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7 Minuten

Interview mit Stefan Johansson: Von der Motorrennsportlegende zum Uhrendesigner

Stefan Johansson: Växjö Mark IX
© PR
Im Jahr 2011, nicht lange nach der Gründung meiner Website Escapement, erhielt ich eine Nachricht von einem Herren namens Stefan Johansson. Er schrieb, dass er unser Online-Magazin sehr gern liest und dass er seine eigenen Uhren gestaltet, interessanterweise unter dem Namen Stefan Johansson Växjö. Zuerst war ich vor allem geschmeichelt, dann begann ich, über den Namen nachzudenken. Er klang sonderbar vertraut.
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Stefan Johansson: Von der Motorrennsportlegende zum Uhrendesigner © PR
Ich erinnerte mich daran, wie ich als 18-Jähriger Formel-1-Rennen geschaut habe und mir kam das Bild eines Fahrers namens Stefan Johansson vor Augen, im Ferrari-Overall und blondem Haar, ganz wie man sich einen Schweden vorstellt. Aber es konnte sich doch sicher nicht um ein und dieselbe Person handeln! In der Tat war aber genau jener 57-jährigen Uhrendesigner auch der Rennfahrer, der für Ferrari, McLaren und Ligier fuhr, bevor er zu IndyCar wechselte und in Le Mans für Porsche startete – kein anderer also, als die Motorsportlegende, an die ich mich noch aus meiner Jugend erinnern konnte.
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Stefan Johansson im Ferrari, Monaco 1986 © PR
Es erschien mir leicht bizarr, dass jemand, bei dem es in der Vergangenheit hauptsächlich um Geschwindigkeit ging, der auf der Strecke um jede Zehntelsekunde kämpfte und seinen Körper an das absolute Limit physischer Belastbarkeit brachte, nun sein Alltagsleben eher in Schrittgeschwindigkeit führte. Natürlich verlangen sowohl Motorsport als auch Uhren ein Einfühlungsvermögen für mechanische Komponenten, die im Einklang miteinander zusammenarbeiten, um eine gewisse Funktion zu erfüllen. Dennoch fiel es mir schwer, die psychologischen Voraussetzungen, die man als ein Rennfahrer auf dem höchsten Niveau professionellen Motorsports benötigt, mit der erforderlichen Geduld in Einklang zu bringen, die man braucht, um unglaublich lange am Schreibtisch zu sitzen und sich in mühevoller Kleinarbeit Gedanken über winzige Designdetails zu machen.

Die Uhren von „Little Leaf“

Stefan begann schon früh, als er noch in Växjö/Schweden, lebte, ein Interesse für Motorsport zu entwickeln. Sein Vater, Roland Johansson, war Rennfahrer und nahm an Tourenwagen-Wettbewerben teil, beispielsweise mit dem Lotus Cortinas. Rolands Spitzname „Leaf (Blatt)“ ging darauf zurück, dass er aus Leaftown stammte. Stefan entdeckte seine Leidenschaft für den Motorsport, als er seinen Vater zu Rennen begleitete: „Ich bin quasi damit aufgewachsen", erzählte er mit im Interview. "Bereits als Dreijähriger begleitete ich meinen Vater zu Rennen. Mein erstes Kart bekam ich mit acht und seitdem wusste ich, dass ich Rennfahrer werden wollte und nichts anderes.“ Stefan bekam schnell den Spitznamen „Little Leaf", auf Deutsch: "Kleines Blatt“. Später trug er während seiner gesamten Karriere ein Blattsymbol auf seinen Rennhelmen, und auch die Uhren, die seinen Namen tragen, sind mit einem Blattsymbol verziert.
Stefan nimmt noch immer an Wettbewerben teil. Während unseres Gesprächs stellte sich heraus, dass er gerade erst vom Nürburgring zurückgekehrt war, wo er an der Vorqualifikation zu einem kommenden 24-Stunden-Rennen teilgenommen hatte. Dieses Rennen wird auf der 20,8 Kilometer langen Nordschleife ausgetragen. Dabei handelt es sich um eine Strecke, auf der seit einigen Jahren keine Formel-Eins-Rennen mehr gefahren werden, weil dort keine ausreichenden Auslaufzonen zur Verfügung stehen. Ich fragte Stefan nach diesem gefährlichen Aspekt der alten Strecke und den minimalen Fehlerspielraum, der sich daraus ergibt. "Mein letztes Rennen dort fuhr ich 1983 mit einem Porsche 956. Wenn ich heute auf der Strecke fahre, kann ich nur feststellen, dass das damals der reine Wahnsinn war", sagt er heute. "Der Fehlerspielraum ist mehr als gering, da die Strecke so schmal ist. Es gibt so gut wie keine Auslaufzone, sie ist weniger als 10 Fuß lang. Und die Absperrung befindet sich direkt neben einem. Es gibt noch einen kleinen Streifen Gras, etwa fünf bis sechs Fuß breit, mehr nicht. Jede Ecke wird im fünften oder sechsten Gang gefahren. Es ist schnell. Früher als ich mit dem Porsche 959 Rennen fuhr, erreichten wir auf den Geraden Geschwindigkeiten von 400 Kilometern. Es ist vollkommen verrückt, wenn man darüber nachdenkt. Wenn man das Maximale aus einem Rennwagen herausholen möchte, dann auf dieser Strecke. Sie ist einfach atemberaubend.“ Wenn Stefan begeistert über seinen Sport spricht wird schnell klar, dass er immer Rennfahrer bleiben wird.

Uhren – die zweite Leidenschaft

Vor meiner Begegnung mit Stefan wäre ich wahrscheinlich davon ausgegangen, dass kein Rennfahrer über die notwendige Denkweise verfügt, um Uhrmacher oder Uhrdesigner zu werden. Stefan jedoch hat diesen Weg mit Erfolg eingeschlagen und bis dato mehrere Uhren unter seinem Namen hergestellt. Ich fand es schwierig mir vorzustellen, dass man die Veranlagung, ungeduldig, aggressiv und hoch kompetitiv zu sein, mit der Gelassenheit und Ruhe eines Uhrenateliers in Einklang bringen kann. Stefans Charakter scheint jedoch zwei Seiten zu vereinen, und deshalb kann er in beiden Bereichen erfolgreich sein. Hier geht es weiter mit dem Interview von Stefan Johansson Wie viele andere Rennfahrer genoss auch Stefan den Luxus, den er sich durch seine Platzierungen auf dem Siegerpodest leisten konnte. Interesse an Uhren entwickelte er mit seiner ersten „anständigen Uhr“, einer Breitling Navitimer. Im Anschluss daran sammelte er noch „die ein oder andere Uhr“, wie er mir sagte.

Warum Uhren?

Während die meisten Menschen ihre Liebe zu Uhren darauf beschränken, gelegentlich in ein renommiertes Uhrengeschäft zu gehen und ein paar Modelle anzuprobieren, verspürte Stefan einen Drang, die Sache weiterzuführen und seine eigene Uhrenfirma zu gründen: „Ich habe Uhren immer gern gesammelt. Die Leidenschaft wurde größer und entwickelte sich letzten Endes zu dem Wunsch, meine eigenen Uhren zu kreieren.“
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Stefan Johansson hat seine Leidenschaft für Uhren entdeckt © Daniel Saxlid The Selling Angle
„Mehr als von allem anderen werde ich von Leidenschaft angetrieben", erklärt Stefan. "Dies war schon immer meine Lebensphilosophie und ist eines der Dinge, die ich auch immer meinen Kindern sage – bei alles, was man im Leben tut, sollte man seiner Leidenschaft folgen. Denn wenn man gut in etwas ist, findet man auch einen Weg, daraus Kapital zu schlagen. Ich kann mich an keinen Tag erinnern, an dem ich aufwachte und mich nicht auf das freute, was ich tue. Das ist für mich weitaus wichtiger als zig Millionen Dollar auf meinem Bankkonto zu haben.“

Der Designprozess

Wie aber entstehen die Uhren von Stefan Johansson Växjö? Stefan designt sie und zeichnet die Entwürfe per Hand. Dieser Prozess findet ausschließlich in seinem Studio in Los Angeles statt, mitunter zeichnet Stefan seine Entwürfe aber auch unterwegs. Was darauf folgt, beschreibt er so: „Ich habe eine vollständige Vorstellung des Uhrendesigns im Kopf, daraus entsteht die Vorzeichnung. Diese gebe ich an einen CAD-Designer, der sie zuerst bereinigt. Dann gebe ich ihm wiederum Anweisungen, die meinen Vorstellungen entsprechen – und das geht so lange bis wir das Enddesign vorliegen haben.“ Dabei bringt der CAD-Designer natürlich seinen Sichtweise mit ein: „Wir arbeiten sehr gut zusammen, tauschen Ideen miteinander aus, und manchmal hat auch er gute Anregungen. Er betrachtet den gesamten Prozess aus technischer Sicht.“ Ich merke an, dass ich von einigen Uhrendesignern, die auch für den technischen Prozess verantwortlich sind, erfahren habe, dass der kreative Prozess mitunter etwas zu kurz kommt. Beim Fahrzeugdesign werden die Kontruktionszeichnungen und Tonmodelle vom Designteam hergestellt, und im Anschluss daran kümmert sich ein Team von Ingenieuren darum, das Konzept in einen gebrauchstauglichen Prototyp umzuwandeln. Dieses Team ist verantwortlich dafür, das Fahrzeug ins Leben zu rufen und berücksichtigt dabei alle praktischen Überlegungen, wobei die Essenz des ursprünglichen Designs immer im Blick behalten wird. Als ich Stefan frage, ob auch er diesen Weg verfolgt, stimmt er mir zu und erklärt, dass er eine gesunde Debatte über die Praktikabilität seiner Designs pflegt. Und er fügt hinzu: „Die CNC-Technik hat die Branche auf eine andere Ebene gebracht. Die Entwicklungszeiten sind drastisch gesunken.“
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Stefan Johansson Växjö: Mark X © PR

Ein Blick auf die Feinheiten

Einige Einflüsse auf seine Uhren hat Stefan aus der Formel 1 mit eingebracht. In einem Rennen entscheiden oft winzige Fahrkorrekturen darüber, ob man wertvolle Zehntelsekunden in einer Rundenzeit gewinnt oder im hinteren Fahrerfeld landet. Dieses Gefühl und die Leidenschaft für Feinheiten erweist sich nun als wertvoll für Stefans Rolle als Uhrendesigner. Welche Uhrmacher oder Uhrenmarken aber schätzt Stefan Johansson selbst? „Ich mag die Arbeit von Richard Mille. Er hat die Aufmerksamkeit für Details auf eine ganz neue Ebene gehoben. Ich glaube, darin liegt auch der Schlüssel zu seinem Erfolg. Jedes einzelne Element an seinen Uhren ist exquisit. Die Details, die Auswahl des Materials, die Art und Weise, wie dann alles zusammenkommt: als Endergebnis steht ein großartiges Produkt.“ „Einer meiner Lieblingsuhrmacher ist FP Journe. Er macht einige außergewöhnliche Sachen und hat ein paar unglaublich coole Uhrwerke, die auf die Hundertstelsekunde genau messen.“

Eine Uhr mit ewigem Kalender von Stefan Johansson Växjö

Was können wir als nächstes von Stefan erwarten? „Ich bin sicher, dass ich mit meiner neuen Kollektion etwas ganz besonderes geschaffen habe“, sagt er und verrät sogar noch etwas mehr: „Ich habe einen ewigen Kalender kreiert.“ Als ich dies erfuhr, war ich etwas überrascht, dass sich dieses relativ kleine Unternehmen an eine so komplizierte Uhr gewagt hat. Doch schon mit seinem nächsten Satz steigerte Stefan meine Überraschung noch: „Ich habe meine eigene Komplikation kreiert und auch die Patente angemeldet. Ich warte nur noch auf den richtigen Moment, das Modell auf den Markt zu bringen. Aber ich kann bereits versprechen, dass es ein extrem cooles Uhrwerk ist.“
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Stefan Johansson auf dem Siegerpodest © PR
Ich bewundere Stefan Johansson. Er hatte eine erfolgreiche Rennfahrerkarriere, und andere Menschen an seiner Stelle würden sich zurückzulehnen und die Früchte ihres Erfolges genießen. Stefan jedoch hat eine weitere erfolgreiche Karriere begonnen. Obwohl seine Erfolge im Motorsport Opfer forderten – man denke nur an die kalorienbewusste Ernährung, das intensive Trainingsprogramm und die ständigen Reisen – denkt Stefan noch nicht an Ruhestand. Im Gegenteil: Er ist so beschäftigt wie immer. Seine Leidenschaft für den Motorsport hat nie nachgelassen, aber sein Ehrgeiz hat ihn dazu gebracht, auch eigene Uhren zu kreieren. Auf dem Markt ist sein Unternehmen erfolgreich, es produziert eine limitierte Anzahl an Uhren für erlesene und anspruchsvolle Kunden. Doch Stefan Johansson ist noch immer ehrgeizig und plant noch mehr spannende neue Uhren. So vermute ich, dass seine Hartnäckigkeit mit weiteren Auszeichnungen und dem Lob der Kritiker belohnt wird. Escapement.uk.com ist eine frei zugängliche Website, die 2011 von Angus Davies gegründet wurde. Das Ziel von Chefredakteur Angus Davies ist, dem Leser die Feinheiten der Haute Horlogerie verständlich zu vermitteln. Auf Watchtime.net stellen wir Ihnen einzelne Artikel der Website auf Deutsch zur Verfügung: www.escapement.uk.com Text: Angus Davies
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