Die kleine Manufaktur Lang & Heyne in Dresden macht vom Design über Werkentwicklung und Herstellung aller Werkteile bis zur Montage alles selbst. Es gibt kaum Hersteller, die Details wie Schrauben, Gravuren und Zierschliffen mehr Aufmerksamkeit und Zeit widmen.
Marco Lang empfängt seine Besucher freundlich und bescheiden. Die Jugendstilvilla in einer ruhigen Dresdner Wohngegend haben er und seine 15 Mitarbeiter selbst restauriert. Die Atmosphäre ist entsprechend familiär – ruhig und konzentriert geht jeder seiner Tätigkeit nach, es finden aber auch angeregte Gespräche statt. Alles atmet Tradition: Man erblickt Antiquitäten, historische Uhrmachermaschinen und Großuhren. An der Wand hängen alte Meisterbriefe.
Der 1971 geborene Lang ist Uhrmachermeister in fünfter Generation. 2001 gründete er Lang & Heyne zusammen mit dem Uhrmacher Mirko Heyne, der schon im nächsten Jahr die Marke wieder verließ. Damals belächelten manche Uhrmacherkollegen Lang wegen seines Perfektionismus. Der führt auch heute noch dazu, dass Lang & Heyne mit lediglich 50 Uhren im Jahr zu den exklusivsten Manufakturen überhaupt zählt, denn die zeitaufwendigen Finissierungen von Hand nehmen extrem viel Zeit in Anspruch.
Der Aufwand für eine Uhr von Lang & Heyne übersteigt das Gewohnte
An der Tradition orientieren sich das Design, die Modellnamen – allesamt sächsische Herrscher – und die Fertigung. Das bedeutet nicht, dass es keine modernen Maschinen gibt: Die Werke konstruiert Lang mit dem Computer, und Metallteile entstehen in ihrer Rohform auf einer CNC-Fräse im Untergeschoss des Gebäudes. Doch was danach geschieht, übersteigt den Aufwand der meisten angesehenen Manufakturen.
Beispielsweise die Schrauben: Mit Ziegenhaarbürste und Polierpaste werden das Gewinde, der Schlitz und alle Seiten des Schraubenkopfes poliert. Die nicht sichtbare Unterseite des Schraubenkopfes ist allein schon deshalb wichtig, weil sie auf einer Brücke ruht und diese verkratzen würde, wenn sie nicht glatt wäre. Die umlaufende Kante (Fase) des Schraubenkopfes und die Fase des Schraubenschlitzes sind vorgedreht beziehungsweise -gefräst und werden von Hand mit einem Keramikwerkzeug nachbearbeitet. Dadurch werden das Material verdichtet und die Flächen poliert; eine scharfe Kante entsteht.
Für die Flachpolitur der Oberseite des Schraubenkopfes bewegt eine Mitarbeiterin eine Schraube mit kreisenden Bewegungen ausdauernd mit einer Pinzette über einen Zinnklotz mit Polierpaste. Die Zinnoberfläche muss dabei hin und wieder gerade geschliffen werden. Zuerst wird mit einer Diamantpolierpaste mit ein Mikrometer kleinen Partikeln poliert, danach mit 0,25- Mikrometer Partikeln. Nach rund 45 Minuten ist die Schwarzpolitur, die als höchste Qualitätsstufe gilt, erreicht.
Schrauben, die auf Goldoberflächen sitzen sollen, werden anschließend noch thermisch gebläut. Das geschieht meist, indem die Schrauben in einem Bad von Messingspänen von Hand über einem Spiritusbrenner erhitzt werden. Durch die Späne bekommen die Schraubeneine gleichmäßige Temperatur und damit auch eine gleichmäßige Färbung.
Bedenkt man, dass in einem Werk von Lang & Heyne mindestens 30 Schrauben stecken, kann man sich vorstellen, wie zeitaufwendig und teuer die Herstellung allein dieser winzigen Teile die Uhr macht. Lang ist als Perfektionist davon überzeugt, dass Teile, die der Käufer nicht sieht, genauso optisch bearbeitet werden müssen wie die sichtbaren Teile.
Eine weitere Besonderheit bei Lang & Heyne stellen die Oberflächen der Platinen, Brücken und Kloben dar. Sie werden in einem alten Verfahren anreibeversilbert: Das führt zu einer grainierten, lederartigen Oberflächenstruktur.
Dafür werden die CNC-gefrästen und sandgestrahlten Werkteile mit einer Neusilberbürste bearbeitet, um die Oberfläche zu aktivieren und homogener zu machen. Danach trägt eine Mitarbeiterin mit einer Schweinshaarbürste eine Paste aus Wasser, Kochsalz, Weinstein und Silberpulver auf. Zwischendurch muss immer wieder gespült und die Zusammensetzung der Paste geändert werden. Immer mehr Silber lagert sich so an der Oberfläche ab. Die einzigartige Struktur kann man jedoch erst erkennen, nachdem die Teile zusätzlich galvanisch vergoldet wurden. Zusammen mit den polierten Kanten und Schrauben ergibt sich eine spannende Werkansicht.
Schrauben und Anreibeversilberung sind aber nur die Spitze des Eisbergs. Denn die anderen Zierschliffe, anglierte Kanten und etliche Details mehr nehmen ebenfalls viel Zeit in Anspruch. Insgesamt nimmt die Arbeit von Hand für Verzierungen über 80 Prozent der Gesamtherstellungszeit ein.
Auch bei der Montage geht Lang & Heyne ohne Zeitdruck vor. Allein bei der vom deutschen Hersteller Carl Haas gelieferten Spiralfeder die Breguet-Endkurve von Hand zu biegen, dauert eine halbe Stunde. Die selbst gefertigten Unruhreife werden mit verschieden schweren Goldschrauben ausgewuchtet. Nach der Erstmontage mit den Einstellarbeiten und dem Einregulieren zerlegen die Uhrmacher das Werk wieder komplett, verzieren letzte Teile und bauen das Werk ein zweites Mal zusammen und regulieren es ein.
Modelle, Individualisierungen, Komplikationen
Ebenfalls eine zeitaufwendige Besonderheit sind die von Hand hergestellten, fein ziselierten Louis-XV-Zeiger. Der Graveurmeister bearbeitet die winzigen aus Blech ausgeschnittenen Rohformen mit verschiedenen Sticheln, bis ein kunstvoller skelettierter Zeiger entsteht. Bei den wenigen Uhren im Jahr kann Lang & Heyne auch Individualisierungen einfacher umsetzen. Das geht von einem Scharnierdeckel mit Gravur eines Initials, Wappen oder Ähnlichem für 5.663 Euro Aufpreis bis zu Handgravuren des ganzen Werks. Für 8.000 Euro extra fertigen die Dresdner Platine und Brücken sogar aus Mammutelfenbein.
Trotz der geringen Stückzahlen hat Lang & Heyne im Laufe der Jahre schon verschiedene Komplikationen und Kaliber entwickelt und in die Kollektion aufgenommen: von der Dreizeigeruhr über ein Zeigerdatum mit springender Sekunde bis zum Ein-Drücker-Chronographen.
Es gibt sogar zwei Modelle, die einzigartige Anzeigen bieten: Zum einen der Vollkalender Moritz mit Mondpase und Deklinationsanzeige, die angibt, in welchem Winkel die Sonne zum Äquator steht. Zum anderen die Augustus I., die an zwölf vom Käufer angegebene Geburts- oder Jahrestage erinnert. Dabei gibt sie für den nächsten bevorstehenden Termin den Namen und das Datum inklusive Jahr an. Zudem errechnet die Uhr, wie alt die jeweilige Person wird.
Lang-&-Heyne-Uhren starten bei 18.640 Euro für die Dreizeigeruhr Friedrich II. in Stahl und reichen bis 177.210 Euro für eine Augustus I. in Platin mit Geburtstagsanzeige. Lang kalkuliert die Preise entsprechend dem Arbeitsaufwand und orientiert sich nicht an der Konkurrenz.
Die Uhren von Lang & Heyne sehen klassisch-elegant aus, im Grunde aber sind sie extrem: extrem exklusiv, extrem aufwendig finissiert und extrem individualisierbar. jk