Details. Alles muss perfekt aufeinander abgestimmt sein."

Der schönste Moment ist, wenn der definitive Entwurf vorliegt

Das Design-Duo vergleicht das mit dem Ankleiden einer Person: "Zuerst ist das Volumen, der Körper, wichtig. Dann kommt das Zifferblatt, das Gesicht. Bandanstöße, Band und Krone müssen das Ganze stimmig ergänzen. Für uns ist jedoch das Gehäuse am wichtigsten." Bis all diese Details erdacht, durchdacht und festgehalten sind – das kann dauern. "Kreativität ist ein schwer vorhersehbarer Prozess", schmunzelt Stephan Messmer. "Manchmal hat man schnell eine Idee, manchmal muss man wochenlang darüber brüten." Gerade die erste Phase sei schwierig zu definieren, was die Zeitplanung angeht. Allgemein aber lasse sich sagen, dass der Entwurf für eine neue Uhr innerhalb von etwa zwei Monaten beendet werden könne, sagt Messmer.
Früher Entwurf: Skizze für die Marke Minerva vom Studio Messmer Seiler Design. © PR
Fotorealistische Präsentation: Ein präzises Bild der späteren Uhr. © PR
Dieser Abschluss, der wiederum der Anfang für eine neue Uhr ist, ist für viele Kreateure der schönste Moment ihrer Arbeit. So hat es einmal der Uhrendesigner Rodolphe Cattin formuliert: "Der schönste Augenblick ist derjenige, wenn die ersten definitiven Zeichnungen der geplanten Uhr vorliegen. Dreidimensionale Zeichnungen, die alles über die Uhr verraten. In dieser Phase sehe ich, was wirklich wird und ob es gut wird."

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