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Test: Oris ProPilot Altimeter

Oris: ProPilot Altimeter
© PR
Der Hölsteiner Uhrenbauer Oris ist für seine Zeitmesser mit nützlichen Komplikationen bekannt. 280 Entwicklungen schlagen dafür schon zu Buche. Die neue ProPilot Altimeter verbessert die bereits 2014 eingeführte und noch immer weltweit einzigartige mechanische Höhenmessfunktion in einer Automatikuhr.
Die neue ProPilot Altimeter besitzt einen Höhenmesser, mit dem Höhen bis 6.000 Meter oder 19.700 Fuß angezeigt werden können. Mithilfe einer barometrischen Messung verweist sie, einmal kalibriert, stets auf die aktuelle Höhe. Um das Wunderwerk der Technik zu verstehen, muss man sich in physikalische Zusammenhänge hineindenken. Deshalb – und das sei gleich einmal vorweggenommen – ist die innovationsgeladene ProPilot Altimeter eine Uhr für Experten – Piloten oder Bergsteiger – und ausgewiesene Uhren-Nerds. Elektronische Höhenmesser gibt es zuhauf. Hier geht es um die Freude an der Mechanik.Luftdruck und die Höhe über dem Erdboden stehen in einem Abhängigkeitsverhältnis: Mit zunehmender Höhe nimmt der Luftdruck ab. In der einfachsten Formel wird angenommen, dass der Luftdruck um ein Hektopascal je acht Meter Höhenzunahme sinkt. Diesen Zusammenhang macht sich Oris für die Höhenmessfunktion in der ProPilot Altimeter zunutze.

Ändert sich der Luftdruck, verändert sich auch die Höhenangabe

Wie bei jedem Barometer wird zur Messung des atmosphärischen Luftdrucks die Verformung einer flachen luftleeren Metalldose genutzt. Steigender Luftdruck drückt die Dose zusammen, bei fallendem Luftdruck dehnt sie sich wieder aus. Diese Bewegung, die nur wenige hundertstel Millimeter beträgt, wird mithilfe einer feinen Mechanik auf den Höhenmesszeiger übertragen.
Vorgängermodell 2014: Big Crown ProPilot Altimeter in Edelstahl mit einem Messbereich bis 14.500 Fuss oder 4.000 Meter. © Oris
Damit der Höhenmesser in der ProPilot Altimeter stets den richtigen Wert anzeigt, muss er einmal kalibriert werden. Das heißt, beim Zusammenbau der Uhr hat der Uhrmacher eine Wetterstation vor sich und setzt das Modul zur Höhenmessung entsprechend dem aktuell herrschenden Luftdruck ein. Die Relation muss beim Zusammenbau absolut stimmen, nur dann kann sich der spätere Nutzer bei sich stets änderndem Luftdruck auch auf die richtige Höhenangabe verlassen.Wie die Kalibrierung erfolgt auch später jede einzelne Einstellung des Höhenmessers. Zu dessen Aktivierung muss zunächst eine gerändelte Krone bei vier Uhr aus ihrer Verschraubung gelöst werden. Erst dann – und nur in diesem aufgeschraubten Zustand – funktioniert der Höhenmesser, was ein roter Ring an der Kronenverschraubung signalisiert.
Gut verschlossen: Der Titan-Schraubboden dichtet die Uhr bis zehn Bar ab und zeigt eine Umrechnungstabelle von Meter und Fuß. © Oris
Zum Einstellen des Höhenmessers muss die Krone nun noch einmal gezogen werden. Dann lässt sich ein Ring mit der Luftdruckangabe, der sich unterhalb des eigentlichen Zifferblattes – und auch unterhalb des eigentlichen Uhrwerks – befindet, verstellen. Der Referenzluftdruck von einer Wetterstation wird auf die Position gegenüber einem roten Dreieck bei sechs Uhr auf dem Zifferblatt gedreht. Wenn die Uhr richtig kalibriert ist, verweist dann eine gelbe Zeigergabel auf die Höhe, auf der man sich gerade befindet. Diese ist auf einem Rehaut instrumentenhaft skaliert. Dem sogenannten Höhenring des Zifferblattes kommt dadurch eine Bedeutung im wahrsten Sinne des Wortes zu.
Gehäuseherstellung: Der Rohling entsteht im 3D-Druck. © Oris
Ist der Höhenmesser eingestellt, wird die Krone wieder in ihre erste Position gebracht. Beim Wandern oder Fliegen werden nun Höhenunterschiede über den gelben Doppelzeiger auf dem äußeren Zifferblattreif von null bis 6.000 Meter oder von null bis 19.700 Fuß angezeigt. Die ProPilot Altimeter ist mit der einen oder anderen Skalierung erhältlich. Der Höhenmesser ist nur bei aufgeschraubter Krone aktiviert. Dabei verhindert die patentierte Oris-Krone dank einer PTFE-Dampfbarriere das Eindringen von Feuchtigkeit. Bei deaktiviertem Höhenmesser ist die Uhr mit verschraubter Krone bis zehn Bar oder hundert Meter wasserdicht.

Erweiterter Messbereich und ein neues Uhrwerk

Das Höhenmesswerk baut auf eine Konstruktion aus dem Jahr 2014 auf und basiert auf einem portablen Höhenmesser, wie er auch für andere mobile Geräte genutzt wird – zugeschnitten auf die Bedürfnisse eines mechanischen Zeitmessers.Eine Herausforderung war, den Höhenmessbereich von 4.500 auf 6.000 Meter zu erweitern. Die komplexe Entwicklung dauerte ganze drei Jahre. Die Lösung besteht in einer feiner abgestimmten Druckdose: Will man einen höheren Messbereich erreichen, muss der Widerstand höher sein, die Dose wurde also ein bisschen härter gemacht – verbunden mit einer Veränderung der Übersetzung auf den Zeiger, um den erweiterten Messbereich von 1.500 Metern mit 1,5 Umdrehungen dieses Zeigers zur Anzeige zu bringen. Auf dem Rehaut werden die Höhenangaben über zwei Skalen – von 360 Grad zwischen null und 4.000 Meter sowie über weitere 180 Grad zwischen 4.000 und 6.000 Meter – angegeben. Die filigrane Gestaltung des Höhenrings war eine weitere Herausforderung – und das bei gleichzeitig geäußertem Wunsch, ein kleineres und leichteres Gehäuse gegenüber dem Vorgängermodell von 2014 zu bauen.
Zwei Schichten: Kunststoff und Karbon werden bei Hitze verpresst. © Oris
Zu diesem Zweck kommt ein anderes Basis-Automatikwerk zum Einsatz. Das Sellita SW300 ist mit 3,6 Millimetern Höhe einen ganzen Millimeter flacher als das vormals benutzte SW200. Dazu gesellt sich das Modul mit 5,5 Millimetern Bauhöhe. Da es der Automatikrotor erschwert, den Zeiger der Druckmessung durch das Uhrwerk zum Zifferblatt zu führen, wählt Oris einen anderen Weg zur Anzeige der Höhenmessfunktion, und zwar in Form eines Luftdruckmessrings unterhalb des eigentlichen Zifferblattes sowie des Uhrwerks und eines Zifferblattrehauts zur Anzeige der Höhenmeter. Auf diese Weise ist der Höhenmesser vom Automatikwerk komplett getrennt und unterhalb von diesem ins Gehäuse eingeschalt. Löst man den Gewindeschraubboden, kommt einem das Höhenmesswerk entgegen.

Das Gehäuse ist ein Novum in der Uhrenbranche

Das von Oris als Calibre 793 bezeichnete Automatikwerk sitzt in einem Gehäuse aus neuartigem Karbon mit Titanlünette und -boden. Das Komposit ist zwei Drittel leichter als Titan. Daraus resultiert eine Uhr, die 70 Gramm leichter und einen Millimeter dünner ist als ihr Vorgängermodell von 2014. Mit 47 Millimetern Durchmesser und knapp 17 Millimetern Bauhöhe ist das Gehäuse dennoch imposant, aber der ganze Stolz des Uhrenherstellers.
Finale: Der Gehäuserohling erhält in der CNC-Fräse seine endgültige Form. © Oris
Oris wollte eine Uhr aus leichten, robusten Materialien in einem innovativen Prozess herstellen. Dazu bekam das Schweizer High-Tech-Unternehmen 9T Labs den Auftrag, für das Gehäuse eine Karbonfaser auf komplett neuartige Weise zu entwickeln und herzustellen – mit einem einzigartigen Design, einem interessanten Muster und vor allem – entsprechend der Oris-Philosophie – in einem nachhaltigen Prozess. Daraus ist ein Verbundwerkstoff aus Karbonfaser und einem High-Performance-Kunststoff namens PEKK entstanden – mit hoher Resistenz gegenüber Abrieb, Hitze und Chemikalien. Das Material ist leicht wie Plastik, aber härter als Metall. Seine Herstellung lässt sich industrialisieren, die Technologie für große Stückzahlen verwenden und das Material gegebenenfalls wieder aufschmelzen. Oris setzt als erste Uhrenmarke diese Technologie, die aus den Bereichen Aviatik, Fahrzeug- und chirurgischen Intrumentenbau kommt, ein. Ein echtes Novum in der Uhrenindustrie.

»Baumring-Effekt« für eine runde Sache

Bei dieser neuen Art, mit Karbon-Fasern zu arbeiten, spricht Oris von einem »Baumring-Effekt«: Hartplastik- und Karbonfasern werden Schicht für Schicht im Kreis bis in die Hörner des Gehäusemittelteils hinein abgelegt. Nur da, wo später Last auf das Gehäuse trifft, wird Karbon verwendet, ansonsten kommt Plastik als Füllstoff zum Einsatz. Der 3D-Drucker arbeitet mit zwei Düsen, über die sich genau bestimmen lässt, welches Material an welcher Stelle abgelegt wird. »Das Wissen entspringt der Erfahrung, und es wurde ziemlich viel probiert«, verrät uns Richard Ipyana Siegrist, Produktentwicklungsingenieur bei Oris. Am Ende kommt Karbon technisch optimiert und kostensparend zum Einsatz.
»Baumring-Effekt« nennt Oris die Struktur am Gehäusemittelteil, die durch Karbon- und Hartplastik-Schichten ensteht. © Oris
Zum Tragekomfort am Handgelenk trägt neben der Leichtigkeit des Gehäuses auch das lederunterfütterte und robuste Textilband mit seiner einseitig klappenden Faltschließe bei. Sie besteht wie die gerändelte Lünette, der massive Gewindeschraubboden und die beiden Schraubkronen aus PVD-beschichtetem Titan Grade 2. Die Schließe lässt sich stufenlos fixieren, das Befestigungssystem damit auf jeden Handgelenksumfang individualisieren. Bis ins letzte Detail eine runde Sache – so perfekt wie die Baumringe. Der Preis der Uhr beläuft sich auf 6.200 Euro. MaRiDieser Artikel erschien zuerst im Uhren-Magazin, Ausgabe 03.2023 – die aktuelle Ausgabe können Sie hier erwerben:)Sie wollen keine News mehr verpassen? Dann registrieren Sie sich für unseren Newsletter:

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