Wegweisendes Design gibt es in der Uhrenwelt nicht nur, wenn es um die Zeitmesser selbst geht. Drei der Innovativsten Architekten unserer Tage haben bedeutende Bauten für Uhrenmarken entworfen - und auch einer der großen des 20. Jahrhunderts wurde posthum zum Uhrenarchitekten fürs 21. Jahrhundert.
Bauten für Uhrenmarken #1: Swatch-Hauptsitz von Shigeru Ban
Shigeru Ban für Swatch Seit 2019 schlängelt sich ein imposantes hölzernes Reptil mit Schuppen durch das schweizerische Biel. Dieser Eindruck jedenfalls entsteht, wenn man von oben auf den neuen Hauptsitz von Swatch blickt. Entworfen hat ihn Shigeru Ban. Der 1957 geborene Japaner ist ein Meister darin, aus zu leichten Strukturen verbauten Naturmaterialien Großes zu schaffen. Er entwarf Notunterkünfte aus Pappröhren, die nach einer Naturkatastrophe schnell und einfach aufzubauen waren. Im neuseeländischen Christchurch errichtete er als Ersatz für die beim Erdbeben zerstörte Kirche die „Cardboard Cathedral“, ebenfalls aus Karton.Neben der humanitären beherrscht Shigeru Ban auch die bauliche Größe. Sein Bieler Werk, das außer dem Hauptsitz von Swatch die Erlebnisstätte Cité du Temps und die neue Omega-Manufaktur umfasst, stellt mit seinen 240 Metern Länge die weltweit größte Holzkonstruktion dar. Ihr Grundgerüst ist ein für ein Shigeru Ban typisches Holzgitter-skelett von ästhetischer Leichtigkeit, das nicht zuletzt in den Innenräumen für eine wohltuende Atmosphäre sorgt. Seine geschwungene Struktur kreiert immer neue so dramatische wie organische Perspektiven, während die Außenhaut aus rund 2800 silbrig-schuppenartigen Elementen besteht, die die klimatischen Verhältnisse im Gebäudeinneren regulieren. Neben der Wahl von Holz aus Schweizer Wäldern kam beim Bau des Swatch-Headquarters eine Fülle von Technologien zum Einsatz, die ein Maximum architektonischer Nachhaltigkeit gewährleisten
Bauten für Uhrenmarken #2: Musée Atelier Audemars Piguet von Bjarke Ingels
Der Däne Bjarke Ingels ist einer der innovativsten unter den Gegenwartsarchitekten. Sein Architekturbüro BIG baut, als gäbe es nicht so sehr ein Gestern als vielmehr ein Morgen: ohne große Rücksicht auf Konventionen und Traditionen, dafür mit einem umfassenden Blick für die Bedürfnisse der Menschen, die die Bauten nutzen, und für die ökologischen Erfordernisse unserer Zeit. Was dabei entsteht, sieht oftmals anders aus als alles bisher Dagewesene. In Kopenhagen etwa geht eine Müllverbrennungsanlage namens CopenHill auf das Konto von BIG, auf die man hinaufklettern kann und deren mit Kunstrasen begrünte Schräge sich nicht nur im Winter als Skiabfahrt nutzen lässt. Auch das stille Uhrmacherdorf Le Brassus verfügt jetzt über eine der avantgardistischen Kreationen des 1974 geborenen Bjarke Ingels: Das 2020 eröffnete Musée Atelier Audemars Piguet präsentiert sich als eine in den Hang eingelassene grasbewachsene Glasspirale. Die komplexen Innenräume dieses Gebildes teilt sich das Markenmuseum mit Werkstätten für die Grandes Complications und die Métiers d’Art.Nur wenige Schritte entfernt wurde jetzt das ebenfalls von BIG entworfene Hôtel des Horlogers eingeweiht: ein Luxushotel, dessen Design Bezug auf die umliegende Natur nimmt und dessen Fassade in einer Zickzackform den Hang hinunterläuft, in den auch die Museumsspirale eingebettet ist.
Bauten für Uhrenmarken #3: Grand-Seiko-Boutique von Kengo Kuma
Als die japanische Luxusuhrenmanufaktur Grand Seiko 2020 eine Boutique an der Pariser Place Vendôme eröffnete, holte sie für die Gestaltung einen berühmten Landsmann ins Boot: Kengo Kuma wurde mit der Innenarchitektur betraut.Immer wieder schafft Kuma mittels Strukturen aus Naturmaterialien faszinierende Räume. In Paris kreierte der 1954 geborene Stararchitekt hinter einer französisch-barocken Fassade einen Raum von durch und durch japanischer Anmutung. Helle, geradlinige Bambusstrukturen verleihen der Boutique eine stille und konzentrierte Atmosphäre, während mit Washi-Papier bezogene Shoji-Wände die traditionelle Bauweise des Heimatlandes der Uhrenmarke und des Baumeisters zitieren.
Bauten für Uhrenmarken #4: La Maison Ebel von Le Corbusier
Als Charles Édouard Jeanneret – später bekannt als Le Corbusier – 1917 in seiner schweizerischen Heimatstadt La Chauxde-Fonds eine Villa für den Uhrenfabrikanten Anatole Schwob fertigstellte, lag die Gründung der Uhrenfirma Ebel in derselben Stadt sechs Jahre zurück. Jahrzehnte gingen ins Land, Le Corbusiers Bauten wurden weltweit zum Inbegriff der modernen Architektur, Ebel etablierte sich international als eine der bedeutenden Schweizer Uhrenmarken.1986, zum 75-jährigen Jubiläum des Unternehmens, kaufte Ebel den frühen Bau des großen Architekten. Aus der Villa Schwob – wegen ihrer byzantinisch anmutenden Volumina auch Villa Turque genannt wurde La Maison Ebel. Ein Ring schloss sich: Der junge Le Corbusier hatte diese Villa, die noch nicht die strenge Sprache seiner bekanntesten Bauten spricht, mit der klaren Geometrie und der Stahlbeton-Bauweise jedoch schon in die Zukunft weist, für einen Vertreter der Uhrenindustrie seiner Heimatstadt entworfen. Heute fungiert sie wieder als architektonische Ikone der Uhrenstadt La Chaux-de-Fonds – von Ebel elegant restauriert, den heutigen Bedürfnissen respektvoll angepasst und von Uhrenliebhabern genutzt. mbe