Es ist eine Gesetzmäßigkeit der Physik, dass die Antriebskraft der Aufzugsfeder im mechanischen Uhrwerk nach Vollaufzug hoch und gegen Ende der Gangdauer wesentlich geringer ist. Mit ablaufendem Federhaus kommt also weniger Energie an der Unruh an und sie verliert an Amplitude, was eine verminderte Präzision der Uhr zur Folge hat – so können Gangabweichungen entstehen. Bei einer Kraftübertragung über Kette und Schnecke hingegen bleibt die Antriebskraft über die gesamte Dauer der Gangautonomie vollkommen gleich. Insofern ist sie als eine Art der konstanten Kraftübertragung zu verstehen.
Der Antrieb über Kette und Schnecke zählt zu den effektivsten Komplikationen zur Erhöhung der Ganggenauigkeit einer mechanischen Uhr. Er fand sich ursprünglich vor allem in Marinechronometern. Ihn auf die winzigen Dimensionen einer Armbanduhr zu bringen, erfordert Fingerspitzengefühl und uhrmacherische Meisterschaft, weshalb er nur in ganz wenigen Armbanduhren zu finden ist.
Zum Beispiel in Modellen namens "Pour le Mérite" von A. Lange & Söhne oder in der Academy Christophe Colomb Hurricane von Zenith. Hier ist die Kette 18 Zentimeter lang und besteht aus 585 Teilen. Die Ketten der "Pour-le-Mérite"-Modelle von A. Lange & Söhne bestehen aus 636 Einzelteilen, die im Querschnitt 0,6 mal 0,3 Millimeter messen.
Der Antrieb über Kette und Schnecke funktioniert wie ein stufenloses Getriebe, weshalb er den Kraftverlust der Aufzugsfeder ausgleicht und somit dafür sorgt, dass das Uhrwerk stets gleichmäßig mit Energie versorgt wird. Bei Vollaufzug ist die Kette komplett auf der Schnecke. Läuft das Federhaus ab, wickelt es dabei die Kette von der Schnecke ab und auf die Federhaustrommel auf. Damit dreht das Federhaus die Schnecke, die das stets konstante Drehmoment über ein Antriebsrad an das Räderwerk weitergibt.
Der Antrieb über Kette und Schnecke folgt dem Hebelprinzip. Die Schnecke hat die Form eines Kegels, um dessen Seitenwand sich eine spiralförmige Nut windet. Ist das Federhaus voll, zieht es mit ganzer Kraft, aber kürzerem Hebel an der Spitze des Kegels. Während die Aufzugsfeder an Kraft verliert, läuft die Kette zum breiteren Ende des Kegels hin ab. Mit wachsendem Radius wird der Hebel immer größer. Das Hebelprinzip besagt, dass mit großem Hebel aber kleiner Kraft ein großes Drehmoment ausgeübt werden kann. Wird also der Hebel mit abnehmender Kraft der Aufzugsfeder immer größer, bleibt das ans Räderwerk abgegebene Drehmoment konstant.
Aber so einfach, wie es sich anhört, ist es nicht. Die Berechnung der Kräfte ist eine sehr komplexe Angelegenheit, und die Kegelform der Schnecke muss speziell auf das Federhaus zugeschnitten sein. Ein weiterer Grund, weshalb man diese spezielle Art der konstanten Kraftübertragung in der Uhrmacherei vergleichsweise selten findet. MaRi