Eine erhöhte Unruhfrequenz ermöglicht einen präziseren Gang und, beim Chronographen, eine höhere Stoppgenauigkeit. Wir blicken in die Vergangenheit der Schnellschwinger und präsentieren die neuesten Entwicklungen.
Frühe Taschenuhren tickten mit 12.600 Halbschwingungen pro Stunde, und später etablierte sich der jahrzehntelang übliche Standard von 18.000 Halbschwingungen. Dieselbe Unruhfrequenz wurde Anfang des 21. Jahrhunderts auch auf die neu aufgekommenen Armbanduhren übertragen und ganz allmählich auf 19.800 und später 21.600 Halbschwingungen pro Stunde erhöht. Mit letzteren drei Hertz bewegte sich beispielsweise die Unruh des 1962 vorgestellten Eta-Kalibers 2428 (nicht zu verwechseln mit 2824).
In dieser Epoche gewannen die Themen Regulierbarkeit und Langzeitstabilität zunehmend an Bedeutung. Außerdem suchte die auf Wachstum getrimmte Industrie nach Verkaufsargumenten für neue Armbanduhren. Das rückte eine weitere Steigerung der Unruhfrequenz in den Fokus. Es kristallisierten sich jedoch zwei Problempunkte heraus: Höhere Schlagzahlen verlangten erstens nach mehr Energie und zweitens nach besserer Schmierung.
Ungeachtet dessen setzten manche Produzenten alles auf eine Karte. Girard-Perregaux überraschte 1965 mit dem Automatikkaliber 32.7 HF (Hochfrequenz), dessen kleine Unruh mit flotten fünf Hertz beziehungsweise 36.000 Halbschwingungen pro Stunde oszillierte. Für diese Leistung erhielt die Uhrenmanufaktur aus La Chaux-de-Fonds im Folgejahr den Jubiläumspreis des Neuenburger Observatoriums, das sein hundertjähriges Bestehen zelebrierte. 1967 stellte die Institution 73 Prozent seiner Chronometerzertifikate für dieses Hochfrequenzkaliber aus.
Sukzessive erlangten Fünf-Hertz-Schnellschwinger auch bei anderen Herstellern Serienreife. Der Werkehersteller AS präsentierte 1969 das Automatikkaliber 1920 und fertigte davon bis 1974 immerhin 79400 Exemplare. Der Rohwerkegigant Eta ließ sich Zeit bis 1971 und stellte dann unter anderem das Handaufzugskaliber 2806 (bis 1977 insgesamt 1.000 Exemplare) und das Automatikkaliber 2826 (34200 Stück bis 1977) vor. Gemessen an den gewohnten Stückzahlen kann man also nicht von bemerkenswerten Erfolgen sprechen. Die Schnellschwinger waren zwar gangstabil, machten aber Probleme mit der Ölhaltung und riefen somit zahlreiche Reklamationen hervor. Deshalb stoppten sowohl AS als auch Eta den Ausflug ins Reich der mechanischen Hochfrequenz.
Ganz anders die Uhrenmanufaktur Zenith: Ihr 1969 vorgestelltes Chronographenkaliber 3019 PHC, der legendäre „El Primero“, stoppt – bis heute – dank einer Unruhfrequenz von fünf Hertz auf die Zehntelsekunde genau.
Für die meisten Hersteller war jedoch die Anfang der siebziger Jahre eingeführte Frequenz von vier Hertz besser beherrschbar. 28.800 Halbschwingungen pro Stunde bilden nach allgemeiner Auffassung einen vernünftigen Kompromiss in Sachen Energiebedarf, Regulierbarkeit und Gangverhalten. Deshalb avancierten sie zum weithin anerkannten Standard bei mechanischen Uhrwerken unserer Tage.
Rasante Chronographen
Vor allem Kurzzeitmesser mit extremen Frequenzen ziehen die Aufmerksamkeit von Uhrenkennern auf sich. Eine entsprechende Stoppuhr mit zehnfacher Messgenauigkeit hat Heuer bereits 1914 für Wissenschaftler, Sportler und Militärs entwickelt. Es handelte sich um eine Taschenuhr mit Kronendrücker. Ihr zentraler Stoppzeiger umrundete das Zifferblatt in drei Sekunden.
Das Schwing- und Hemmungssystem mit kleiner Unruh und kräftiger Breguetspirale vollzog 360.000 Halbschwingungen pro Stunde (50 Hertz), woraus eine bis dato ungekannte Genauigkeit auf die Hundertstelsekunde resultierte. Ein fast identisches Exemplar tickte mit der halben Frequenz und stoppte so auf die Fünfzigstelsekunde genau.
Die Modelle fanden sich im Firmenkatalog von 1916 als „Le Mikrographe“ und „Le Semikrographe“. Daneben gab es „La Dédoublante Mikrographe“ und „La Dédoublante Semikrographe“ mit zwei Drückern und Schleppzeiger. Dass die mechanische Ultrakurzzeitmessung extrem präzise erfolgte, bescheinigte das Observatorium Neuenburg am 11. Dezember 1928: „Per Kurier senden wir Ihnen 17 Schleppzeiger-Stoppuhren zurück, deren Prüfung hiermit abgeschlossen ist. Wir haben ein exzellentes Resultat festgestellt, zu welchem wir Sie beglückwünschen.“ Erst 1969 endete die Produktion der innovativen Stoppuhren. Der Grund: Elektronische Uhren konnten das Gleiche – und waren dabei genauer.
Auch die Uhrenmarke Longines, die bis in die 1950er Jahre zu den renommiertesten Manufakturen für Kurzzeitmesser gehörte, baute schon früh Hochfrequenzchronographen. So war das 1909 vorgestellte Handaufzugskaliber 19.73N später auch in einer Version mit Hundertstelsekunden-Stoppgenauigkeit erhältlich. Bei dieser reinen Stoppuhr ohne Zeitanzeige reduzierte sich die verfügbare Gangautonomie auf wenige Stunden, und der Totalisator reichte nur bis drei Minuten. Das Schwingsystem mit kleiner Unruh und kräftiger Spirale oszillierte mit 50 Hertz beziehungsweise 360.000 Halbschwingungen pro Stunde.
Auf der Basis des 1928 lancierten Kalibers 18.72 offerierte Longines ebenfalls zwei Hochfrequenzstopper ohne Zeitanzeige: einen mit 360.00 Halbschwingungen pro Stunde (fünf Hertz) und einen ultraschnellen mit zehnfacher Frequenz.
Ähnliches gilt für das 24-linige Kaliber 24.99, entwickelt für die Zeitnahme anlässlich der Olympischen Spiele 1940, die schließlich wegen des Zweiten Weltkriegs ausfielen. Die Basisversion des 1939 lancierten Chronographen stoppte auf die Fünftelsekunde genau. Varianten mit kleinerer Unruh, die stündlich 36.000 Halbschwingungen vollzog, erfassten Zeitintervalle auf die Zehntelsekunde genau, indizierten aber keine Uhrzeit. Bis in die Quarz-Ära wurde eine weitere Ausführung produziert, die die Hundertstelsekunde dank einer Unruhfrequenz von 50 Hertz maß.
Der Dritte im historischen Schnellschwinger-Bunde heißt Minerva. Die ursprüngliche Intention der 1858 von Charles-Yvan und Hippolyte Robert in Villeret gegründeten Fabrik war der Zusammenbau von Uhrwerken aus der Ébauches-Fabrikation in Fontainemelon (FHF). Das frühe 20. Jahrhundert brachte die Fertigung von Manufakturwerken für Taschenuhren und 1908 das erste Chronographenkaliber 19/9CH. In den frühen 1920er Jahren begannen die Gebrüder Robert mit der Entwicklung von Stoppuhren mit erhöhter Unruhfrequenz. Das breite Spektrum umfasste im Lauf der folgenden Jahrzehnte Fünftel-, Zehntel-, Zwanzigstel-, Dreißigstel-, Fünfzigstel- und Hundertstelsekunden-Stopper für militärische, industrielle, sportliche und wissenschaftliche Zwecke.
Nichts als die Zeit
Als Audemars Piguet 2009 den Chronometer Jules Audemars mit einer ungewöhnlichen Frequenz von sechs Hertz beziehungsweise 43.200 Halbschwingungen pro Stunde vorstellte, ging es der Uhrenmanufaktur aus Le Brassus nicht um die Kurzzeitmessung: Stattdessen werden auf dem technisch anmutenden, offenen Zifferblatt nur die Stunden, Minuten und Sekunden sowie die verbleibende Gangreserve angezeigt. Apropos Gangreserve: Diese beträgt dank zweier Federhäuser nach Vollaufzug beachtliche 72 Stunden und übertrifft damit die meisten anderen Schnellschwinger. Audemars Piguet garantiert für die Platinuhr ein über Jahre gleichbleibendes Gangbild, da die Hemmung des Handaufzugskalibers 2908 ohne Schmiermittel auskommt. Die bekannte Platinversion kostet 274.300 Euro; zudem ist seit neuestem eine Rotgoldausführung für vergleichsweise günstige 166.300 Euro zu haben.
Auch der Schnellschwinger, den Chopard zur diesjährigen Basler Messe vorgestellt hat, belegt, dass eine erhöhte Unruhfrequenz nicht zwangsläufig zu Lasten der Gangautonomie geht: Das 31-steinige Automatikkaliber L.U.C 01.06-L läuft rund 60 Stunden. Das Schwing- und Hemmungssystem ist auf flotte acht Hertz oder 57.600 Halbschwingungen pro Stunde ausgelegt. Außerdem hat Chopard den Genauigkeitssegen der Schweizer Chronometerkontrolle COSC erhalten. Hintergrund der erhöhten Unruhfrequenz sind eine bessere Regulierbarkeit und Langzeitpräzision. Und ganz nebenbei eignet sich die Neukonstruktion prinzipiell zur Verwendung in jedem Chopard-Kaliber. Aus Gründen des Gewichts und der Schmierung finden in der Hemmung Siliziumbauteile Verwendung. Die ersten 100 Uhrwerke gibt es in der entsprechend limitierten L.U.C 8HF mit Titangehäuse für 15.290 Euro.
Breguet hat ebenfalls kürzlich einen Schnellschwinger enthüllt. Der Newcomer besitzt zwar keine Stoppmöglichkeit wie die Breguet Type XXII von 2010, aber dafür die prinzipiell gleiche Siliziumhemmung mit einer Unruhfrequenz von zehn Hertz. Markenchef Marc A. Hayek zeigte das Uhrenmodell Classique Chronométrie 7727 B im Rahmen der Baselworld 2012, betonte jedoch, dass der Verkauf erst 2013 beginnen werde. Der Preis und eine etwaige Limitierung des Uhrenmodells stehen somit noch nicht fest.
Die Einzigartigkeit des Manufaktur-Handaufzugswerks 574 BR besteht in der Lagerung beider Unruhwellenzapfen in den gebündelten Feldern winziger Permanentmagneten. Allein die feinen Spitzen touchieren zur Begrenzung des Höhenspiels. Überlieferte Materialien passen wegen der Auswirkungen einer Magnetisierung nicht zu diesem Konzept. Als einer der Siliziumpioniere hat Breguet freilich gut lachen: Die beiden gegenläufig agierenden Unruhspiralen aus diesem Material sind völlig amagnetisch. Zusammen mit Anker- und Ankerrad aus Silizium mindert die innovative Lagerung nicht nur die Reibung, sondern auch den gesamten Energieverbrauch des Schwing- und Hemmungssystems.
Schnell, schneller, am schnellsten
In die Fußstapfen des Heuer Mikrograph von 1916 trat im Jahr 2005 die Carrera Calibre 360. Dabei handelte es sich um die erste mechanische Armbanduhr mit Hundertstelsekunden-Stopper. Aus technischen Gründen hatten die Produktentwickler das Innenleben, zusammengefügt aus 234 Komponenten, als Sandwich konzipiert. Für die Zeitanzeige war das bewährte Eta-Automatikkaliber 2892 verantwortlich. Seine Vorderseite trug ein Stoppmodul von La Joux-Perret mit manuellem Aufzug, eigenem Federhaus, 100 Minuten Gangautonomie, 30-Minuten-Zähler, Flyback-Funktion und natürlich einer Unruhfrequenz von 360.000 Halbschwingungen pro Stunde.
Die Schmierung stellte bei diesem Extremtempo eine besondere Herausforderung dar; Zentrifugalkräfte sowie das Aufeinandertreffen von Ankerpaletten und Ankerradzähnen wollten bewältigt sein. Die Lösung lag in einem speziellen, bis heute geheimen Schmierstoff, der laut TAG Heuer effizient über einen langen Zeitraum wirkt.
2011 folgte dann der dritte Hundertstelsekunden-Chronograph von TAG Heuer (1985 wurde aus Heuer TAG Heuer): Mit dem Carrera Mikrograph 1/100th setzten sich der Leiter der Forschungs- und Entwicklungsabteilung Guy Semon, der Uhrmacher Denis Badin und der Ingenieur Janick Chatelain zusammen mit einem kleinen Team ein erstes Denkmal im Hause TAG Heuer – gelang es ihnen doch, auf einen modularen Werkaufbau zu verzichten. Natürlich braucht es dennoch zwei Federhäuser sowie getrennte Hemmungssysteme. Das System zur Zeitanzeige schwingt mit vier Hertz und läuft 42 Stunden. Der Gangregler für den Stopper oszilliert 12,5-mal so schnell, mit 50 Hertz; hier endet die Antriebskraft nach 90 Minuten. Die Roségolduhr ist auf 150 Stück limitiert und kostet 42.000 Euro.
Noch im selben Jahr trat TAG Heuer ein weiteres Mal aufs Gas: Anfangs handelte es sich beim Mikrotimer Flying 1000 noch um ein uhrmacherisches Konzept. Weil Markenchef Christophe Babin jedoch auf die Teilnahme am Genfer Uhren-Grand-Prix und dessen Reglement schielte, entstanden zehn verkäufliche Exemplare im Titangehäuse zum Preis von rund 100.000 Euro.
Der Name ist Botschaft: Diese Armbanduhr stoppt auf die Tausendstelsekunde genau. Ihre Mechanik entspricht grundsätzlich jener des zehnfach langsameren Mikrograph. Aber beim Tausendstel-Schwingsystem mit seinen hochfrequenten 500 Hertz müssen klassische Unruhn schlichtweg passen. Nicht weniger als 14 angemeldete Patente künden von beträchtlichem Einfallsreichtum. Den unterstreicht eine sehr kurze, breite und feste Spirale, entwickelt von TAG Heuer zusammen mit dem Komponentenlieferanten Atokalpa. Ihre Schwingungen hält eine spezifische Ankerhemmung aufrecht. Mit Hilfe eines schaltradgesteuerten Impuls-Brems-Systems, das direkt auf die Spiralwelle einwirkt, gelingt das Starten und Stoppen der Spiralschwingungen. Vor dem Zifferblatt sprintet der zentrale Stoppzeiger zehnmal pro Sekunde um seine Achse. Ein weiterer Zeiger rotiert zur Darstellung der Zehntelsekunden alle fünf Sekunden um 360 Grad. Ein Minutenzähler ist ebenfalls vorhanden. In der Natur der Sache begründet sich die nur wenige Minuten reichende Gangautonomie des Hochgeschwindigkeitsstoppers. Die zugehörige Zugfeder will manuell gespannt werden.
Im Januar 2012 haben auch Montblanc und die zugehörige Manufaktur Minerva einen Tausendstelsekunden-Chronographen vorgestellt. Geistiger Vater des TimeWriter II Chronographe Bi-Fréquence 1000 ist der gebürtige Spanier Bartomeu Gomila. Analog zu TAG Heuer setzt Montblanc auf zwei funktional getrennte Werke. Jenes zur Zeitanzeige verfügt über eine große Unruh, die nach manuellem Vollaufzug rund 100 Stunden lang mit gemächlichen 2,5 Hertz beziehungsweise 18.000 Halbschwingungen pro Stunde oszilliert. Die Betätigung des Drückers zwischen den oberen Bandanstößen setzt das deutlich schneller tickende Pendant in Gang. Der zentrale Zeiger sprintet unverzüglich los, sofern die zugehörige Zugfeder zuvor durch einige Linksdrehungen der Krone gespannt wurde. Maximal tut er das 45 Minuten lang mit einer Umdrehung pro Sekunde. Die ihm zugeordnete Skala besitzt 100 Teilstriche für die Hundertstelsekunde. Ein weiterer Zeiger bei der Sechs erfasst jede Rotation und damit die Zahl der vollen Sekunden. Schließlich gibt es noch einen 15-Minuten-Totalisator im selben Hilfszifferblatt.
Spannend wird es im Augenblick des Anhaltens: Bei der Zwölf findet sich ein Fenster mit segmentförmiger Skala. Im Ruhezustand entdeckt man dort eine kleine rote Pfeilspitze. Die springt beim Stoppen blitzartig unter eine der Ziffern von Null bis Neun und bildet so die Anzahl der Tausendstelsekunden nach dem letzten Hundertstel ab.
Anders als TAG Heuer setzt Montblanc bei seiner Stoppmechanik auf ein Schwingsystem mit 50 statt 500 Hertz Unruhfrequenz, das eigentlich nur Messungen auf die Hundertstelsekunde gestattet. Mit Hilfe eines Tricks geht es aber zehnmal genauer. Noch macht Montblanc, wohl aus patentrechtlichen Gründen, ein Geheimnis aus der Gestalt des Zusatzgetriebes zur Verzehnfachung der Rotationsgeschwindigkeit und der damit verknüpften Indikation. Hinsichtlich der Anzeige ist ein speziell geformter Nocken denkbar, den die Uhrmacher auf der rotierenden High-Speed-Welle befestigen. Vielleicht tastet ein Hebel nach dem Stoppen die Position ab und überträgt diese beispielsweise mit Hilfe eines Rechens auf den Tausendstelzeiger. Das sind jedoch lediglich Vermutungen. (Harte) Fakten sind dagegen die Limitierung der Uhr auf nur 36 Exemplare und der Preis von 230.000 Euro.
Kurz danach, nämlich zur Baselworld im März 2012, trumpfte einmal mehr TAG Heuer auf: Für den Mikrogirder hatte Entwickler Guy Semon sein mathematisches und physikalisches Wissen erneut in die Waagschale geworfen. Bei dem, was er schuf, ist das Automatikwerk mit vier Hertz Unruhfrequenz zum Bewahren der Uhrzeit ein alter Bekannter. Nachgerade revolutionär präsentiert sich der wiederum als Kadratur vorderseitig auf der Hauptplatine montierte Stopper. Er bewältigt Kurzzeitmessungen auf halbe Tausendstelsekunden genau. Während eine kurz zuvor präsentierte Ausführung den Namen Mikrogirder 2000 trug, heißt die endgültige Version Mikrogirder 10000. Prinzipiell sind sie jedoch gleich, denn die Genauigkeit beträgt nicht 1/10000, sondern 5/10000 Sekunden, was einer Zweitausendstelsekunde oder eben einer halben Tausendstel entspricht. Die Anzeigen präsentiert TAG Heuer beim Mikrogirder 10000 allerdings übersichtlicher als bei der ersten Ausführung, denn nun zeigt ein eigenes Hilfszifferblatt die Hundertstelsekunden an, und ein weiterer Totalisator zählt 60 Sekunden.
Um eine geeignete Schwingmethode für die Frequenz von 7.200.000 Halbschwingungen pro Stunde (1000 Hertz!) zu finden, blickte Seymon zurück in die Physikgeschichte. Fündig wurde er im 18. Jahrhundert bei Jean Baptiste le Rond. Gemäß dem d’Alambert’schen Prinzip streckte der Techniker die Unruhspirale in eine Gerade.
Weil sich der Platz bei Armbanduhren in Grenzen hält, kooperieren in der Konstruktion, für die gleich zehn Patentanmeldungen laufen, drei im rechten Winkel angeordnete Metallklingen. Die erste des Trios regen ein speziell geformter Anker und ein ebenso ungewöhnliches Ankerrad zum harmonischen Schwingen in winzigen Auslenkungen an. Von dort aus pflanzen sich die Oszillationen fort. Weil dieses System nicht von selbst startet, hat TAG Heuer ein schaltradgesteuertes Starter-Nabenbremsen-System ersonnen. Dieses setzt den Gangregler und den Stopper mit seinem leisen, turbinenartigen Surren in Gang. Ein mittig im Zifferblatt angeordneter, zwanzig Umdrehungen pro Sekunde vollziehender Zeiger stellt die winzigen Zeiteinheiten dar. Der Mikrogirder ist momentan noch eine Konzeptuhr und nicht im Handel erhältlich.
Neuester Weltrekord
Das jüngste Meisterwerk aus den TAG-Heuer-Ateliers in La Chaux-de-Fonds wurde in Basel noch unter dem Tisch gezeigt und erst jetzt zur Publikation freigegeben. Der gewählte Name Mikrotourbillon S reiht sich in die seit 1916 verwendete Terminologie ein. Bei dieser Weltpremiere handelt es sich um das schnellste Tourbillon aller Zeiten, das in einer Uhr mit einem zweiten, herkömmlich schwingenden Tourbillon vereint wird. Erstmals gestattet der Drehgang Stoppvorgänge auf die Hundertstelsekunde genau. Will heißen: Das kleinere und flinkere Tourbillon lässt sich nach Belieben starten und wieder anhalten, um Zeiten zu stoppen, während sich das größere, für die Uhrzeit zuständige Tourbillon gemächlich weiterdreht. Das Mikrotourbillon S kehrt zurück zum Ausgangspunkt aller Bemühungen, also zum Hundertstel. Es folgt demselben zweiteiligen Grundprinzip wie die schnellschwingenden Vorgänger, sodass die Kupplung und damit die Einflussnahme des Stoppers auf den Gang des eigentlichen Uhrwerks eliminiert werden. Im Umkehrschluss können sich Irregularitäten des Zeitinstruments auch nicht auf die Präzision des Kurzzeitmessers auswirken. Der Effekt liegt auf der Hand: Wenn gewünscht, können alle „Mikro“-Modelle den amtlichen Zertifizierungsprozess zum Chronometer in doppelter Hinsicht durchlaufen. Einmal bezogen auf die bewahrte und zum anderen auf die gestoppte Zeit. Es fehlt allerdings noch ein entsprechendes Verfahren zum Prüfen von Chronographen gemäß anerkannter Chronometernormen; zu diesem Zweck kooperiert TAG Heuer bereits mit dem Observatorium im französischen Besançon.
Der Newcomer bewahrt die Uhrzeit mithilfe einer klassischen Getriebekette, an deren Ende eines der beiden Tourbillons steht. Dieses dreht sich samt dem daran befestigten Sekundenzeiger in überlieferter Manier einmal pro Minute um seine Achse. Die im Käfig untergebrachte Unruh oszilliert mit konventionellen vier Hertz. Das deutlich kleinere Chronographen-Tourbillon zerhackt die kontinuierlich fließende Zeit in Hundertstelsekunden-Abschnitte. Die Taktgeschwindigkeit der winzigen Unruh liegt somit bei 360.000 Schlägen pro Stunde (50 Hertz).Das konstruktiv vom Üblichen deutlich abweichende Drehgestell darum herum benötigt für eine 360-Grad-Rotation nur fünf Sekunden statt der üblichen Minute. Jede Minute glänzt es also durch zwölf ganze Pirouetten.
Alle 439 Komponenten des bislang in der Tat einzigartigen Doppeltriebwerk-Ensembles, das bis 30 Minuten zählen kann, finden sich in einem Carrera-Gehäuse aus Roségold und dem seltenen Metall Tantal. Bis auf die beiden Unruhspiralen entsteht – darauf ist TAG Heuer besonders stolz – alles im eigenen Haus. In der linken Hälfte des Zifferblatts dominieren die beiden Tourbillons, unten das Hilfszifferblatt für die Stoppsekunde und rechts der Minutentotalisator; im Zentrum sprintet der Sekundenbruchteilzeiger. Das Mikrotourbillon S wird künftig in einer limitierten Auflage erhältlich sein, aber die genaue Anzahl und der Preis stehen noch nicht fest.
Abschließend lässt sich zum Thema Schnellschwinger konstatieren, dass die genannten Uhren nur den Anfang eines neuen Mechaniktrends repräsentieren. Schnell- und Ultraschnellschwinger werden über kurz oder lang bei verschiedenen Uhrenmarken zu finden sein. Zenith steht bereits in den Startlöchern, andere werden folgen. glb