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Mechaniktrend Schnellschwinger

Schnellschwinger mit drei Zeigern: Zu den zahlreichen Girard­Perregaux-Modellen mit Kaliber 32.7 HF und fünf Hertz Unruhfre­quenz gehörte diese Gyromatic von 1966
© PR
Eine erhöhte Unruhfrequenz ermöglicht einen präziseren Gang und, beim Chronographen, eine höhere Stoppgenauigkeit. Wir blicken in die Vergangenheit der Schnellschwinger und präsentieren die neuesten Entwicklungen. Frühe Taschenuhren tickten mit 12.600 Halbschwingungen pro Stunde, und später etablierte sich der jahrzehntelang übliche Standard von 18.000 Halbschwingungen. Dieselbe Unruhfrequenz wurde Anfang des 21. Jahrhunderts auch auf die neu aufgekommenen Armbanduhren übertragen und ganz allmählich auf 19.800 und später 21.600 Halb­schwingungen pro Stunde erhöht. Mit letzteren drei Hertz bewegte sich beispielsweise die Unruh des 1962 vorgestell­ten Eta-Kalibers 2428 (nicht zu verwechseln mit 2824).
In dieser Epoche gewannen die Themen Regulierbar­keit und Langzeitstabilität zunehmend an Bedeutung. Außerdem suchte die auf Wachstum getrimmte Industrie nach Verkaufsargumenten für neue Armbanduhren. Das rückte eine weitere Steigerung der Unruhfrequenz in den Fokus. Es kristallisierten sich jedoch zwei Problempunkte heraus: Höhere Schlagzahlen verlangten erstens nach mehr Energie und zweitens nach besserer Schmierung. Ungeachtet dessen setzten manche Produzenten alles auf eine Karte. Girard-Perregaux überraschte 1965 mit dem Automatikkaliber 32.7 HF (Hochfrequenz), dessen kleine Unruh mit flotten fünf Hertz beziehungsweise 36.000 Halbschwingungen pro Stunde oszillierte. Für diese Leistung erhielt die Uhrenmanufaktur aus La Chaux-de-Fonds im Folgejahr den Jubiläumspreis des Neuenburger Obser­vatoriums, das sein hundertjähriges Bestehen zelebrierte. 1967 stellte die Institution 73 Prozent seiner Chrono­meterzertifikate für dieses Hochfrequenzkaliber aus. Sukzessive erlangten Fünf-Hertz-Schnellschwinger auch bei anderen Herstellern Serienreife. Der Werkehersteller AS präsentierte 1969 das Automatikkaliber 1920 und fertigte davon bis 1974 immerhin 79400 Exemplare. Der Roh­werkegigant Eta ließ sich Zeit bis 1971 und stellte dann unter anderem das Handaufzugskaliber 2806 (bis 1977 insgesamt 1.000 Exemplare) und das Automatikkaliber 2826 (34200 Stück bis 1977) vor. Gemessen an den gewohnten Stückzahlen kann man also nicht von bemer­kenswerten Erfolgen sprechen. Die Schnellschwinger waren zwar gangstabil, machten aber Probleme mit der Ölhaltung und riefen somit zahlreiche Reklamationen hervor. Deshalb stoppten sowohl AS als auch Eta den Ausflug ins Reich der mechanischen Hochfrequenz. Ganz anders die Uhrenmanufaktur Zenith: Ihr 1969 vorge­stelltes Chronographenkaliber 3019 PHC, der legendäre „El Primero“, stoppt – bis heute – dank einer Unruhfrequenz von fünf Hertz auf die Zehntelsekunde genau. Für die meisten Hersteller war jedoch die Anfang der siebziger Jahre eingeführte Frequenz von vier Hertz besser beherrschbar. 28.800 Halbschwingungen pro Stunde bilden nach allgemeiner Auffassung einen vernünftigen Kompromiss in Sachen Energiebedarf, Regulierbarkeit und Gangverhalten. Deshalb avancierten sie zum weithin anerkannten Standard bei mechanischen Uhrwerken unserer Tage. Rasante Chronographen
Geschwindigkeits­rekord von 1916: Der Mikrograph und... © PR
Vor allem Kurzzeitmesser mit extremen Frequenzen ziehen die Aufmerksamkeit von Uhrenkennern auf sich. Eine ent­sprechende Stoppuhr mit zehnfacher Messgenauigkeit hat Heuer bereits 1914 für Wissenschaftler, Sportler und Militärs entwickelt. Es handelte sich um eine Taschenuhr mit Kronen­drücker. Ihr zentraler Stoppzeiger umrundete das Zifferblatt in drei Sekunden.
... der Semikrograph von Heuer stoppten Hundertstel- bzw. Fünfzigstelsekunden © PR
Das Schwing- und Hemmungssystem mit kleiner Unruh und kräftiger Breguetspirale vollzog 360.000 Halbschwingungen pro Stunde (50 Hertz), woraus eine bis dato ungekannte Genauigkeit auf die Hundertstelsekunde re­sultierte. Ein fast identisches Exemplar tickte mit der halben Frequenz und stoppte so auf die Fünfzigstelsekunde genau. Die Modelle fanden sich im Firmenkatalog von 1916 als „Le Mikrographe“ und „Le Semikrographe“. Daneben gab es „La Dédoublante Mikrographe“ und „La Dédoublante Semi­krographe“ mit zwei Drückern und Schleppzeiger. Dass die mechanische Ultrakurzzeitmessung extrem präzise erfolgte, bescheinigte das Observatorium Neuenburg am 11. Dezem­ber 1928: „Per Kurier senden wir Ihnen 17 Schleppzeiger-Stoppuhren zurück, deren Prüfung hiermit abgeschlossen ist. Wir haben ein exzellentes Resultat festgestellt, zu welchem wir Sie beglückwünschen.“ Erst 1969 endete die Produktion der innovativen Stoppuhren. Der Grund: Elektronische Uhren konnten das Gleiche – und waren dabei genauer. Auch die Uhrenmarke Longines, die bis in die 1950er Jahre zu den renommiertesten Manufakturen für Kurzzeitmesser gehörte, baute schon früh Hochfrequenzchronographen. So war das 1909 vorgestellte Handaufzugskaliber 19.73N später auch in einer Version mit Hundertstelsekunden-Stoppgenau­igkeit erhältlich. Bei dieser reinen Stoppuhr ohne Zeitanzeige reduzierte sich die verfügbare Gangautonomie auf wenige Stunden, und der Totalisator reichte nur bis drei Minuten. Das Schwingsystem mit kleiner Unruh und kräftiger Spirale oszillierte mit 50 Hertz beziehungsweise 360.000 Halbschwingungen pro Stunde.
Hundertstelsekunden-Stopper von Longines: Unter anderem diese Taschenuhr aus dem Jahr 1960 tickte mit einer Frequenz von 50 Hertz © PR
Auf der Basis des 1928 lancierten Kalibers 18.72 offerierte Longines ebenfalls zwei Hochfrequenzstopper ohne Zeitan­zeige: einen mit 360.00 Halbschwingungen pro Stunde (fünf Hertz) und einen ultraschnellen mit zehnfacher Frequenz. Ähnliches gilt für das 24-linige Kaliber 24.99, entwickelt für die Zeitnahme anlässlich der Olympischen Spiele 1940, die schließlich wegen des Zweiten Weltkriegs ausfielen. Die Basisversion des 1939 lancierten Chronographen stoppte auf die Fünftelsekunde genau. Varianten mit kleinerer Unruh, die stündlich 36.000 Halbschwingungen vollzog, erfassten Zeitintervalle auf die Zehntelsekunde genau, indizierten aber keine Uhrzeit. Bis in die Quarz-Ära wurde eine weitere Ausführung produziert, die die Hundertstelsekunde dank einer Unruhfrequenz von 50 Hertz maß.
Fünf-Hertz-Hemmung: Die historische Minerva-Stoppuhr mit zentralem 30-Sekunden- und kleinem 15-Minuten-Totalisator stoppte Zehntelsekunden © PR
Der Dritte im historischen Schnellschwinger-Bunde heißt Minerva. Die ursprüngliche Intention der 1858 von Charles-Yvan und Hippolyte Robert in Villeret gegrün­deten Fabrik war der Zusammenbau von Uhrwerken aus der Ébauches-Fabrikation in Fontainemelon (FHF). Das frühe 20. Jahrhundert brachte die Fertigung von Manufak­turwerken für Taschenuhren und 1908 das erste Chrono­graphenkaliber 19/9CH. In den frühen 1920er Jahren begannen die Gebrüder Robert mit der Entwicklung von Stoppuhren mit erhöhter Unruhfrequenz. Das breite Spektrum umfasste im Lauf der folgenden Jahrzehnte Fünftel-, Zehntel-, Zwanzigstel-, Dreißigstel-, Fünfzigstel­- und Hundertstelsekunden-Stopper für militärische, industrielle, sportliche und wissenschaftliche Zwecke. Nichts als die Zeit
Sechs Hertz: Audemars Piquet baut das Modell Chronometer Jules Audemars seit diesem Jahr auch in Rotgold © PR
Als Audemars Piguet 2009 den Chronometer Jules Aude­mars mit einer ungewöhnlichen Frequenz von sechs Hertz beziehungsweise 43.200 Halbschwingungen pro Stunde vorstellte, ging es der Uhrenmanufaktur aus Le Brassus nicht um die Kurzzeitmessung: Stattdessen werden auf dem tech­nisch anmutenden, offenen Zifferblatt nur die Stunden, Minuten und Sekunden sowie die verbleibende Gangre­serve angezeigt. Apropos Gangreserve: Diese beträgt dank zweier Federhäuser nach Vollaufzug beachtliche 72 Stun­den und übertrifft damit die meisten anderen Schnell­schwinger. Audemars Piguet garantiert für die Platinuhr ein über Jahre gleichbleibendes Gangbild, da die Hem­mung des Handaufzugskalibers 2908 ohne Schmiermittel auskommt. Die bekannte Platinversion kostet 274.300 Euro; zudem ist seit neuestem eine Rotgoldausführung für vergleichsweise günstige 166.300 Euro zu haben.
Acht Hertz: Die neue Chopard namens L.U.C 8 HF kann ein Chronometerzertifikat vorweisen © PR
Auch der Schnellschwinger, den Chopard zur diesjäh­rigen Basler Messe vorgestellt hat, belegt, dass eine erhöhte Unruhfrequenz nicht zwangsläufig zu Lasten der Gang­autonomie geht: Das 31-steinige Automatikkaliber L.U.C 01.06-L läuft rund 60 Stunden. Das Schwing- und Hem­mungssystem ist auf flotte acht Hertz oder 57.600 Halb­schwingungen pro Stunde ausgelegt. Außerdem hat Chopard den Genauigkeitssegen der Schweizer Chronometer­kontrolle COSC erhalten. Hintergrund der erhöhten Unruhfrequenz sind eine bessere Regulierbarkeit und Lang­zeitpräzision. Und ganz nebenbei eignet sich die Neukon­struktion prinzipiell zur Verwendung in jedem Chopard-Kaliber. Aus Gründen des Gewichts und der Schmierung finden in der Hemmung Siliziumbauteile Verwendung. Die ersten 100 Uhrwerke gibt es in der entsprechend limi­tierten L.U.C 8HF mit Titangehäuse für 15.290 Euro. Breguet hat ebenfalls kürzlich einen Schnellschwinger enthüllt. Der Newcomer besitzt zwar keine Stoppmöglich­keit wie die Breguet Type XXII von 2010, aber dafür die prinzipiell gleiche Siliziumhemmung mit einer Unruhfre­quenz von zehn Hertz. Markenchef Marc A. Hayek zeigte das Uhrenmodell Classique Chronométrie 7727 B im Rahmen der Baselworld 2012, betonte jedoch, dass der Verkauf erst 2013 beginnen werde. Der Preis und eine etwaige Limitie­rung des Uhrenmodells stehen somit noch nicht fest.
Zehn Hertz: Spirale und Hemmung der neu eingeführten Breguet Classique Chronométrie 7727 B bestehen aus Silizium, und die Unruhwelle ist in Magneten gelagert © PR
Die Einzigartigkeit des Manufaktur-Handaufzugs­werks 574 BR besteht in der Lagerung beider Unruhwel­lenzapfen in den gebündelten Feldern winziger Perma­nentmagneten. Allein die feinen Spitzen touchieren zur Begrenzung des Höhenspiels. Überlieferte Materialien passen wegen der Auswirkungen einer Magnetisierung nicht zu diesem Konzept. Als einer der Siliziumpioniere hat Breguet freilich gut lachen: Die beiden gegenläufig agierenden Unruhspiralen aus diesem Material sind völlig amagnetisch. Zusammen mit Anker- und Ankerrad aus Silizium mindert die innovative Lagerung nicht nur die Reibung, sondern auch den gesamten Energieverbrauch des Schwing- und Hemmungssystems. Schnell, schneller, am schnellsten In die Fußstapfen des Heuer Mikrograph von 1916 trat im Jahr 2005 die Carrera Calibre 360. Dabei handelte es sich um die erste mechanische Armbanduhr mit Hundertstelsekunden-Stopper. Aus technischen Gründen hatten die Produktentwickler das Innenleben, zusammengefügt aus 234 Komponenten, als Sandwich konzipiert. Für die Zeitanzeige war das bewährte Eta-Automatikkaliber 2892 ver­antwortlich. Seine Vorderseite trug ein Stoppmodul von La Joux-Perret mit manuellem Aufzug, eigenem Federhaus, 100 Minuten Gangautonomie, 30-Minuten-Zähler, Flyback-Funktion und natürlich einer Unruhfrequenz von 360.000 Halbschwingungen pro Stunde. Die Schmierung stellte bei diesem Extremtempo eine besondere Herausforderung dar; Zentrifugalkräfte sowie das Aufeinandertreffen von Ankerpaletten und Anker­radzähnen wollten bewältigt sein. Die Lösung lag in einem speziellen, bis heute geheimen Schmierstoff, der laut TAG Heuer effizient über einen langen Zeitraum wirkt. 2011 folgte dann der dritte Hundertstelsekunden-Chronograph von TAG Heuer (1985 wurde aus Heuer TAG Heuer): Mit dem Carrera Mikrograph 1/100th setz­ten sich der Leiter der Forschungs- und Entwicklungsab­teilung Guy Semon, der Uhrmacher Denis Badin und der Ingenieur Janick Chatelain zusammen mit einem kleinen Team ein erstes Denkmal im Hause TAG Heuer – gelang es ihnen doch, auf einen modularen Werkaufbau zu verzich­ten. Natürlich braucht es dennoch zwei Federhäuser sowie getrennte Hemmungssysteme. Das System zur Zeitan­zeige schwingt mit vier Hertz und läuft 42 Stunden. Der Gangregler für den Stopper oszilliert 12,5-mal so schnell, mit 50 Hertz; hier endet die Antriebskraft nach 90 Minu­ten. Die Roségolduhr ist auf 150 Stück limitiert und kostet 42.000 Euro.
Zweimal Hunderts­tel, einmal Tau­sendstel, einmal halbe Tausendstel: die TAG-Heuer-Modelle Carrera Calibre 360 (2005), Carrera Mikrograph 1/100th (2011), Mikrotimer Flying 1000 (2011) und Mikrogirder 10000 (2012) stoppen, was das Zeug hält © PR
Noch im selben Jahr trat TAG Heuer ein weiteres Mal aufs Gas: Anfangs handelte es sich beim Mikrotimer Flying 1000 noch um ein uhrmacherisches Konzept. Weil Markenchef Christophe Babin jedoch auf die Teilnahme am Genfer Uhren-Grand-Prix und dessen Reglement schielte, entstanden zehn verkäufliche Exemplare im Titangehäuse zum Preis von rund 100.000 Euro. Der Name ist Botschaft: Diese Armbanduhr stoppt auf die Tausendstelsekunde genau. Ihre Mechanik entspricht grundsätzlich jener des zehnfach langsameren Mikro­graph. Aber beim Tausendstel-Schwingsystem mit seinen hochfrequenten 500 Hertz müssen klassische Unruhn schlichtweg passen. Nicht weniger als 14 angemeldete Patente künden von beträchtlichem Einfallsreichtum. Den unterstreicht eine sehr kurze, breite und feste Spirale, entwickelt von TAG Heuer zusammen mit dem Kompo­nentenlieferanten Atokalpa. Ihre Schwingungen hält eine spezifische Ankerhemmung aufrecht. Mit Hilfe eines schaltradgesteuerten Impuls-Brems-Systems, das direkt auf die Spiralwelle einwirkt, gelingt das Starten und Stop­pen der Spiralschwingungen. Vor dem Zifferblatt sprintet der zentrale Stoppzeiger zehnmal pro Sekunde um seine Achse. Ein weiterer Zeiger rotiert zur Darstellung der Zehntelsekunden alle fünf Sekunden um 360 Grad. Ein Minutenzähler ist ebenfalls vorhanden. In der Natur der Sache begründet sich die nur wenige Minuten reichende Gangautonomie des Hochgeschwindigkeitsstoppers. Die zugehörige Zugfeder will manuell gespannt werden. Im Januar 2012 haben auch Montblanc und die zugehö­rige Manufaktur Minerva einen Tausendstelsekunden-Chronographen vorgestellt. Geistiger Vater des TimeWri­ter II Chronographe Bi-Fréquence 1000 ist der gebürtige Spanier Bartomeu Gomila. Analog zu TAG Heuer setzt Montblanc auf zwei funktional getrennte Werke. Jenes zur Zeitanzeige verfügt über eine große Unruh, die nach ma­nuellem Vollaufzug rund 100 Stunden lang mit gemächli­chen 2,5 Hertz beziehungsweise 18.000 Halbschwingun­gen pro Stunde oszilliert. Die Betätigung des Drückers zwischen den oberen Bandanstößen setzt das deutlich schneller tickende Pendant in Gang. Der zentrale Zeiger sprintet unverzüglich los, sofern die zugehörige Zugfeder zuvor durch einige Linksdrehungen der Krone gespannt wurde. Maximal tut er das 45 Minuten lang mit einer Um­drehung pro Sekunde. Die ihm zugeordnete Skala besitzt 100 Teilstriche für die Hundertstelsekunde. Ein weiterer Zeiger bei der Sechs erfasst jede Rotation und damit die Zahl der vollen Sekunden. Schließlich gibt es noch einen 15-Minuten-Totalisator im selben Hilfszifferblatt.
Der andere Weg zur Tausendstel: Der Montblanc Time-Writer II Chronogra­phe Bi-Fréquence 1000 besitzt „nur“ 50 Hertz Unruh­frequenz sowie eine geheim gehaltene Übersetzung auf die Tausendstelanzeige bei der Zwölf © PR
Spannend wird es im Augenblick des Anhaltens: Bei der Zwölf findet sich ein Fenster mit segmentförmiger Skala. Im Ruhezustand entdeckt man dort eine kleine rote Pfeilspitze. Die springt beim Stoppen blitzartig unter eine der Ziffern von Null bis Neun und bildet so die Anzahl der Tausendstelsekunden nach dem letzten Hundertstel ab. Anders als TAG Heuer setzt Montblanc bei seiner Stoppmechanik auf ein Schwingsystem mit 50 statt 500 Hertz Unruhfrequenz, das eigentlich nur Messungen auf die Hundertstelsekunde gestattet. Mit Hilfe eines Tricks geht es aber zehnmal genauer. Noch macht Montblanc, wohl aus patentrechtlichen Gründen, ein Geheimnis aus der Gestalt des Zusatzgetriebes zur Verzehnfachung der Rotationsgeschwindigkeit und der damit verknüpften In­dikation. Hinsichtlich der Anzeige ist ein speziell geform­ter Nocken denkbar, den die Uhrmacher auf der rotieren­den High-Speed-Welle befestigen. Vielleicht tastet ein He­bel nach dem Stoppen die Position ab und überträgt diese beispielsweise mit Hilfe eines Rechens auf den Tausends­telzeiger. Das sind jedoch lediglich Vermutungen. (Harte) Fakten sind dagegen die Limitierung der Uhr auf nur 36 Exemplare und der Preis von 230.000 Euro. Kurz danach, nämlich zur Baselworld im März 2012, trumpfte einmal mehr TAG Heuer auf: Für den Mikrogir­der hatte Entwickler Guy Semon sein mathematisches und physikalisches Wissen erneut in die Waagschale geworfen. Bei dem, was er schuf, ist das Automatikwerk mit vier Hertz Unruhfrequenz zum Bewahren der Uhrzeit ein alter Bekannter. Nachgerade revolutionär präsentiert sich der wiederum als Kadratur vorderseitig auf der Hauptplatine montierte Stopper. Er bewältigt Kurzzeitmessungen auf halbe Tausendstelsekunden genau. Während eine kurz zuvor präsentierte Ausführung den Namen Mikrogirder 2000 trug, heißt die endgültige Version Mikrogirder 10000. Prinzipiell sind sie jedoch gleich, denn die Genau­igkeit beträgt nicht 1/10000, sondern 5/10000 Sekunden, was einer Zweitausendstelsekunde oder eben einer halben Tausendstel entspricht. Die Anzeigen präsentiert TAG Heuer beim Mikrogirder 10000 allerdings übersichtlicher als bei der ersten Ausführung, denn nun zeigt ein eigenes Hilfszifferblatt die Hundertstelsekunden an, und ein wei­terer Totalisator zählt 60 Sekunden. Um eine geeignete Schwingmethode für die Frequenz von 7.200.000 Halbschwingungen pro Stunde (1000 Hertz!) zu finden, blickte Seymon zurück in die Physik­geschichte. Fündig wurde er im 18. Jahrhundert bei Jean Baptiste le Rond. Gemäß dem d’Alambert’schen Prinzip streckte der Techniker die Unruhspirale in eine Gerade. Weil sich der Platz bei Armbanduhren in Grenzen hält, kooperieren in der Konstruktion, für die gleich zehn Patentanmeldungen laufen, drei im rechten Winkel an­geordnete Metallklingen. Die erste des Trios regen ein speziell geformter Anker und ein ebenso ungewöhnli­ches Ankerrad zum harmonischen Schwingen in win­zigen Auslenkungen an. Von dort aus pflanzen sich die Oszillationen fort. Weil dieses System nicht von selbst startet, hat TAG Heuer ein schaltradgesteuertes Starter­-Nabenbremsen-System ersonnen. Dieses setzt den Gangregler und den Stopper mit seinem leisen, turbi­nenartigen Surren in Gang. Ein mittig im Zifferblatt an­geordneter, zwanzig Umdrehungen pro Sekunde voll­ziehender Zeiger stellt die winzigen Zeiteinheiten dar. Der Mikrogirder ist momentan noch eine Konzeptuhr und nicht im Handel erhältlich. Neuester Weltrekord
Weltneuheit: Mit dem Mikrotour­billonS hat TAG Heuer soeben den ersten Hunderts­telsekunden-Drehgang enthüllt © PR
Das jüngste Meisterwerk aus den TAG-Heuer-Ate­liers in La Chaux-de-Fonds wurde in Basel noch unter dem Tisch gezeigt und erst jetzt zur Publikation freigegeben. Der gewählte Name Mikrotourbillon S reiht sich in die seit 1916 verwendete Terminologie ein. Bei dieser Weltpremiere handelt es sich um das schnellste Tourbillon aller Zeiten, das in einer Uhr mit einem zweiten, herkömmlich schwingenden Tourbillon ver­eint wird. Erstmals gestattet der Drehgang Stoppvor­gänge auf die Hundertstelsekunde genau. Will heißen: Das kleinere und flinkere Tourbillon lässt sich nach Belieben starten und wieder anhalten, um Zeiten zu stoppen, während sich das größere, für die Uhrzeit zuständige Tourbillon gemächlich weiterdreht. Das Mikrotourbillon S kehrt zurück zum Ausgangspunkt aller Bemühungen, also zum Hundertstel. Es folgt demselben zweiteiligen Grundprinzip wie die schnellschwingenden Vorgänger, sodass die Kupp­lung und damit die Einflussnahme des Stoppers auf den Gang des eigentlichen Uhrwerks eliminiert wer­den. Im Umkehrschluss können sich Irregularitäten des Zeitinstruments auch nicht auf die Präzision des Kurzzeitmessers auswirken. Der Effekt liegt auf der Hand: Wenn gewünscht, können alle „Mikro“-­Modelle den amtlichen Zertifizierungsprozess zum Chronometer in doppelter Hinsicht durchlaufen. Einmal bezogen auf die bewahrte und zum anderen auf die gestoppte Zeit. Es fehlt allerdings noch ein ent­sprechendes Verfahren zum Prüfen von Chronogra­phen gemäß anerkannter Chronometernormen; zu diesem Zweck kooperiert TAG Heuer bereits mit dem Observatorium im französischen Besançon. Der Newcomer bewahrt die Uhrzeit mithilfe einer klas­sischen Getriebekette, an deren Ende eines der beiden Tourbillons steht. Dieses dreht sich samt dem daran befes­tigten Sekundenzeiger in überlieferter Manier einmal pro Minute um seine Achse. Die im Käfig untergebrachte Un­ruh oszilliert mit konventionellen vier Hertz. Das deutlich kleinere Chronographen-Tourbillon zerhackt die konti­nuierlich fließende Zeit in Hundertstelsekunden-Abschnitte. Die Taktgeschwindigkeit der winzigen Unruh liegt somit bei 360.000 Schlägen pro Stunde (50 Hertz).Das konstruktiv vom Üblichen deutlich abweichende Drehgestell darum herum benötigt für eine 360-Grad-Rotation nur fünf Sekunden statt der üblichen Minute. Jede Minute glänzt es also durch zwölf ganze Pirouetten. Alle 439 Komponenten des bislang in der Tat einzigar­tigen Doppeltriebwerk-Ensembles, das bis 30 Minuten zählen kann, finden sich in einem Carrera-Gehäuse aus Roségold und dem seltenen Metall Tantal. Bis auf die bei­den Unruhspiralen entsteht – darauf ist TAG Heuer be­sonders stolz – alles im eigenen Haus. In der linken Hälfte des Zifferblatts dominieren die beiden Tourbillons, unten das Hilfszifferblatt für die Stoppsekunde und rechts der Minutentotalisator; im Zentrum sprintet der Sekunden­bruchteilzeiger. Das Mikrotourbillon S wird künftig in einer limitierten Auflage erhältlich sein, aber die genaue Anzahl und der Preis stehen noch nicht fest. Abschließend lässt sich zum Thema Schnellschwinger konstatieren, dass die genannten Uhren nur den Anfang eines neuen Mechaniktrends repräsentieren. Schnell- und Ultraschnellschwinger werden über kurz oder lang bei verschiedenen Uhrenmarken zu finden sein. Zenith steht bereits in den Startlöchern, andere werden folgen.  glb

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