Ob in Gold oder Stahl, klassisch oder sportlich, kompliziert oder einfach nur mechanisch – das gemeinsame Ziel aller Uhren ist es, die Zeit möglichst genau zu zeigen. Dieser Anspruch hat Uhrmacher zu verschiedenartigen Lösungen zum Thema Feinregulierung gebracht.
Der Name trägt es in sich: Für die Feinregulierung – auch Feinstellung, Reglage oder Adjustment genannt – bedarf es viel Gespür und Fingerspitzengefühl. Denn dieses Arbeitsverfahren an Hemmung und Gangregler hat die besonders genaue Einstellung der Uhr zum Ziel. Eine Aufgabe, für die sogar ein eigener, geachteter Berufsstand existiert, für den eine lange Ausbildung vonnöten ist: Der Regleur beziehungsweise die Regleuse – überwiegend sind es Frauen – ist für die Feinregulierung der Uhr zuständig.
Für die Regulierung von Hemmung und Gangregler ist Präzision erforderlich
Auch die Spiralfeder wird durch den Regleur oder die Regleuse gesetzt, indem die Feder mit der Achse der Unruh verbunden und auf eine bestimmte Länge gekürzt wird, bevor das äußere Ende der Spiralfeder kunstvoll verbogen und die Feder in die äußere Halterung eingepresst wird, in das so genannte Spiralklötzchen.
Dabei ist höchste Präzision erforderlich, denn Voraussetzung für einen regelmäßigen, präzisen und isochronen Gang einer Uhr ist natürlich in erster Linie, dass sämtliche mechanischen Teile der Uhr intakt sind und fehlerfrei miteinander funktionieren – in jeder Situation. Also auch in verschiedenen Temperaturbereichen und Lagen, also horizontal (Zifferblatt oben und unten) und senkrecht (Krone links, oben und unten).
Eine Uhr kann auf zwei Arten reguliert werden
Doch wie bringt man eine Uhr dazu, schneller oder langsamer zu gehen? Generationen von Uhrmachern haben dazu verschiedenartige Lösungen ausgetüftelt, die sich grob in zwei Systeme aufteilen lassen: Bei dem einen wird die Länge der Spiralfeder verändert, beim anderen das Trägheitsmoment der Unruh. Das erste System ist das gebräuchlichere, denn bei den meisten Uhren geschieht die Regulierung mit Spiralschlüssel und Rücker, einem auf dem Unruhkloben angebrachten Mechanismus.Je kürzer die Spirale, desto schneller schwingt die Unruh
Die Aufgabe des Spiralschlüssels besteht darin, die wirksame Länge der Spiralfeder und damit die Schwingungsdauer zu bestimmen beziehungsweise zu verändern: Je kürzer die Spirale ist, desto schneller schwingt die Unruh und umgekehrt. An einem Ende des Spiralschlüssels, einem kleinen Stahlhebel, befinden sich zwei winzige Messingstifte, die in die Unruhspirale hineinragen und den äußersten Umgang der Spirale umfassen. Am anderen Ende befindet sich ein Ring, der drehbar um das obere Unruhlager auf dem Unruhkloben sitzt. Wird nun der Spiralschlüssel verdreht, verschieben sich die beiden Stifte an seinem Ende, zwischen denen der äußere Umgang der Spirale liegt. Damit dies in möglichst kleinen Schritten, also möglichst fein, ausgeführt werden kann, sitzt gegenüber dem Spiralschlüssel und mit ihm verbunden der sogenannte Rückerzeiger, der bei manchen Uhren weit über den Unruhkloben hinausragt.
Gemeinsam funktionieren Rücker und Spiralschlüssel nach dem Prinzip des zweiarmigen Hebels: Um den Spiralschlüssel in die gewünschte Richtung zu verschieben, muss der Rückerzeiger in die entgegengesetzte Richtung bewegt werden. Eine entsprechend beschriftete Skala kann Auskunft darüber geben, in welche Richtung das Verstellen des Rückers ein Vor- oder Nachgehen der Uhr bewirkt – entweder durch plus oder minus oder die Buchstaben A und R oder S und F, die die französischen oder englischen Begriffe für schnell und langsam abkürzen. Damit der Rücker um besonders kleine und präzise Schritte bewegt werden kann, ist er manchmal mit einer Hilfskonstruktion versehen – zum Beispiel mit einer kleinen Druckfeder, die den Rückerzeiger gegen eine Schraube drückt. Diese Feder ermöglicht, dass der Rückerzeiger mithilfe dieser dünnen, langen Schraube bewegt wird, die in der Feder seitlich am oder im Unruhkloben sitzt. Wird sie in die Feder hineingedreht, drückt sie in den Rückerzeiger. Dreht man die Schraube in entgegengesetzte Richtung, drückt sie den Rückerzeiger zurück.
Die Schwanenhals-Feinregulierung ist besonders exakt messbar
Da die Feder elegant geschwungen ist, wird dieser Mechanismus Schwanenhals-Feinregulierung genannt. Ihr Vorteil ist, dass die Regulierung der Uhr in sehr kleinen und aufgrund der Schraubenstellung exakt messbaren Schritten vorgenommen werden kann. Ähnlich wirken Hilfskonstruktionen mit Exzenter beziehungsweise Exzenterscheiben, also exzentrisch auf einer Welle angebrachten Steuerungsscheiben.
Eine Weiterentwicklung der Schwanenhals-Feinregulierung ist die so genannte Duplex-Schwanenhals-Feinregulierung, wie sie bei Glashütte Original zum Einsatz kommt. Dabei wird zusätzlich zur "normalen" Feinregulierung ein zweiter Rückerzeiger mit dazugehöriger Regulierschraube und Schwanenhalsfeder verwendet. Laut Glashütte Original habe das gleich mehrere Vorteile: Einerseits könne das Spiralfederende besonders feinfühlig verstellt werden, und andererseits werde der Rückerzeiger beim Tragen der Uhr sehr sicher in seiner Position gehalten, da die Schwanenhalsfeder stetig Druck auf ihn ausübe.
Eine weitere Spezialität in Sachen Feinregulierung ist das Triovis-System, wie es beispielsweise auch in den Uhren von Nomos Anwendung findet. Dabei spielt eine Schraube die wichtigste Rolle, die durch den Spiralklötzchenträger führt; ihr Gewindestück ragt über diesen hinaus, während die Schraube im Klötzchen direkt ohne Gewinde als glatter Zylinder ruht. Das überstehende Gewindestück fasst seitlich in eine Sägeverzahnung, die wiederum mit dem Rückerschlüssel verbunden ist, über den die Spirale verkürzt oder verlängert wird. Wird nun an dieser Schraube gedreht, greift das überstehende Gewindestück in die Sägeverzahnung, diese dreht sich und verändert die wirksame Länge der Spiralfeder.
Das Trivois-System ist günstiger als eine Schwanenhals-Feinregulierung
Optisch nicht so wirkungsvoll wie die Schwanenhals-Feinregulierung, aber ebenso praktisch: Das Triovis-System erlaubt ebenfalls die feine und präzise Reglage, ist aber in der Herstellung günstiger und beansprucht weniger Platz im Werk. Allerdings muss die Montage sehr akkurat durchgeführt werden. Im Mittelpunkt des zweiten Systems der Gangregulierung steht die Unruh: Wird ihr Trägheitsmoment verändert, bewirkt dies ebenfalls ein schnelleres oder langsameres Gehen der Uhr. Dies kann mit Abgleichschrauben – sie werden auch Regulier- oder Stellschrauben genannt – geschehen. Sie sind außen am Unruhreifen angebracht; durch ihr Hinein- beziehungsweise Herausdrehen wird der Außendurchmesser des Unruhreifens geringfügig verändert, was auch das so genannte Massenträgheitsmoment positiv oder negativ beeinflusst, sodass die Unruh geringfügig schneller oder langsamer schwingt.
Nach dem gleichen Prinzip funktionieren Regulierscheibchen, kleine Unterlagsscheibchen aus Messing, welche unter den Masseschrauben sitzen. Abgleichschrauben dürfen übrigens nicht verwechselt werden mit den ebenfalls am Unruhreif sitzenden, heute jedoch nicht mehr gebräuchlichen Gewichtsschrauben. Diese dienen zur Grobregulierung, da sie die Masse einer Unruh wesentlich verändern. Interessant auch: Ursprünglich finden Abgleichschrauben Verwendung an den Kompensationsunruhen, welche Temperaturfehler von Uhren ausgleichen.
Patek Philippe hat dieses System noch weiter verfeinert: 1948 und 1951 wird die Gyromax-Unruh zum Patent angemeldet, eine Ringunruh mit acht drehbaren Rollen. 2004 präsentiert Patek Philippe statt dieser zweiarmigen eine vierarmige Unruh mit vier eingesenkten, beweglichen Reguliermassen (Masselots). Das Drehen der Rollen bewirkt jeweils eine sehr feine Änderung des Trägheitsmoments der Unruh. Das gleiche Prinzip findet sich bei Rolex unter dem Namen Microstella; hier befinden sich kleine Schrauben-Krönchen im Inneren des Unruhreifs.