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Von winzigen Einzelteilen zum Uhrwerk

Montage eines Planetengetriebes
© René Gaens
Vom Chaos zur Vollendung: Aus einer Vielzahl von Einzelteilen entsteht ein faszinierendes Uhrwerk. Ein Weg, den Uhrmacher und spezialisierte Handwerker mit höchster Konzentration begleiten.
Aus vielem wird eins: Ruhig und konzentriert setzt der Uhrmacher alle Bauteile zu einer Uhr zusammen. © René Gaens
Da liegen sie. Einige von ihnen sind winzig klein. So klein, dass man befürchtet, bereits ein unbedachter Atemzug würde sie einfach hinwegfegen: die Einzelteile eines mechanischen Uhrwerks. Ihre Vielfalt ist verwirrend. Es finden sich Rädchen und Brücken, winzige Schräubchen und Zapfen.

Ein Uhrwerk kann aus mehreren 100 winzigen Einzelteilen bestehen

Bei einer komplizierten Uhr können es mehrere hundert Einzelteile sein und jedes hat seine eigene Geschichte, sein eigenes Herstellungsverfahren. Die meisten sind so diffizil, dass sie nur von ausgemachten Spezialisten gefertigt werden können. Gemeinsam ist ihnen, dass dabei stets höchste Präzision erforderlich ist. Nur dann kann jetzt, bei der schlussendlichen Montage des Uhrwerks, alles funktionieren. Die Vollendung des Uhrwerks beginnt bei der Grundplatine, indem die Zapfen der Räder in die Steinlager in der Platine gesteckt werden. Nicht alle Einzelteile werden nach und nach aufgesetzt und zusammengebaut. Vielmehr werden einzelne Komponenten vormontiert. Welche dies sind, auch in welcher Reihenfolge das Uhrwerk zusammengefügt wird – das unterscheidet sich je nach Werk und auch Hersteller.
Im Folgenden beschreiben wir die Fertigung eines mechanischen Werkes. Meist ist es im Produktionsprozess sinnvoll und üblich, fast alle Komponenten – abgesehen vom Räderwerk – vorzumontieren.

Aus diesen Komponenten besteht ein Uhrwerk

Das Räderwerk umfasst alle Zahnräder und Triebe, die die Kraft der Zugfeder auf das Hemmungsrad übertragen und dabei so übersetzen, dass das Federrad für eine Umdrehung 7,5 Stunden, das Hemmungsrad dagegen nur sechs Sekunden benötigt. Die drei Zahnräder zwischen dem ersten Federrad und dem letzten Hemmungsrad werden als Minutenrad, Kleinboden- oder Zwischenrad und Sekundenrad bezeichnet. Die Achsen dieser Zahnräder sind als Wellen in Bohrungen der Platinen, Brücken oder Kloben gelagert. Weitere, wichtige Teile des Uhrwerks werden separat zusammengebaut. Dazu zählen vor allem der Aufzugsmechanismus, die Hemmung und die Unruh sowie der Stellmechanismus. Der Aufzugsmechanismus besteht unter anderem aus dem Wechsleraggregat, Gesperr, Brücke und Schwungmasse, der Stellmechanismus aus Aufzugswelle, Kupplungstrieb, Wippe und diversen Zahnrädern.
Sekundenwippe: Sie stellt später, gesteuert über das Schaltrad, die Verbindung zwischen Uhrwerk und Chronographen her. © René Gaens
Sind die verschiedenen Komponenten vormontiert, beginnt der eigentliche Zusammenbau des Werkes mit dem Einbau des Antriebsorgans; darauf folgen das Räderwerk, Hemmung und Unruh. Mit dem bloßen Zusammen- beziehungsweise Einbau ist es allerdings nicht getan. Zum Beispiel müssen Federn, Hebel und Wippen an Kontakt- oder Reibungsstellen mit speziellem Öl oder Fett geschmiert werden.

Die eingebauten Komponenten werden geölt und angepasst

In der Regel erfolgt dieses Prozedere direkt während der Montage. Bestimmte Teile – darunter die Zugfeder – werden allerdings vorgeölt. Dies aus dem einfachen Grund, dass sie nach der Montage nicht mehr zugänglich sind. Wieder andere Elemente müssen während der Montage angepasst beziehungsweise bearbeitet werden. Dazu zählen zum Beispiel das Feinstellen der Steinhöhen, um den Rädern das richtige Höhenspiel zu geben, sowie die Kontrolle und eventuelle Korrekturen der Spannung von Federn und Hebelfedern.
Schalthebel: Der filigrane Schalthebel wird in das Kaliber 61 von Glashütte Original eingebaut. © René Gaens
Sind diese Anpassungen vorgenommen und die beschriebenen Teile eingebaut, wird die Hemmung fertiggestellt, indem die Eingriffstiefe der Paletten (Ankersteine) auf dem Anker in die Hemmungsradzähne verändert wird. Dabei wird deren Winkel so lange variiert, bis die Hemmung optimal funktioniert. Jeder Anker wird also individuell an das jeweilige Werk angepasst.

Ist die Hemmung fertiggestellt, wird das Werk erstmals in Gang gesetzt

Ist alles an seinem Platz, kann das Werk zum ersten Mal in Gang gesetzt werden: Die Arbeitsweise der Spiralfeder wird geprüft und das Werk mithilfe der Schwanenhals-Feinregulierung exakt und sorgfältig einreguliert, damit es den Vorgaben des Herstellers oder sogar den Anforderungen einer Chronometerprüfstelle wie der schweizerischen COSC oder der Sternwarte in Glashütte entspricht und nach bestandener Prüfung deren begehrte Zertifikate erhalten kann.
Der Höhepunkt: Die Hemmungsgruppe wird höchst vorsichtig in das Werk eingesetzt. Kurz darauf beginnt das "Herz" zu schlagen. © René Gaens
Für diese Vielfalt an Aufgaben und Tätigkeiten ist beileibe nicht ein einziger Uhrmacher zuständig. Jedes Werk geht durch verschiedene kundige Hände: Die einen sind als Spezialisten für die Vormontage von Einzelkomponenten zuständig, andere bauen das Räderwerk zusammen oder setzen die vormontierten Bauteile auf. Speziell ausgebildete Uhrmacher sind später ausschließlich für Hemmung und Unruh sowie für die Prüfung der Spiralfeder beim Ingangsetzen des Uhrwerks zuständig.

Am Ende wird der Gang des Werks reguliert

Die technischen und ästhetischen Besonderheiten hochwertiger Manufakturwerke verlangen in jedem Detail Aufmerksamkeit und Fingerspitzengefühl. Zum Beispiel müssen dekorierte Einzelteile besonders sorgfältig behandelt werden, damit sie nicht zerkratzen. Denn die Dekoration, also das Aufbringen von Zierschliffen wie Genfer Streifen, Kreis- oder Sonnenschliff sowie das Anglieren und Polieren der Kanten, erfolgt im Regelfall vor der Montage. Auch die Vollendung ist kompliziert. Besonders anspruchsvoll ist die Feinreglage, die durch erfahrene und spezialisierte Handwerker, so genannte Regleure, vorgenommen wird. Sie verändern verschiedene Einstellungen am Werk solange, bis der Gang der Uhr präzise ausfällt.
Einschalen: Das fertig zusammengefügte Kaliber erhält seinen schützenden Gehäusemantel. © PR
So viel Sorgfalt braucht ihre Zeit. Für alle Arbeitsschritte, also Vormontage, Montage im Zusammenhang mit entsprechenden Kontrollen sowie das Ingangsetzen, benötigen die Uhrmacher pro Werk, abhängig von dessen Komplexität, einige Stunden.

Bis zur Vollendung der Uhr sind weitere Schritte nötig

Die Uhr ist damit natürlich noch lange nicht fertig: Dem sorgfältig einregulierten Werk wird schließlich das Zifferblatt aufgelegt, Zeiger werden gesetzt und das Werk schließlich in das Gehäuse eingeschalt. Nachdem Boden und Glas montiert sind, werden verschiedene technische und ästhetische Kontrollen durchgeführt: Man prüft die Wasserdichtigkeit, die Stellfunktionen durch die Aufzugswelle, noch einmal den Uhrgang sowie gegebenenfalls das automatische Aufzugssystem. Doch dann ist es so weit. Aus vielen Einzelteilen, die durch viele Hände gegangen sind, ist ein vollendetes Ganzes geworden – ein emsig tickendes mechanisches Wunderwerk, das Kennern und Liebhabern Freude schenkt.
Am Ende steht die fertige Uhr: Glashütte Original Senator Excellence mit Manufakturkaliber 36 © PR
Um einer Uhr zusätzliche Funktionen zum Anzeigen der Zeit zu verleihen, müssen diese Komplikationen in das Uhrwerk integriert werden. Im Video sehen Sie, wie die Steuerungsgruppe für die Chronographenfunktion in ein Uhrwerk eingesetzt wird:

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